Zur Skyline der Hafencity kommt ein Wohnturm von Hadi Teherani am Strandkai hinzu. Der Architekt prägt seit Jahren mit seinen Bauten die Stadt.

Künftige Bewohner des geplanten Wohnturmes am Strandkai können ihre Balkongeländer leicht mit der Reling eines Ozeanriesen verwechseln. Der Hamburger Stararchitekt Hadi Teherani entwarf ein 55 Meter hohes Gebäude, dessen Balkone an gestapelte Schiffsdecks erinnern. Sie laufen großzügig um den gesamten Bau herum, springen optisch vor und zurück und lassen den Eindruck einer bewegten Meeresoberfläche aufkommen. Freiheit und Weite, die sich in einem Bauwerk spiegeln: So soll Wohnen am Wasser aussehen. „Man darf sich keine Grenzen setzen“, sagt Teherani, der in Hamburgs Architekturszene seit einem Vierteljahrhundert Risikobereitschaft und Erneuerungswillen beweist. „Wenn Sie immer auf Nummer sicher gehen, kommen Sie natürlich nicht an die Spitze.“

An die Spitze ist Teherani mit seinem originellen Wohnhaus jetzt einmal mehr und ganz konkret gekommen. Denn die Hadi Teherani Gesellschaft gewann gemeinsam mit vier anderen Architekturbüros den Wettbewerb zur Bebauung des westlichen Strandkais. Die spitze Halbinsel, auf der 2016 die Bauarbeiten für ein neues Wohnquartier beginnen, ist einer der prominentesten Orte der HafenCity. In dieser Toplage, gleich hinter der Elbphilharmonie und in direkter Nachbarschaft zum Marco Polo Tower, sind 500 Wohnungen geplant, darunter Genossenschafts- sowie 180 Eigentumswohnungen in zwei Türmen.

„Der Bewohner überschaut den Fluss und die Stadt, man hat einen fantastischen Weitblick“, sagt Teherani zu seinem Entwurf des südöstlichen Turms. „Der Blick auf vorbeifahrende Schiffe und in die Weite gleicht einem Kulissenspiel. Wenn man sich eine Stunde hinsetzt und einfach geradeaus schaut, fangen die Ebenen an, sich zu verschieben. Am Strandkai haben die Bewohner die Möglichkeit, dieses Theaterstück rund um die Uhr zu genießen.“

Teherani-Bauten wie an der Reeperbahn prägen die Stadt


An vielen prägnanten Orten in Hamburg stehen seine Bauten: Architekt Hadi Teherani
An vielen prägnanten Orten in Hamburg stehen seine Bauten: Architekt Hadi Teherani © Bertold Fabricius | Bertold Fabricius

Die Verbindung von Innen und Außen, vom emotionalen Menschen und atmosphärischem Bauwerk ist wichtig für den 1954 in Teheran geborenen Kaufmannssohn, der als Sechsjähriger mit seiner Familie nach Hamburg kam. Seine Gebäude korrespondieren aber auch mit der Stadtlandschaft und prägen sie zunehmend: „Jedes Grundstück hat seine spezifischen Eigenarten, und wenn man darauf eingeht, gibt es bestimmte Antworten. Und die Antworten liegen natürlich in der Umgebung und im Grundstück.“

An vielen prägnanten Orten in Hamburg stehen Teherani-Bauten, die auf ihr Umfeld reagieren – wie etwa die Tanzenden Türme am Eingang zur Reeperbahn, wie das Dockland, ein schiffsförmiges Kontorhaus am Edgar-Engelhard-Kai, wie der zehngeschossige Bürobau Deichtor-Center an der Oberbaumbrücke, wie der Berliner Bogen am Anckelmannsplatz.

Dass der Architekt immer wieder Preise und Wettbewerbe gewinnt, liegt an der Offenheit und Transparenz, die seine Gebäude aus Glas und Stahl ausstrahlen. Sie passen zu dem Selbstbild der Hansestadt als Tor zur Welt. Zu der Idealvorstellung einer Gesellschaft, die Weitblick beweist, indem sie gleichzeitig einen Sinn für Ökologie und Nachhaltigkeit sowie für den wirtschaftlichen Fortschritt entwickelt. Sie passen in eine Stadt, die zum Schauplatz der Olympischen Spiele werden und sich aller Welt dadurch noch stärker öffnen will. Das neue, repräsentative und für einfahrende Schiffe zugleich mit der Elbphilharmonie ins Auge fallende Wohnviertel auf dem Strandkai liegt dem Kleinen Grasbrook gegenüber, wo das Olympische Zentrum entstehen soll.

Synthese von Architektur, Inneneinrichtung und Produktdesign

Teheranis Bauwerke bilden den Geist der Zeit ab – wie vor hundert Jahren die neuzeitlichen Backsteinbauten des Hamburger Oberbaudirektors und innovativen Architekten Fritz Schumacher. Auch diese reagierten damals vorausschauend auf Hamburgs neues Selbstverständnis als Stadt mit wachsender Wirtschaftskraft. Schumacher, nach dessen Entwürfen etliche öffentliche Gebäude entstanden, bezog bereits in der Entwurfsphase Bildhauer und Maler in die Ausgestaltung ein.

Der Erfolg Hadi Teheranis liegt in einem ähnlich ganzheitlichen Ansatz begründet. Das bewährte Prinzip, dass die Form der Funktion folgen soll, wird bei ihm groß geschrieben – bis ins Detail. Als passionierter Designer glaubt er an die Synthese von Architektur, Inneneinrichtung und Produktdesign. Teherani, der Mitglied der Freien Akademie der Künste ist, hat Stil, er will umfassend, nicht nur in Teilbereichen gestalten. Dabei denkt er an die Menschen, die in seinen Bürogebäuden arbeiten und kreativ sein sollen. „Mein ganzheitlicher Anspruch hat mich immer wieder damit konfrontiert, gestalterische Grenzen zu überschreiten“, erklärt Teherani, der auch international erfolgreich ist und sein Credo von Hamburg aus in die Welt trägt. Er baute in Moskau und Minsk, entwickelt im indischen Bangalore Großprojekte für den Wohnungsbau, entwarf in Abu Dhabi die riesige Zayed Universität mit passendem Interieur.

Begonnen hat die steile Karriere des Architekten in Wandsbek. 1991 entstand dort das exklusive Autohaus Car & Driver, ein Showroom für Luxuswagen. Riesige, geneigte Glasfronten geben den Blick in den Innenraum frei. Das Autohaus war das erste größere Projekt des jungen Architekturbüros Jens Bothe, Kai Richter und Hadi Teherani (BRT).

Nach seinem Studium an der Technischen Universität Braunschweig, das er 1984 mit dem Ingenieursdiplom abgeschlossen hatte, war Teherani nach Hamburg zurückgekehrt um dort mit zwei ehemaligen Kommilitonen das Büro BRT zu gründen. Am Zeichenbrett des Trios erwuchsen neuartige Bauten jenseits der Klinkerarchitektur. BRT heimste nicht nur diverse Preise ein, sondern löste gerade mit einigen der später hochdekorierten Entwürfe zunächst Kontroversen aus; heftig diskutiert wurden in der Stadt etwa die Tanzenden Türme und die Europa Passage.

Gelungenes Ensemble aus Wohnblöcken und Türmen

2012 endete die gemeinsame Zeit. Teherani übernahm die Anteile von Bothe und Richter und stellte das Büro neu auf. Dem Einschnitt waren wirtschaftliche Schwierigkeiten vorausgegangen, ein Großprojekt in Moskau war ins Stocken geraten, das hätte mit der Trennung jedoch nichts zu tun gehabt, sagte Teherani damals. Über die BRT-Jahre äußerte er sich positiv: „Natürlich war es gut, wie in einer Ehe, da hat man viel zusammen geschaffen. Doch jetzt ist es ein ganz tolles Gefühl, dass ich nun allein entscheiden und gradliniger sein kann.“ Die neue Marke heißt Hadi Teherani Group, dazu gehören das Architekturbüro sowie die Sektionen Interior Design und Produkt Design. Die Teherani Consulting ferner setzt Bauprojekte als Dienstleister komplett um.

Als Designer und Inneneinrichter arbeitete Teherani mit Firmen wie Poggenpohl und Vorwerk zusammen, entwarf Manschettenknöpfe für Montblanc. Er entwickelte ein Elektrofahrrad, einen Rollator und baute sein kleinstes Haus als Brutstätte für Gartenvögel, wobei das Nisthaus der Nestform des afrikanischen Webervogels nachempfunden ist.

Dynamische Formen, expressive Elemente und minimalistische Gestaltung – diese drei Merkmale machen die Handschrift von Teherani aus, im Kleinen wie im Großen. Seine Projekte sind stimmig, fügen sich trotz ihrer Originalität in ihr Umfeld ein. Weil es ihm gerade um eine geschlossene Gesamtheit geht, war der Gestalter zunächst von der Hafencity wenig angetan. Einen inzwischen berühmt gewordenen Ausspruch tat Teherani 2008 in einem „Spiegel“-Interview.

Die Häuser am Dalmannkai seien eng gestellte, architektonische Einzelmeinungen, ein unhamburgisches Sammelsurium: „In der Hafencity haben wir statt großem Wurf einen großen Würfelhusten am Wasser.“ Bei der Bebauung der Strandkai-Halbinsel wurde dieses spezielle Problem vermieden. Die fünf Siegerentwürfe sind aufeinander abgestimmt, zwei Wohnblöcke bilden mit den beiden Türmen ein gelungenes Ensemble. Alle 33 Entwürfe des Wettbewerbs sind bis zum 12. März in der On-Off-Gallery in der Osakaallee 16 zu sehen.