Für den Tod des Hamburger Austauschschülers Diren Dede muss US-Bürger Markus Kaarma für 70 Jahre ins Gefängnis. Erst nach 20 Jahren kann er Antrag auf Bewährung stellen. Für seine Tat entschuldigt er sich diffus.
Hamburg/Missoula. Der Todesschütze des Hamburger Austauschschülers Diren Dede muss 70 Jahre ins Gefängnis. Das erklärte Richter Ed McLean bei der Verkündung des Strafmaßes für den wegen vorsätzlicher Tötung verurteilten Markus Kaarma am Donnerstag in Missoula im US-Staat Montana.
„Sie sind wütend auf die Welt, und das ist offensichtlich an ihrem Verhalten, an der Sprache, die Sie verwenden“, sagte McLean. „Wir müssen eine Gesellschaft schaffen, in der Menschen wie Sie nicht überreagieren.“ Der heute 30-Jährige stelle eine zu große Bedrohung dar.
Kaarma, der in seiner orangefarbenen Häftlingsuniform zwischen seinen Verteidigern stand, entschuldigte sich in einer kurzen Stellungnahme für seine Tat. „Ich habe getan, was ich für nötig hielt, um meine Familie und mich selbst zu schützen“, sagte er, ehe er mit Fußfesseln von Sicherheitsbeamten abgeführt wurde.
Seine Partnerin und seine Mutter hatten den Richter zuvor mit emotionalen Bemerkungen um Milde gebeten. „Markus mag Fehler gemacht haben, aber er ist kein gewalttätiger Mensch“, sagte seine Lebensgefährtin. Er sei ein Mann weniger Worte, der aber ein großes Herz habe und sich um seine Familie sorge. „Wir sind gute Leute, gute Eltern“, sagte sie. „Wenn ich die Zeit zurückdrehen könnte, hätte ich dieses Haus niemals gekauft und würde niemals in dieser Nachbarschaft leben.“ Die Mutter von K. bat den Richter, dem 19 Monate alten Sohn der beiden nicht seinen Vater wegzunehmen.
Eine Freilassung auf Bewährung komme für Kaarma frühestens nach 20 Jahren in Frage, entschied der Bezirksrichter. Kaarma, der den Teenager nachts in seiner Garage erschossen hatte, war im Dezember der vorsätzlichen Tötung schuldig gesprochen worden.
Direns Familie reagiert emotional
Direns Vater reagierte mit gemischten Gefühlen auf das Urteil. „Ich bin nicht glücklich“, sagte Celal Dede, der das abschließende Urteil mit seinem Rechtsvertreter Bernhard Docke vor Ort verfolgte. „Er lebt. Er geht ins Gefängnis, aber er lebt. Mein Sohn ist tot.“ Natürlich sei Celal D. froh, dass das Gerichtsverfahren jetzt überstanden sei. „Wir müssen nach Hause gehen und weitermachen“, sagte er. „Das Leben in der Zukunft ist entzwei.“
In Hamburg reagierte Direns Familie mit Erleichterung. „Meine Mama hat geweint“, sagte Direns Schwester Basak. Die Familie sei von dem Strafmaß von 70 Jahren überrascht. „Damit haben wir nicht gerechnet.“
„Ich hoffe, dass meine Familie jetzt zur Ruhe kommt“, sagte die 23 Jahre alte Basak. „Für meine Mama ist wichtig, dass der Täter im Gefängnis sitzt. Denn er ist am Leben und wir müssen mit dem Schmerz weiterleben.“
Ihr selbst sei das Strafmaß gar nicht so wichtig, sagte Direns Schwester. „Ob 10, 20 oder 70 Jahre, das bringt mir meinen Bruder nicht zurück.“ Beunruhigend sei, dass die Verteidiger des Täters auch weiterhin alles versuchen wollten, um ihren Mandanten freizubekommen, bedauerte sie.
Der Hamburger Anwalt von Direns Familie, Andreas Thiel, sagte, er rechne fest damit, dass die Verteidiger das Urteil anfechten würden. Das würde eine Revision am Supreme Court von Montana bedeuten. „Und bis das oberste Gericht eine Entscheidung fällt, können leicht ein bis eineinhalb Jahre vergehen.“
Auch die Gasteltern des erschossenen Teenagers äußerten sich in emotionalen Bemerkungen vor Gericht. „Der Mord an Diren hat (unsere Leben) in einen Wirbelsturm aus Schock, Leid und Trauer verwandelt“, sagte Direns Gastvater. „Es hat all die Freude aus unserer Familie gesaugt. Jeder Tag zermürbt uns. Wir tun einfach, was wir tun müssen, um durch den Tag zu kommen.“
Kaarmas Anwälte prallen ab
Die Verkündung des Strafmaßes hatte sich zuvor verzögert, nachdem Kaarmas Verteidigung ein neues Verfahren beantragt hatte. Richter Ed McLean lehnte jedoch ab.
Die Anwälte machten geltend, die Berichterstattung habe die Geschworenen beeinflusst und forderten eine Verlegung des Prozesses in eine andere Stadt.
Der heute 30 Jahre alte Täter hatte Diren im April 2014 erschossen. Die Geschworenen in dem Prozess meinten, er habe den Jugendlichen in eine Falle gelockt und kaltblütig hingerichtet. Die Verteidigung hatte dagegen auf Notwehr plädiert.
Kaarma hatte mit einer Haftdauer von mindestens zehn Jahren rechnen müssen. Auf vorsätzliche Tötung stehen in Montana sogar bis zu 100 Jahre Haft.
Bewährung für Garagen-Einbrecher
Mit ihrem Urteil waren die Geschworenen im Dezember der Auffassung gefolgt, dass der Täter regelrecht darauf lauerte, einen jugendlichen Eindringling zu stellen und zu töten.
Der 17-jährige Diren hatte nach Angaben eines Freundes vermutlich auf der Suche nach Alkohol die halb offenstehende Garage betreten. Mit den früheren Einbrüchen bei Kaarma hatte er aber nichts zu tun. Für diese wurde ein anderer Jugendlicher am Mittwoch zu einer Bewährungsstrafe verurteilt.