Der Transport der Frachtboxen ist auf den Straßen im Hafengebiet kaum noch zu bewältigen. Doch gegen eine alternative Route auf dem Wasser gibt es Widerstand. Der Bürgermeister wurde eingeschaltet.

Frank Wylezol hat keine große Hoffnung, dass das Jahr 2015 für seinen Berufsstand besser wird als 2014. Mehr als einmal hat der Geschäftsführer des Verbands Straßengüterverkehr und Logistik im vergangenen Jahr vor den Auswirkungen der gleichzeitigen Baustelle auf den Autobahnen und der Köhlbrandbrücke gewarnt. Und auch im neuen Jahr sieht es nicht besser aus. Die Bauarbeiten an der A 7 gehen erst so richtig los, die Sanierung der Köhlbrandbrücke geht weiter, hinzu kommen immer mehr Schäden an anderen Brücken, welche die Stadt derzeit bei genauerer Durchsicht entdeckt.

Dabei müsste der Hafenverkehr gerade jetzt reibungslos laufen, da der Containerumschlag im Hafen nach der Krise wieder wächst. 9,8 Millionen Container wurden im vergangenen Jahr im Hamburger Hafen umgeschlagen, davon mehr als 3,3 Millionen per Lkw weitertransportiert. Die Entwicklung des Hafens sei durch ein Wachstum der Umschlagszahlen auf der einen und einer zunehmenden Überlastung des Hafen- Straßennetzes auf der anderen Seite gekennzeichnet, sagt Wylezol. Wenn der drohende Verkehrsinfarkt auf der Straße vermieden werden soll, muss also eine Entlastung her.

Port-Feeder Barge als Alternative

Dazu gibt es einen Vorschlag, der immer wieder auf den Tisch kommt, der von den Fuhrunternehmern sogar unterstützt wird, obgleich er eine Art Konkurrenz für sie ist: der Einsatz einer Port-Feeder Barge zum Transport von Containern über das Hamburger Wasserstraßennetz. Dabei handelt es sich um einen selbst fahrenden Containerponton; der mit einem leistungsstarken Kran ausgestattet ist. Dieser greift sich die Container von der Pier oder von Binnenschiffen und fährt sie zum Bestimmungsort. Ziel des vom Ingenieur Ulrich Malchow entwickelten Hafenfahrzeugs ist es, den Containertransport auf die Wasserseite zu verlagern, um die Straße zu entlasten.

Das ist auch dringend nötig. Denn nicht alle der 3,3 Millionen Container, die per Lkw von den Schiffen abtransportiert werden verlassen sofort die Stadt. Viele werden innerhalb des Hafens hin und her gefahren, sei es zum Umpacken zu einem anderen Terminal, zu einem Lager oder zum Leerdepot. Rund 350.000 Container werden auf diese Weise im Hafen hin und her kutschiert.

Köhlbrandbrücke ist ständig verstopft

Nur 40.000 davon werden wasserseitig transportiert, der Rest geht über die Straße. Das bedeutet knapp 5000 Lkw-Fahrten am Tag. Mehr als 50 Prozent der Containerfuhren gehen über die Köhlbrandbrücke. Und die ist ständig verstopft. Außerdem kann die Port Feeder Barge Binnenschiffe direkt abfertigen. „Und der Antrieb ist absolut klimafreundlich“, sagt Malchow der auch als Professor für maritime Wirtschaft an der Hochschule Bremen arbeitet. Der schwimmende Ponton soll mit Flüssiggas angetrieben werden.

Die Erfindung klingt nach einer guten Sofortlösung für die Stauprobleme im Hamburger Hafen. Gebaut wird sie derzeit aber nicht. Das liegt aber nicht an fehlenden Investoren – laut Malchow sperrt sich vielmehr die Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) als größter Hamburger Umschlagsbetrieb. „Solange die HHLA sich weigert, dass die Port Feeder Barge an deren Anlagen mit dem eigenen Bordkran arbeitet, kann das Schiff nicht in Auftrag gegeben werden“, so Malchow. Als Grund vermutet er: „Die HHLA hat offenbar Angst, die Hoheit über die Kaikante zu verlieren.“

Angst vor neuer Konkurrenz

Seit Jahren versucht Malchow, die HHLA-Führung vom Nutzen der Barge zu überzeugen. Der Hafen von Rotterdam verlieh der Innovation einen Preis. Sogar die Politik schaltete er ein. Wirtschaftssenator Frank Horch (parteilos) hält die Port Feeder Barge für eine sinnvolle Ergänzung zur Entlastung des Verkehrs. Er könne aber lediglich Rahmenbedingungen setzen. Ob die Barge gebaut wird, müsse der Markt regeln, sagte er der „Welt am Sonntag“.

Ähnlich äußerten sich die SPD-Vertreter im Wirtschaftsausschuss, der sich vor geraumer Zeit mit dem Projekt befasste. Die Grünen mutmaßten, dass die Geschäfte im Hafen aufgeteilt seien und nun versucht werde, einem unliebsamen neuen Player den Zutritt dazu zu verwehren. Die FDP hat die Port Feeder Barge in ihr Wahlprogramm aufgenommen. Alles ohne Erfolg.

Brandbrief an Bürgermeister Scholz

Jetzt hat Malchow einen Brandbrief an Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) geschrieben, in dem er noch einmal die Vorzüge und den hohen Zuspruch der Port Feeder Barge aufzeigt. Angesichts der Bedeutung des Containerumschlags für Hamburg sowie der Abfertigungsprobleme der jüngsten Vergangenheit sei es „schon ein Skandal“, dass eine so klimaschonende Logistikinnovation ausgerechnet von der HHLA, als dem „zentralen staatlichen Unternehmen“ blockiert werde, heißt es in dem Brief.

Als Mehrheitsaktionär der HHLA wäre die Stadt aus Gesamthafeninteresse und aus Gründen des Klimaschutzes „gut beraten“, ihren Einfluss bei der HHLA geltend zu machen, „dass diese sich der Selbstabfertigung durch die Port Feeder Barge öffnet“, endet der Brief an Scholz.

HHLA weist Vorwürfe zurück

Eine Antwort des Bürgermeisters gibt es darauf noch nicht, dafür aber eine Reaktion der HHLA: Sie weist die Vorwürfe komplett zurück: „Wir verhindern nichts. Nur sind wir der falsche Adressat. Sobald ein Kunde uns anspricht und sagt, er möchte den Weitertransport der Container per Port Feeder Barge organisiert haben, werden wir uns selbstverständlich damit auseinandersetzen. Bisher hat aber kein Kunde diesen Wunsch geäußert“, sagte der für die Terminals zuständige Container-Vorstand Stefan Behn.

Seinen Worten zufolge könne die Port Feeder Barge gar nicht so einfach in den Containerumschlag eingreifen. „Grundsätzlich basiert der Containerumschlag an unseren Terminals auf einem sehr effizienten auf Massenbetrieb ausgerichteten System, mit dem wir den Transport zwischen Schiff und Lager mit Containerbrücken und Van Carriern organisieren. Es wäre operativ schon eine große Herausforderung, den Betrieb einer PFB einzuspeisen“, so Behn. Das System würde nicht mehr funktionieren, wenn jemand einfach ein „paar Boxen“ auf den Kai abladen würde.

Interesse nach Alternative groß

Malchow sieht das anders: Seiner Wahrnehmung nach ist das Interesse an einer leistungsfähigen Alternative auf dem Wasser durch die Port Feeder Barge groß. Großkunden der HHLA, wie die Reedereien Hapag-Lloyd, OOCL, NYK, CMA-CGM, Grimaldi, ACL aber auch Feederoperator wie Unifeeder und selbst einige Großablader, hätten ihm gegenüber bestätigt, dass sie die Einführung einer Port Feeder Barge sehr begrüßen würden.

„Ich kenne niemanden im Hafen, außer bei der HHLA, der mir gesagt hätte, dass das Projekt keinen Sinn hat“, sagt Malchow. Der Streit geht weiter.