Eppendorf . Die Eppendorfer Kastanien sollten gefällt werden, doch Aktivisten verhinderten es in letzter Sekunde - sie suchen auch einen Investor.
Die Kastanien am Eppendorfer Markt und das dahinter liegende Restaurant Tre Castagne sind stadtbekannt. Seit Jahren wird um das Eckgebäude mit dem Fachwerkgiebel und die drei markanten Bäumen vor der Tür gerungen. Mehr als 5000 Eppendorfer setzen sich mit ihrer Unterschrift für den Erhalt des Ensembles ein. Es soll ebenso wie etliche Nachbarhäuser einem geplanten Neubauvorhaben weichen.
Nach Informationen des Hamburger Abendblatts hat das zuständige Bezirksamt Hamburg-Nord für das umkämpfte Grundstück an der Ecke Eppendorfer Landstraße 97 und Martinistraße 4 gerade eine Abrissgenehmigung erteilt. Davon hatte auch die Initiative „Wir sind Eppendorf“ erfahren. Am Dienstagmorgen trafen sich einige Mitglieder vor Ort, um gegen den bevorstehenden Abriss zu protestieren.
Dass sie zur Stelle waren, rettete die drei 70 Jahre alten, ortsbildprägenden Bäume und verschaffte ihnen zumindest eine Schonfrist. Denn als die Holzfäller anrückten, um die Kastanien abzusägen, konnten die Anwesenden dies verhindern. Nach einem Telefonat zwischen Karin Haas, Politikerin der Linksfraktion und Mitglied von „Wir sind Eppendorf“, und dem zuständigen Dezernenten im Bezirksamt, Tom Oelrichs, rückten die Baumpfleger wieder ab. „Es gibt offenbar eine Vereinbarung zwischen Bezirksamt und Architekt, erst die Häuser abzureißen und dann die Bäume“, sagt Karin Haas. Das teilte der Architekt den Baumpflegern am Dienstag auf Intervention von Oelrichs auch mit.
Investor pocht auf Bescheid von 2013
Der Bezirk Nord steckt in einer Zwickmühle. Die Bezirksversammlung hatte sich im November dafür ausgesprochen, eine Baugenehmigung nur zu erteilen, wenn die Bäume erhalten bleiben. Wohl im Hinblick auf die Wahl hatten sich viele Politiker, die vorher stets für Abriss und Neubau plädiert hatten, enthalten. Doch auf der anderen Seite drängt die Zeit. Der Investor – der ehemalige Hamburger Fußballspieler Roberto Sciorilli – ist mittlerweile der zweite Eigentümer der Immobilie. Er kann auf einen 2013 erteilten, positiven Bauvorbescheid verweisen – und auf eine Fällgenehmigung. Verzögert sich die Erteilung der Baugenehmigung noch weiter, könnte er den Bezirk verklagen. Nach Auskunft seines Anwalts, Rafael Villena, dürfte die Schadenersatzsumme mindestens siebenstellig sein. Sie setzt sich aus Kaufpreis, entgangenen Mieteinnahmen und dem Gebäudewert zusammen. Villena wirft den Abgeordneten der Bezirksversammlung „widerrechtliches Handeln“ vor. „Sie kannten den positiven Bauvorbescheid und wussten, was auf den Bezirk zukommen kann.“
18 Wohnungen, ein Gastronomiebetrieb im Erdgeschoss und Gewerbe sind in dem geplanten Eckgebäude vorgesehen. Davor sollen laut Bebauungsplan Bäume stehen. Sollten die Kastanien erhalten bleiben, könnten ihre Wurzeln beim Bau der vorgeschriebenen Tiefgarage zu Schaden kommen. Deshalb plädiert Anwalt Villena dafür, dass neue Bäume gepflanzt werden.
Um das Fällen der Kastanien auch über den 15. März hinaus zu verhindern – bis zu diesem Termin ist eine Ausnahmegenehmigung möglich –, überlegt die Initiative, beim Verwaltungsgericht einen Antrag auf den Erlass einer einstweiligen Verfügung zu stellen.
Eppendorfer geben nicht auf
Dennoch scheint das Ende des historischen Kerns Eppendorfs jetzt unweigerlich gekommen zu sein. Denn im Zuge der geplanten Umgestaltung der sogenannten „kleinen Eppendorfer Landstraße“ starten im März die Abrissarbeiten auf den Nachbargrundstücken Nr. 99-101 und 103-109. Von Juli an soll dort neu gebaut werden.
Aber noch geben die Eppendorfer den Kampf nicht auf. Mit einem Bürgerbegehren will die Initiative „Wir sind Eppendorf“ den Erhalt des Ensembles erreichen. „Das Brauhaus ist im Kern eines der ältesten Gebäude Hamburgs und prägt das Bild des Stadtteils“, sagt Götz von Grone, einer der Vertrauensleute des Bürgerbegehrens.
Der Bezirk Hamburg-Nord hat die Volksbefragung allerdings für unzulässig erklärt. „Die Forderungen sind rechtswidrig“, sagt Tom Oelrichs auf Anfrage des Abendblatts. Als Grund nennt er die Eigentumsrechte des Grundstücksbesitzers und den bereits Ende 2013 erteilten Bauvorentscheid. „Der hat weiterhin Gültigkeit.“ Inzwischen haben die Initiatoren Widerspruch gegen die Ablehnung angekündigt, unter anderem, weil vor der Erteilung des Bauvorentscheids die Nachbarn nicht informiert worden waren. Auch von ihnen haben einige dem Entscheid widersprochen.
Auch Block House soll Interesse haben
Seit November steht jeden Sonnabendmittag eine Mahnwache vor dem Brauhaus. „Wir haben 5500 Unterschriften für den Erhalt des Gebäudes gesammelt“, sagt „Wir sind Eppendorfer“-Aktivist von Grone. Weil der Bezirk diese ignoriert habe, habe die Initiative jetzt das Bürgerbegehren gestartet. Er kritisiert auch den Denkmalschutz, der das fast 300 Jahre alte mehrmals umgebaute Gebäude zwar als „erhaltenswert“ eingestuft, aber nicht unter Schutz gestellt hatte. Inzwischen macht sich auch der Umweltverband Nabu für den Erhalt der ortsprägenden Kastanien stark.
Bedenken gibt es zudem wegen des Baugrunds und einer möglichen Erhöhung des Grundwasserspiegels durch die Großbaustelle. Inzwischen hat sich auch die bekannte Seglerin Dagmar Hilcken in die Kontroverse eingeschaltet und ein Treffen organisiert, bei dem über alternative Nutzungsideen für das Brauhaus nachgedacht werden sollte. Nach ihren Worten hat unter anderem die Steakhaus-Kette Block House Interesse signalisiert. Die Initiative „Wir sind Eppendorf“ sucht jetzt unter Hochdruck nach einem Investor, der dem derzeitigen Besitzer das Grundstück abkaufen und so das historische Brauhaus retten könnte. Die Bezirkspolitik hat für diesen Fall schon Unterstützung zugesagt.