Bei dem WLAN-Pilotprojekt dürfen und sollen die Schüler Smartphones, Tablets oder Laptops im Unterricht benutzen. Einige Eltern hatten jedoch Bedenken und lehnten die Teilnahme ihrer Kinder ab.
Hamburg. Mathematik, sagt Laura, 14, sei eigentlich nicht so ihre Sache. Jedenfalls nicht im herkömmlichen Unterricht. Anders sieht das aus, wenn sie und ihre Mitschüler an der Stadtteilschule Oldenfelde an ihren Tablet-Computern oder Smartphones Rechenaufgaben lösen sollen. „Auf einmal hat mir Mathe doch Spaß gemacht“, sagt die Siebtklässlerin. Sie sei auch schon besser geworden. Laura ist eine von mehr als 750 Schülern in 34 Klassen, die am Laptop-WLAN-Pilotprojekt der Schulbehörde teilnimmt. Am Mittwoch war offizieller Startschuss.
„Start in die nächste Generation“ heißt das zunächst auf zwei Jahre ausgelegte Projekt an sechs Schulen, das wissenschaftlich begleitet wird. Jeweils drei Stadtteilschulen (Stadtteilschule Oldenfelde, Ilse-Löwensteinschule, Schule Maretstraße) und drei Gymnasien (Gymnasium Ohmoor, Gymnasium Altona, Gymnasium Osterbek/Farbsen-Berne) haben sich unter 21 Bewerbern durchgesetzt und können nun den Unterricht im virtuellen Klassenraum testen.
Bücher, Papier und Stifte werden weiter genutzt
Voraussetzung war unter anderem neben einem Konzept auch die Zustimmung von Lehrern, Eltern und Schülern in den Schulkonferenzen. Bei dem WLAN-Projekt dürfen die Schüler ihre eigenen Smartphones, Tablets oder Laptops in einzelnen Fächern, die dann Kurse heißen, und Klassen benutzen – Bücher, Papier und Stifte werden aber keinesfalls ersetzt sondern lediglich ergänzt. Wer keine eigenen mobilen Computer besitzt, wird von der Schule unterstützt. Die teilnehmenden Schulen haben entsprechende WLAN-Netze basierend auf der bestehenden Festvernetzung. Den Schülern stehen unter anderem verschiedene Lernprogramme und Anwendungen wie Tabellenkalkulation im Fach Mathematik oder Sequencer im Musikunterricht zur Verfügung. Kosten: 892.000 Euro.
Die Aktion erfordert jedoch die Einwilligung der Eltern. Ute Hinz, Mutter eines Siebt- und eines Neuntklässlers an der Stadtteilschule Oldenfelde hatte dem Projekt sofort zugestimmt: „Kinder sollten den kompetenten Umgang mit den neuen Medien unbedingt lernen“, sagt sie. Bislang beteiligen sich 34 Klassen mit 750 Schülern und die Rückmeldungen von 1100 Eltern seien positiv – nur zwei Eltern wollten nicht, dass ihre Kinder mitmachen. Die betroffenen beiden Klassen nehmen daher nicht teil. Im Frühjahr sollen weitere 16 Klassen oder Profile mit 375 loslegen. Bis zu 1300 Schüler könnten in den kommenden zwei Jahren daran teilnehmen, das sind rund 30 Prozent der Kinder und Jugendlichen dieser Schulen.
Walter Scheuerl kritisierte das Projekt
Der parteilose Bürgerschaftsabgeordnete Walter Scheuerl, der mit seiner Volksinitiative die Primarschule verhindert hatte, kritisierte den Start des Projektes, weil Schulsenator Ties Rabe (SPD) Absprachen mit dem Datenschutzbeauftragten verletze. Dem widerspricht Senator Rabe: „Wir haben uns große Mühe gegeben, uns mit dem Datenschutz abzustimmen. Jetzt ist alles in Ordnung.“ Einige Punkte mussten nachgebessert werden, wie die Aufklärung zu den Folgen der Nichteinwilligung, zur Widerrufsmöglichkeit und zur Öffentlichkeit der Kalenderfunktion. Rabe: „Diejenigen, die dem Projekt nicht zugestimmt haben, dürfen nichts zu befürchten haben. Und die Eltern können ihre Zustimmung jederzeit widerrufen.“
Digitale Medien, so Rabe, prägen immer stärker unseren Alltag. „Eine Schule, die auf das Leben vorbereiten will, muss sich diesen Veränderungen stellen.“ Scheuerl ist dagegen und hatte gegenüber dem Abendblatt einmal gesagt: „Es ist kein echter Fortschritt, wenn man Schüler dazu anhält, krampfhaft mit Tablet und kommerziellen Hilfsmitteln, wie z. B. Google, oder Wikipedia, zu arbeiten, statt den eigenen Kopf und wissenschaftliche Hilfsmittel wie Bücher und Schulbibliotheken einzusetzen.“
Befürworter loben echte individuelle Förderung
Die Schüler und Lehrer an der Stadtteilschule Oldenfelde sehen das anders. Im November haben dort die siebten Klassen mit 172 Schülern zum ersten Mal im virtuellen Klassenzimmer, also mit ihren Smartphones, gearbeitet. „Das ist eine totale Motivation für die Schüler, mit diesen Geräten zu arbeiten“, sagt Katrin Pfeuffer, Englisch- und Spanischlehrerin. „Schüler, die sonst eher zurückhaltend sind, sind ganz eifrig dabei.“ Die Möglichkeiten seien viel größer: „Die Schüler hören, lesen, schreiben und sie können sich die Inhalte immer wieder anhören oder anschauen, es gibt zahlreiche interaktive Grammatikübungen.“
Mit dem digitalen Klassenzimmer sei echte individuelle Förderung erst möglich, weil unterschiedliche Lerntypen ihr geeignetes Medium finden – die einen lesen gern, die anderen gucken Filme, der dritte probiert gerne aus. Für jedes Niveau gibt es die entsprechenden Aufgaben. Die Pädagogen bekommen auf ihren Geräten Informationen über die Leistungsstände jedes einzelnen Schülers, die ihre gelösten Aufgaben zum Beispiel auch als Screenshot an ihren Lehrer schicken. Wurde eine Aufgabe erledigt, ploppt beim Lehrer eine entsprechende Nachricht auf. Die Lehrer hatten sich in Fortbildungen in das Thema und die Wissensvermittlung über mobile Geräte eingearbeitet. Im Rahmen des Projektes geht es auch um Medienwissen, um Fragen nach dem Urheberrecht oder dem Recht am eigenen Bild und um Sicherheit in sozialen Netzwerken.