Klimaexperte Sven Teske und Nabu-Vorsitzender Alexander Porschke über Umwelt und Nachhaltigkeit anlässlich möglicher Spiele in Hamburg.
Hamburg. Umwelt und Nachhaltigkeit stehen bei Hamburgs Olympia-Planern hoch im Kurs, sie versprechen nicht weniger als „eine Ära von nachhaltigen Olympischen Spielen starten“ zu wollen. Vielleicht ist das etwas hochgegriffen, denn kommt alles wie gewünscht, dann wären es bereits die dritten „Grünen Spiele“ in der Olympia-Geschichte, nach den Sommerspielen in Sydney 2000 und London 2012. Hamburg will vor allem mit der Idee des Flächenrecyclings (das Olympiagelände soll im heutigem Hafengebiet und nicht auf der grünen Wiese entstehen), mit erneuerbaren Energien, gut ausgebautem Öffentlichen Nahverkehr, nachhaltigen Baumaterialien und nicht zuletzt vorbildlichem Abfallmanagement punkten.
Sydney 2000 gilt als Mutter der grünen Spiele. Die Australier machten den Umweltschutz zum zentralen Thema. Sie folgten damit der im Jahr 1996 gemachten Ergänzung der Olympischen Charta, bei der die Umwelt als dritte Dimension der Olympischen Spiele aufgenommen wurde, zusätzlich zum Sport und zur Kultur. Damals begleitete Greenpeace die Vorbereitung und Durchführung der Spiele – die Umweltschützer hatten zuvor bei der Ausschreibung inkognito ein grünes Konzept eingereicht, das zu den Siegern gehörte.
„Wir hatten damals Leitlinien entwickelt, die auch heute noch im Großen und Ganzen passen“, sagt Sven Teske. Der Klima- und Energieexperte bei Greenpeace hatte von 1996 bis 2000 regelmäßig in der Olympia-Gruppe mitgearbeitet und die Spiele miterlebt. „Technische und logistische Anforderungen sind heute leichter machbar. Zum Beispiel der 100-prozentige Einsatz von erneuerbaren Energien. Das war in Sydney kaum zu schaffen. Heute ist es kein Problem mehr, zum Beispiel ist der Solarstrom inzwischen 80 Prozent preiswerter zu erzeugen.“
Eines der wichtigsten Themen sei die Nachnutzung, so Teske: „Was wird an Infrastruktur gebaut? Sind es Projekte, die die Stadt schon immer mal realisieren wollte, oder entstehen zusätzliche Bauten nur für die Großveranstaltung, die nach den Spielen kaum genutzt werden? In Sydney ist das abgelegene Homebush Stadion heute deutlich überdimensioniert.“ Das Olympiastadion wurde nach den Spielen von 110.000 Sitzplätze auf 83.500 Sitzplätze verkleinert.
Rückbaubare Stadien hat auch London vorzuweisen: „Das Olympiastadion wurde aus besonders leichten und hauptsächlich wiederverwendbaren Materialien errichtet“, schreibt die Umweltstiftung WWF, die die Londoner Spiele ökologisch begleitete. Derzeit laufen Umbauarbeiten, bei denen unter anderem die Zuschauerkapazität von 80.000 auf knapp 55.000 Plätze gesenkt wird. „Das Dachtragwerk besteht zu zwei Dritteln aus wiederverwendeten Rohrprofilen“, lobte der WWF im Jahr 2012 die Veranstalter. Nach den Spielen übten die Umweltschützer aber auch Kritik, etwa weil zu wenig erneuerbare Energien eingesetzt wurden und das Abfallvermeidungskonzept nach den Spielen aufgegeben wurde.
In Hamburg ist ein Olympiastadion mit rund 70.000 Plätzen anvisiert. Nach den Spielen 2024 könnte es, verkleinert auf 20.000 Plätze, „eine Lücke in der heutigen Hamburger Sportstättenlandschaft“ schließen, heißt es im Webportal hamburg.de/spiele-fuer-hamburg. Die Olympiahalle und die Schwimmhalle mit jeweils 15.000 Plätzen würden nach den Spielen ebenfalls schrumpfen. Die Schwimmhalle könnte zum Erlebnisbad und Wellnessbereich werden, die Olympiahalle zu einem weiteren Kreuzfahrtterminal.
Der Standort Kleiner Grasbrook, auf dem heute Hafenbetriebe residieren, könnte zum ökologischen Pluspunkt werden, sagt Alexander Porschke, Vorsitzender des Hamburger Naturschutzbundes (Nabu). Das gelte aber nur, wenn auch bei der Umsiedlung der Hafengebiete keine zusätzlichen Flächen in Anspruch genommen werden: „Würden die Betriebe dagegen auf Grün- und Naturflächen angesiedelt, käme dies einer indirekten Hafenerweiterung gleich“, sagte Porschke und folgert daraus: „Unter solchen Umständen würden wir weder die Hamburger Bewerbung noch die Volksabstimmung unterstützen.“
Ein Umweltvorteil ist sicherlich die zentrale Lage der geplanten Olympiastadt als „Stadt in der Stadt“. Die Sportstätten sind zu Fuß erreichbar, selbst Rathaus und Einkaufsmeilen sind auf einem längeren Spaziergang zu besuchen. Es bestehe das Potenzial, „sehr viel weniger auf Technik (noch mehr Busse) zu setzen, sondern viel mehr auf kurze Wege, die zu Fuß oder mit dem Rad bewältigt werden können“, sagt Sven Teske, und beim Öffentlichen Personennahverkehr sei Hamburg „schon heute zigmal besser als Sydney“. Zum befürchteten Verkehrschaos war es dort anno 2000 dennoch nicht gekommen: „Die Straßen waren leer. Wer nicht zu den Olympischen Spielen wollte, war ausgeflogen.“
Zu den Umweltbereichen Energie und nachhaltiges Bauen, zum Lärmschutz und Entsorgungskonzept, gebe es in Hamburg „viele blumige Worte“, urteilt Teske, „deren Umsetzung muss verbindlich festgeschrieben werden.“ So sieht es auch Alexander Porschke. Er stört sich daran, dass derzeit Skybeamer rotierende Lichtkegel in den Hamburger Himmel zeichnen, um damit für die Spiele zu werben – es sei bekannt, dass Skybeamer den Vogelzug stören.
Mit Blick auf den Naturschutz habe es für die Lichtspiele nur „halbherzige Auflagen gegeben“, so der Nabu-Chef. „Wenn der Senat bei so einer Lappalie schon Umweltbelange übergeht, wie sollen wir dann bei einem ernsthaften Zielkonflikt zwischen Umwelt und Olympia auf eine ökologisch rücksichtsvolle Haltung hoffen können?“, fragt Porschke.