43-jähriger Baher Ibrahim unterrichtet 60 junge Männer in Barmbeker Moschee. Einige seiner Schüler sollen bereits nach Syrien und Irak gereist sein. Der Prediger wehrt sich gegen die Vorwürfe.

Hamburg. Er soll enge Kontakte zur Taqwa-Moschee in Harburg halten, die als wichtiger Anlaufpunkt für radikale Muslime gilt, sowie auch zu den Organisatoren der Koranverteilungsstände. Aus seinem Umfeld sollen bereits zahlreiche junge Männer in die von der Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS) umkämpften Kriegsgebiete gezogen sein.

Der Verfassungsschutz warnt vor dem salafistischen Prediger Baher Ibrahim, der in der As-Sahaba-Moschee in Barmbek-Nord regelmäßig Koran-Unterricht für Jugendliche und junge Erwachsene gibt. Der 43 Jahre alte Ägypter, der sich selbst Abu Abdullah nennt, versuche, „die Sprache junger Menschen zu sprechen, um die Generation seiner Teilnehmer zu erreichen und für die verfassungsfeindliche Ideologie der Salafisten zu interessieren“, sagte Marco Haase, Sprecher des Landesamtes für den Verfassungsschutz dem Abendblatt.

Brisant ist, dass Ibrahim in seinen Bemühungen möglicherweise bereits Erfolg hatte. Haase: „Einige Teilnehmer früherer Unterrichte Ibrahims an anderen Orten in Hamburg gehören nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes zu jenen bisher rund 50 Hamburgern, die Deutschland mit dem Ziel Syrien oder Irak verlassen haben.“

Ein Hamburger soll bereits getötet haben

Wie das Abendblatt erfuhr, rechnen die Sicherheitsbehörden mindestens zehn der 50 Ausgereisten dem Dunstkreis Ibrahims zu. Mindestens ein Hamburger aus dieser Gruppe soll bereits getötet worden sein.

Ibrahim, der in Wilhelmsburg wohnt und mit einer Deutschen verheiratet sein soll, gilt bereits seit mehr als 15 Jahren als Teil der islamistischen Szene in Hamburg. Im vergangenen Jahr soll er einige Wochen als Gast-Imam in der Harburger Taqwa-Moschee gepredigt haben. In der Moschee, die bereits vom Verfassungsschutz beobachtet wird, sollen zahlreiche Muslime radikalisiert worden sein.

Der 43-Jährige soll auch in einer illegalen Moschee in der Straße Am Alten Schlachthof in Wilhelmsburg unterrichtet haben, die 2013 geschlossen wurde. Dort hatten viele Islamisten Zuflucht gesucht, die zuvor in der 2010 verbotenen Taiba-Moschee am Steindamm gebetet hatten. In der Moschee in St. Georg, die früher den Namen al-Quds trug, hatten sich die Attentäter des 11. September getroffen.

Teilnehmerzahl wächst ständig

In den vergangenen Wochen soll Ibrahim sein Wirken auf die As-Sahaba-Moschee an der Fuhlsbüttler Straße ausgeweitet haben und dort Unterricht gegeben haben, mit steigendem Erfolg, was den Verfassungsschutz auf den Plan rief. Der machte die Aktivitäten des 43-Jährigen am Freitag öffentlich. „Die Teilnehmerzahl in seinen Schulungen in Barmbek-Nord wächst ständig“, sagte Haase. „So nehmen derzeit etwa 60 junge Männer am Unterricht teil.“ Darunter seien auch Angehörige des „dschihadistisch-salafistischen Spektrums“.

In seinen Seminaren, die, wie das Abendblatt erfuhr, am Donnerstagabend und am Wochenende abgehalten werden, vermeide Ibrahim zwar strafwürdige Äußerungen oder die direkte Aufforderung auszureisen. Allerdings spreche er, „verklausuliert und indirekt, wiederkehrend den Dschihad an“.

Wie im Internet nachvollziehbar ist, hat Ibrahim enge Kontakte zu Organisatoren von Koranverteilungen. So sollen Besucher seiner Seminare nicht nur an den Koranverteilungsständen der „Lies“-Kampagne etwa in der Innenstadt wiederzufinden sein, sondern auch an den Harburger Dawa-Ständen. „In seinem Auftreten im Unterricht ähnelt er ein wenig dem salafistischen Prediger Pierre Vogel, der im Sommer 2014 mit seinem Versuch gescheitert ist, in Hamburg missionarisch tätig zu werden und Dawa-Arbeit zu betreiben“, so Haase. Allerdings sei Ibrahim eher ein „Pierre Vogel für Arme“.

„Ich radikalisiere nicht“

Dass das Treiben des Predigers dem Verfassungsschutz ein Dorn im Auge ist, sollen Mitarbeiter des Landesamtes bereits im Dezember der Leitung des Betreibervereins der As-Sahaba-Moschee mitgeteilt haben. Eine Reaktion allerdings blieb aus, Ibrahim durfte seinen Unterricht fortführen.

Dieser reagierte noch am Freitag persönlich auf die Öffentlichmachung des Verfassungsschutzes und stellte sich den Fragen des Abendblatts. „Ich radikalisiere nicht. Denn der radikalisiert wird, ist jemand, der nicht lernt“, sagte der 43-Jährige nach dem Freitagsgebet vor der Moschee in Barmbek-Nord. „Ich bin ein Gelehrter, ich bin kein Prediger, ich habe die Scharia studiert. Es geht nicht, dass die Behörden nur monoton zu sich selber reden. Dass man einfach nur die Schublade aufmacht, abstempelt, radikalisiert.“

Er verstehe zwar „die Aufregung der Leute vom Verfassungsschutz. Sie sind heftig unter Druck, gerade nach dem, was in Paris passiert ist“, sagte Ibrahim. „Aber ich mag nicht immer der kleine Mann am Ende sein. Ich habe öfters mit dem Verfassungsschutz gesprochen und habe ihnen gesagt, dass ich bereit bin zu sprechen.“

Der Verfassungsschutz rechnet der salafistischen Szene in Hamburg mittlerweile 400 Personen zu. Knapp 240 davon gehören dem gewaltbefürwortenden Spektrum an.