Hamburg. Politikerin und Partei können sich im Streit um Auftritt bei Rechten nicht einigen. Güçlü derzeit nicht Mitglied der Grünen-Fraktion.

Trotz aller Schlichtungsversuche: Der Streit zwischen der Grünen-Führung und ihrer Bürgerschaftsabgeordneten Nebahat Güçlü ist nicht beigelegt – im Gegenteil. Am kommenden Sonnabend wird das Landesschiedsgericht der Grünen über den von der Parteispitze beantragten Parteiausschluss der früheren Bürgerschaftsvizepräsidentin und aktuellen Vorsitzenden der Türkischen Gemeinde Hamburg entscheiden.

Anlass des Streits war Güçlüs Wahlkampfauftritt Mitte Januar als Rednerin bei einer Veranstaltung der als extrem nationalistisch geltenden Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in Deutschland, zu denen auch die rechtsextremen „Grauen Wölfe“gerechnet werden. Die Parteiführung hatte Güçlü danach aufgefordert, auf ihre Kandidatur auf Platz 25 der Landesliste für die Bürgerschaftswahl zu verzichten. Da die 49-jährige Germanistin und Politologin das ablehnte, entschied der Vorstand, ein Ausschlussverfahren einzuleiten. Sie habe mit dem Auftritt gegen grüne Grundwerte verstoßen.

Da Güçlü es, möglicherweise auch wegen des Rummels um ihre Person, nun trotz ihres schlechten Listenplatzes dank vieler Personenstimmen in die Bürgerschaft geschafft hat, stehen Partei und Fraktion vor einem Problem. Deswegen hatten Parteiführung und Güçlüs Anwalt Maaß unter Vermittlung des Vorsitzenden des Schiedsgerichts, Ernst Medecke, nach der Wahl versucht, einen Kompromiss auszuhandeln. Zunächst einigte man sich auf den Entwurf einer gemeinsamen Erklärung. „Nebahat Güçlü erklärt, weder in der Vergangenheit rassistische, nationalistische oder den Interessen der Grünen zuwiderlaufende Ideen, Organisationen oder Parteien unterstützt zu haben und dies auch in Zukunft nicht zu wollen“, hieß es darin. Zudem bedauere Güçlü „insbesondere, dass ihre Teilnahme am 18.1.2015 auf einer Veranstaltung der Türk Federasyon und ihre anschließende Stellungnahme eine politische Fehleinschätzung war“, ebenso dass sie „auf dieser Veranstaltung um Unterstützung für die Grünen geworben“ habe. Man sei sich einig, „dass die Grünen nicht am rechten Rand um Stimmen werben“. Güçlü werde „ihr Auftreten in der Öffentlichkeit als Grüne in Zukunft an den Maßstäben dieser Erklärung orientieren“, so der Entwurf. Der Landesvorstand seinerseits betonte darin, „dass er Nebahat Güçlü nie als Faschistin, Rassistin oder Nationalistin bezeichnet hat und das auch jetzt nicht tut“. Und er ziehe den Antrag auf Parteiausschluss aufgrund der Einigung zurück.

Daraus allerdings wurde nichts, denn Güçlüs Anwalt zog die Zustimmung zu der Erklärung nach einigen Tagen zurück – und legte einen anderen, deutlich weniger selbstkritischen Entwurf vor. Darin bedauert Güçlü nicht mehr den Auftritt, sondern „den falschen Eindruck“, der durch ihn entstanden sei. „Es darf zu keiner Zeit der Eindruck entstehen, dass Grüne sich bei Rechtsextremisten anbiedern oder um deren Stimmen werben. Gleichzeitig suchen wir den kritischen Dialog mit Andersdenkenden“, heißt es in ihrem Gegenvorschlag. Mit dieser Version allerdings war der Parteivorstand nicht einverstanden. Deswegen kam es zu keiner Einigung – sodass nun das Schiedsgericht entscheiden muss.

Angesichts der hohen Hürden für einen Parteiausschluss hat Güçlü nach Ansicht von Beobachtern gute Karten, dass das Schiedsgericht den Antrag der Parteispitze um Katharina Fegebank, Manuel Sarrazin und Michael Gwosdz auf Parteiausschluss ablehnt. Dafür spreche der Vergleich mit ähnlichen Fällen. Der Vorsitzende des Schiedsgerichts, Rechtsanwalt Ernst Medecke, sagte, es gebe zwei zentrale Kriterien für die Urteilsfindung. Erstens müsse Schaden von der Partei abgehalten werden. Und zweitens müsse eine Entscheidung der Überprüfung durch das Bundesschiedsgericht standhalten. Letzteres wäre bei einem Ausschluss wohl keinesfalls gesichert.

Obwohl sie auf Ticket der Grünen in die Bürgerschaft eingezogen ist, ist Güçlü derzeit nicht Mitglied der Grünen-Fraktion. Diese hatte sich Anfang März ohne die damals krankgeschriebene Güçlü konstituiert. „Ob künftig alle über Grüne-Listen gewählten Abgeordneten Mitglied der Fraktion sein werden, ist noch nicht entschieden“, sagte Anjes Tjarks, parlamentarischer Geschäftsführer der Fraktion. „Die Abgeordneten werden mit Nebahat Güçlü darüber und über die Bewertung des umstrittenen Wahlkampfauftritts sprechen. Dieses Gespräch ist für kommende Woche vereinbart. Ob es einen gemeinsamen Weg gibt, wird sich zeigen.“

Güçlü selbst sagte, sie sehe sich „derzeit als fraktionslose Abgeordnete“. Bei dem für Montag angesetzten Gespräch mit der Fraktion gehe es ihr „vor allem um den Kommunikationsprozess“, so die 49-Jährige. „Wie es dann weitergeht, hängt vom Ergebnis des Gesprächs ab.“