Der Vater des getöteten Austauschschülers Diren, Celal Dede, reist erneut in die Vereinigten Staaten, um am Donnerstag dabei zu sein. Der Täter könnte 40 bis 50 Jahre hinter Gitter kommen.

Hamburg. Es fällt ihm schwer, aber er tut es für seinen Sohn. Zum zweiten Mal ist Celal Dede, der Vater des in den USA ermordeten Austauschschülers Diren, nach Missoula gereist. Nachdem er dort mit seiner Frau Gülcin im November den Prozess gegen den Todesschützen Markus Kaarma verfolgt hat, will er nun dabei sein, wenn am Donnerstag das Strafmaß für den Mörder seines Sohnes verkündet wird.

Während Gülcin Dede es nicht ertragen hätte, Kaarma noch einmal zu sehen, will ihr Mann einer erneuten Begegnung nicht aus dem Weg gehen. „Es ist nicht einfach für ihn, alleine rüber zu reisen, aber er möchte am Donnerstag unbedingt dabei sein“, sagt Direns Schwester Basak dem Abendblatt. So wolle er mit dem Staatsanwalt darüber sprechen, warum Kaarmas Lebensgefährtin Janelle Pflager nicht mit verurteilt wird. Sie soll Kaarma angestachelt haben, in die Garage des gemeinsamen Einfamilienhauses zu stürmen, nachdem eine Überwachungskamera gezeigt hatte, dass der 17-jährige Hamburger dort eingedrungen war. Es war eine Mutprobe. Kaarma schoss vier Mal, Diren starb wenig später im Krankenhaus. Es sei ihm auch wichtig, den Menschen noch einmal zu begegnen, die ihm und ihrer Mutter während der Zeit der Verhandlungen so große Anteilnahme erwiesen hatten, sagt Basak. „Er möchte ihnen noch einmal danken.“ Begleitet wird ihr Vater vom Bremer Strafverteidiger Bernhard Docke. Mit seinem Hamburger Kollegen Andreas Thiel hatte er die Dedes schon im November nach Amerika begleitet, um ihnen dort juristisch zur Seite zu stehen.

Ein Teil der Strafe könnte Direns Mörder erlassen werden

Um das Strafmaß festlegen zu können, hat sich die Staatsanwaltschaft seit dem Schuldspruch mit den persönlichen Verhältnissen von Kaarma beschäftigt – mit seinen Vorstrafen und den psychischen Problemen in seiner Jugend. Außerdem hat sie Nachbarn und Arbeitskollegen befragt, um sich ein Bild von dem Schützen machen zu können. „All das wird am Donnerstag erörtert“, sagt Rechtsanwalt Thiel.

Er rechnet mit einem Strafmaß von 40 bis 50 Jahren. „Ein Teil der Strafe könnte Kaarma erlassen werden, so dass er 20 bis 25 Jahre kriegt“, sagt er. „Das entspräche ungefähr der Vollstreckungszeit bei einem ,Lebenslänglich' in Deutschland.“ Um für ihren Mandanten eine mildere Strafe zu erreichen, hat Kaarmas Verteidigung erneut eine Veränderung des Gerichtsorts und eine neue Beweisaufnahme gefordert. Für die entsprechende Erörterung habe Richter Ed McLean am Donnerstag lediglich eine halbe Stunde angesetzt, weiß Anwalt Thiel. Ein Zeichen dafür, dass er sich mit der Forderung der Verteidigung nicht lange beschäftigen wolle.

Basak und ihrer Familie ist es egal, ob Kaarma zu 20 oder 50 Jahren verurteilt wird. „Für uns ist es wichtig, dass Direns Mörder schuldig gesprochen wurde“, sagt Basak. Doch es habe auch gut getan, dass ihr Bruder öffentlich von dem Vorwurf, ein Einbrecher und betrunken gewesen zu sein, freigesprochen wurde. Das Urteil sei zwar eine Erleichterung gewesen, könne aber die Trauer nicht mildern. Die ist immer noch groß. „Damit wir uns nicht gegenseitig runterziehen, trauert jeder für sich allein“, sagt Basak. „Und wenn wir doch mitkriegen, dass einer von uns weint, versuchen wir ihn wieder aufzubauen.“

Noch fällt der Familie die Rückkehr in den Alltag sehr schwer

Während Celal Dede wieder angefangen hat, als Taxifahrer zu arbeiten, hat seine Frau Gülcin ihren Job im Café Stenzel im Schanzenviertel noch nicht wieder aufgenommen. Auch die 23-jährige Basak, Erzieherin in einer Kita, kann ihren Beruf noch nicht wieder ausüben. Esra allerdings, die 19-jährige Schwester, führt ihr Lehramtsstudium fort. „Das tut sie für Diren“, sagt Basak. „Auch er wollte gern studieren – und sie findet, einer von uns Kindern sollte auf jeden Fall zur Uni gehen.“