Hamburg. 3000 Führungskräfte diskutieren in Hamburg über Glaube und Religion und tauschen sich über ethisches Handeln in Wirtschaft und Politik aus.
Der Kongress christlicher Führungskräfte, der am heutigen Sonnabend im CCH zu Ende geht, übt Kritik an der Berichterstattung des NDR, der in einem Beitrag von „radikalen Christen“ spricht. „Da wird konservativ mit radikal gleichgesetzt. Das halte ich für unredlich“, sagte Matthias Pankau, Sprecher des Kongresses christlicher Führungskräfte, dem Abendblatt. Von „radikalen Christen“ zu sprechen gehe „an der Realität vorbei“, betonte Pankau. Auf dem Kongress treffen sich drei Tage lang mehr als 3000 christliche Manager, um sich über ethisches Handeln in Wirtschaft und Politik auszutauschen. Unter anderem hielten Bürgermeister Olaf Scholz (SPD), Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) und der Fraktionschef der CDU/CSU, Volker Kauder, Reden auf der Veranstaltung.
Der NDR hatte unter der Überschrift „Scholz unterstützt Kongress radikaler Christen“ von der Veranstaltung berichtet und unter anderem gesagt, unter den Ausstellern seien auch „extrem radikale Missionswerke“. Zudem wurde einer der Organisatoren, Helmuth Matthies, kritisiert, der Chef der evangelikalen Nachrichtenagentur idea ist. „Uns geht es darum, dass wir versuchen, christliche Werte in unsere Gesellschaft einzubringen, und das besonders über Führungskräfte“, hatte Matthies erklärt. Matthies bezeichne aber auch, so der NDR in seinem Beitrag, „Homosexualität als Sünde“. Dazu Kongresssprecher Pankau: Bei dem Kongress gebe es rund 190 Aussteller, zudem würden 66 Veranstaltungen abgehalten. „Und Homosexualität spielt auf keiner Einzigen eine Rolle“, so Pankau.
Kritik übt der NDR-Beitrag auch an der Tatsache, dass Bürgermeister Scholz die Schirmherrschaft über den Kongress übernommen hatte. „Bei jeder Übernahme von Schirmherrschaften, Grußworten und Ähnlichem werde geprüft, ob es Gründe gibt, entsprechende Anfragen abzulehnen“, sagte dazu Senatssprecher Christoph Holstein. „Die eigene weltanschauliche Position, die Übereinstimmung mit der Politik des Senats oder Ähnliches spielt dabei nur eine untergeordnete Rolle. Ein Bürgermeister muss das gesamte gesellschaftliche Spektrum, das sich innerhalb rechtlicher und der Grenzen der freiheitlichen Ordnung erstreckt, ansprechen können.“
Scholz hatte sich und Hamburg auch in seiner Rede positioniert. Es gelte „die Gleichheit nicht nur vor dem Gesetz, sondern in der realen Lebenswirklichkeit, wie auch immer Frauen und Männer religiös, ethnisch, von ihrer regionalen wie sozialen Herkunft vorgeprägt sind, welche Vorstellungen von Familie und Erziehung oder welche sexuelle Präferenz sie im Rahmen bestehender Gesetze haben“.
Der NDR selber sagte auf Anfrage: „Der Bericht auf NDR.de ergänzt den auf derselben Seite verlinkten Beitrag des ‚Hamburg Journals‘ vom Donnerstag. Beide Berichte schildern Beobachtungen der Autoren bei dem Kongress Christlicher Führungskräfte und bei der zugehörigen Ausstellung. Diese Beobachtungen werden in Bild und Text mit Beispielen belegt.“
In seiner Rede am Freitag hat Bundesinnenminister de Maizière die mit den Kirchen erreichte Verständigung in der umstrittenen Frage des Kirchenasyls begrüßt. Mit dem Kirchenasyl gewähren Kirchengemeinden in Deutschland etwa 400 abgelehnten Asylbewerbern und Flüchtlingen Schutz vor staatlicher Abschiebung. De Maizière sagte, einerseits halte er als Verfassungsminister das Kirchenasyl rechtlich für falsch. Niemand, auch nicht die Kirchen, könnten das Recht beanspruchen, staatliche Gesetze außer Kraft zu setzen, betonte er. Andererseits schätze er als Christ Erbarmen und Nächstenliebe hoch ein. Mit den Kirchen sei er jetzt übereingekommen, dass Kirchenasyl nur als „Ultima Ratio“ anzuwenden sei.
Zur Zukunft des Christentums in Europa erklärte de Maizière, dieses sei nicht in erster Linie von außen bedroht. Für viel entscheidender als etwa die Diskussion um eine Islamisierung halte er die weit fortgeschrittene Säkularisierung und eine mangelnde Leidenschaft der Christen für ihren Glauben. De Maizière verwies auf den starken Rückgang des Anteils der Kirchenmitglieder in der deutschen Bevölkerung: Sie sei von 95 Prozent im Jahr 1950 auf 59 Prozent gesunken. Die Zahl der Protestanten habe sich in 65 Jahren beinahe halbiert. Auch das Engagement für den Glauben habe nachgelassen: „Was hat unser christlicher Glaube der Begeisterung anderer Kulturen und Religionen wie dem Islam entgegenzusetzen?“ Christen sollten in einer religiös und weltanschaulich vielfältigen Gesellschaft „Profil zeigen, verantwortungsvoll leben und Brücken bauen“.