Eine Historie von Sven Kummereincke
Nun, ernstlich behaupten, dass Dietrich Wersich der heimliche Gewinner des Wahlabends ist, will ich natürlich nicht. Aber dass die scheinbaren Verlierer des Wahlsonntags ein paar Tage später plötzlich mit Siegerlächeln durch die Stadt laufen, das kam in Hamburg durchaus vor.
Was würde man zum Beispiel von einem Politiker halten, der als Spitzenkandidat für seine Partei das schlechteste Wahlergebnis aller Zeiten erreichte? Nun, man könnte ihn natürlich geteert und gefedert aus der Stadt jagen. Oder zum größten Glücksfall in der Parteihistorie erklären. Und so geschah es dann auch. Die Partei heißt CDU, der Politiker Ole von Beust. Er war bei der Wahl 2001 zu Recht frustriert wegen der desaströsen 26,2 Prozent, die die CDU bekam. Dank Schill und der FDP wurde er trotzdem der erste christdemokratische Bürgermeister seit 44 Jahren – und führte die CDU bei der nächsten Wahl zur absoluten Mehrheit. Der große Wahlverlierer 2001 war Ortwin Runde – obwohl seine SPD sogar leicht dazugewinnen konnte.
Ein wahrer Experte darin, krachende Niederlagen in strahlende Siege zu verwandeln, war Klaus von Dohnanyi. Gleich sein erster Anlauf im Juni 1982 ging gehörig daneben – die SPD verlor fast neun Punkte und stürzte auf 42,7 Prozent ab, die CDU lag knapp davor. Weil sich keine tragfähige Mehrheit im Parlament fand, wurde im Dezember 1982 schon wieder gewählt – und Dohnanyi holte mit 51,5 Prozent die absolute Mehrheit. Vier Jahre später wiederholte sich das Ganze. Nach schlappen 41,7 Prozent kam Dohnanyi bei der Neuwahl immerhin auf 45 und konnte dank der FDP Bürgermeister bleiben.
In die andere Richtung lief es für seinen Nachfolger Henning Voscherau. Bei seiner ersten Wahl 1991 triumphierte er mit 48 Prozent und konnte ohne lästigen Koalitionspartner regieren. Die CDU machte ihm dann, wenn auch unfreiwillig, einen Strich durch die Rechnung. Weil das Verfassungsgericht die Kandidatenaufstellung der Partei für undemokratisch erklärte, musste schon wieder neu gewählt werden. Die SPD verlor kräftig, Voscherau musste mit der Statt-Partei regieren.
Und dann gab es da noch das einzige Comeback: Max Brauer, schwer beleidigt ob des undankbaren Volkes, zog sich 1953 nach seiner Wahlniederlage zurück und weigerte sich, Oppositionsführer zu werden – um vier Jahre später das Amt triumphal zurückzuerobern.
Vielleicht sind diese Beispiele ja ein Trost für alle, die es am Wochenende besonders schwer getroffen hat: die CDU wählenden HSV-Fans.