Hamburg. Die Wasserkühlung des Kohlekraftwerks ist nun Gegenstand von zwei Gerichtsverfahren. Bis zu einer Entscheidung dürften Jahre vergehen.

Das Kohlekraftwerk Moorburg wird voraussichtlich auch in den kommenden Jahren Gegenstand juristischer Auseinandersetzungen bleiben. Die Europäische Kommission teilte am Donnerstag mit, dass sie Deutschland vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) verklagen wird, weil die Umweltverträglichkeitsprüfungen bei der Genehmigung des Vattenfall-Kraftwerks nicht korrekt und ausreichend vorgenommen worden seien.

„Deutschland hat es versäumt, eine angemessene Bewertung vorzunehmen, wie sie die entsprechende Richtlinie vorsieht“, teilte die Kommission mit. Auch sei es unterblieben, eine alternative Kühlung für das Kraftwerk zu prüfen, um eine Gefährdung bedrohter Arten zu vermeiden. Der EuGH muss sich nun mit dem Fall befassen.

Die Wasserkühlung des Kraftwerks Moorburg, das Anfang März den kommerziellen Betrieb aufgenommen hat, ist seit Jahren umstritten. In einem bereits laufenden Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat die Umweltschutzorganisation BUND Vattenfall und die Stadt Hamburg wegen Verstoßes gegen die Europäische Wasserrahmenrichtlinie verklagt. Das Verfahren ist zurzeit ausgesetzt, weil die Leipziger Verwaltungsrichter auf eine Präzisierung des europäischen Gewässerrechts durch den EuGH warten. Diese rechtliche Klarstellung, die für April oder Mai erwartet wird, ist auch für das seit Jahren laufende Verfahren zur Elbvertiefung von großer Bedeutung.

Bei der Klage der EU-Kommission wiederum geht es um einen möglichen Verstoß gegen das europäische Naturschutzrecht im Rahmen der sogenannten Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie. Umstritten ist, ob die Fischtreppe in Geesthacht angemessen und ausreichend ist, um Fischbestände wie den Lachs, das Meerneunauge und das Flussneunauge vor Beeinträchtigungen durch die Kraftwerkskühlung zu schützen. Die Fische ziehen zum Laichen an Hamburg vorbei die Elbe hinauf.

Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt nicht überrascht

„Die Klage der EU-Kommission basiert auf einer Beschwerde, die wir im Jahr 2010 eingereicht haben“, sagte Manfred Braasch, Geschäftsführer des BUND-Landesverbandes Hamburg. „Das neue Verfahren bestätigt uns einmal mehr, dass der Betrieb des Kraftwerks Moorburg nicht im Einklang mit dem deutschen und europäischen Umwelt- und Naturschutz steht.“

Die EU-Kommission verklagt in solchen Fällen jeweils die Mitgliedsstaaten der Union. Betroffen ist hier aber vor allem die genehmigende Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt (BSU) in Hamburg. Deren Sprecher Magnus-Sebastian Kutz sagte dem Abendblatt am Donnerstag: „Für unsere Juristen kommt das Verfahren nicht überraschend, die EU-Kommission hat ihre Kritik ja bereits im vergangenen Jahr geäußert.“ Die Behörde rechne nicht damit, dass die Genehmigung für das Kraftwerk infrage gestellt werde: „Der lange Probebetrieb des Kraftwerks hat unsere Erwartungen insofern übertroffen, als dass mithilfe der neuen Fischtreppe nun mehr Fische die Elbe zum Laichen hinaufgelangen als vor deren Bau – trotz der Entnahme von Kühlwasser“, sagte Kutz. „Die Fischpopulationen werden durch das Kraftwerk nach allen bisherigen Erkenntnissen nicht beeinträchtigt.“

Ein Verfahren vor dem EuGH kann Monate, eher aber Jahre dauern. Neben der Frage, wie sich die Kraftwerkskühlung ökologisch auswirkt, wird es im Rahmen der neuen Klage auch darum gehen, ob Hamburg die EU bei der Konzeption der Fischtreppe frühzeitig und ausreichend eingebunden hat. Am Ende steht nicht zwingend eine Aufhebung der Betriebsgenehmigung für das Kraftwerk, sondern in einem für Deutschland negativen Urteil eher ein Bußgeld der EU-Kommission. Dieses müsste dann ganz oder in großen Teilen Hamburg bezahlen.

Kraftwerksbetreiber Vattenfall gab sich am Donnerstag gelassen. „Wir haben eine gültige Betriebsgenehmigung und sind an dem Klageverfahren nicht beteiligt“, sagte Unternehmenssprecherin Barbara Meyer-Bukow.

Würde eine Flusskühlung des Kraftwerks im Rahmen der beiden Verfahren untersagt werden, müsste Vattenfall ganzjährig auf den kraftwerkseigenen Kühlturm zurückgreifen. Der aber ist, aufgrund von Bauauflagen der Stadt, ein besonders niedriger, sogenannter Hy­bridkühlturm. Dessen Betrieb, der von Ventilatoren unterstützt werden muss, kostet das Kraftwerk mehr Energie als ein konventioneller Kühlturm und erst recht als die Flusskühlung.