Hamburger Olympiastarter erinnern sich Inge Bödding, 67, gewann 1972 in München mit der 4x400-Meter-Staffel Bronze
So lange ich denken kann, bin ich immer viel gelaufen, mit 16 Jahren ging ich zur Leichtathletikabteilung des Niendorfer TSV. Die damaligen Trainingsbedingungen kann man mit denen von heute nicht vergleichen: Wir trainierten überwiegend im Niendorfer Gehege, im Winter sogar im Flughafentunnel. Nach meiner Spezialisierung auf die 400 Meter stellten sich die Erfolge schnell ein. Bereits 1969 gewann ich mit der 4x400-Meter-Staffel bei den Europameisterschaften in Athen die Bronzemedaille, bei der EM zwei Jahre später in Helsinki jeweils Silber im Einzelrennen und in der Staffel.
Auf die Olympischen Spiele 1972 in München bereiteten wir uns im Höhentrainingslager in der Schweizer Sportschule Magglingen vor, die rund 900 Meter über dem Wasserspiegel liegt. Bevor es dann nach München ging, wurden in Zürich noch einmal unsere Leistungen im 200-Meter-Sprint überprüft. Ich lief in 23,9 Sekunden persönliche Bestzeit – und war froh, dass ich meine vorherigen muskulären Probleme überwunden hatte.
Bei den Spielen in München war ich also dabei, auf die Eröffnungsfeier musste ich leider dennoch verzichten. Unsere Trainerin Antje Gleichfeld hielt die drei Stunden, die wir Sportler im Tunnel auf den Einlauf in das Olympiastadion hätten warten müssen, für leistungsschädigend. Im Olympischen Dorf war die Atmosphäre dann sehr locker. Schon zum Frühstück trafen wir uns mit Sportlern aus anderen Nationen und setzten uns gern mit ihnen an einen Tisch. Diese fröhliche Stimmung wurde dann jedoch durch das Attentat jäh unterbrochen. Wir selber hatten vom Terroranschlag zunächst nichts mitbekommen. Als wir realisierten, was passierte, waren wir alle sehr geschockt. Am darauf folgenden Tag wurden alle Wettkämpfe abgesagt. Dann aber beschloss das Olympische Komitee: „The Games must go on!“ – die Spiele müssen weitergehen! Es war die richtige Entscheidung, die Terroristen durften mit ihren Absichten nicht gewinnen. Vier Tage später begann für unsere Staffel der Wettkampf, im Vorlauf erreichten wir sicher das Finale. Die DDR-Mädchen waren wohl zu stark, um vorher Zweifel über den Sieger aufkommen zu lassen. Dennoch rechneten wir uns mit etwas Glück Medaillenchancen aus. Im voll besetzten Olympiastadion zu laufen war ein einzigartiges Erlebnis. Ich hatte als zweite Läuferin den Stab von Anette Rückes übernommen. Eine Welle der Begeisterung trug mich über die ganze Runde. Nach 300 Metern überholte ich zwei Konkurrentinnen, die Anfeuerungsrufe der Zuschauer werde ich nie vergessen. Am Ende gewannen wir hinter der DDR und den USA Bronze.
Nach sieben Jahren Leistungssport habe ich meine Karriere ausklingen lassen. Noch heute bin ich im Niendorfer TSV aktiv, spiele Tennis und mache Gesundheitssport. Olympische Spiele in Hamburg wären fantastisch. Diese Wettkämpfe lösen eine Euphorie aus, die mit nichts zu vergleichen ist. Auch ich würde diese Stimmung gerne noch einmal erleben – am liebsten hier bei uns in Hamburg.