Die jüngsten Überfälle auf Hamburger Juweliere erinnern an eine Bande, die vor zehn Jahren aufflog.

Hamburg. Der jüngste Überfall war eine Sache von Minuten. An der Dehnhaide in Barmbek-Süd raubte am Dienstag ein etwa 25 Jahre alter Mann einen Juwelier aus. Der Täter forderte „Gold“ und erbeutete einige Goldketten. Es war einer von vielen Überfällen und Einbrüchen bei Hamburger Juwelieren in den vergangenen Monaten.

Erst am Sonntag war der Juwelier Willer in Wellingsbüttel Ziel von Einbrechern. Im Oktober hatten zwei Räuber bei einem Überfall auf den Juwelier Hansen an den Großen Bleichen Uhren im Wert von fast einer Million Euro erbeutet.

Deutlich niedriger ist die Beute, die der Räuber am Dienstagnachmittag an der Dehnhaide machte. Auf 1000 bis 2000 Euro wird der Wert der Goldketten geschätzt, die die Inhaberin, 61, dem unmaskierten Mann übergeben hatte, nachdem sie von ihm mit einer Pistole bedroht wurde. Der Mann stammt vermutlich aus Osteuropa. Er ist mit der Beute auf der Flucht.

Einer der Räuber war dem Juwelier bekannt

Juweliere sind gut gesichert. Videokameras zeichnen oft rund um die Uhr jede Bewegung im Laden auf. Der Juwelier Hansen an den Großen Bleichen beispielsweise verfügt über eine direkte Telefonleitung zur Polizei. In einigen Fällen stehen sogar Sicherheitsleute vor den Eingangstüren.

Panzerglas und Tresore, in denen nach Geschäftsschluss die wertvollsten Stücken verschwinden, sind obligatorisch. In der Regel kann man bei Juwelieren auch nicht wie in ein normales Geschäft hineingehen. Die Türen sind von außen nicht zu öffnen. Man muss erst klingeln, bevor das Personal einen Summer betätigt und so Zutritt gewährt. Das war auch bei dem Juwelier an der Dehnhaide so. Schon deshalb konnte der Räuber sich nicht maskieren. Die Inhaberin hätte ihm nie die Tür geöffnet. „Das ist auch ein Grund, warum Raubüberfälle auf Juweliere eine Domäne von reisenden Tätern ist“, sagt ein Kripomann.

Diese reisten häufig ausschließlich für ihre – meist in mehreren Städten verübten – Taten nach Deutschland und bereiteten sich professionell auf jeden Überfall vor. Im Fall des Juweliers Hansen war einer der Männer in den Tagen vor der Tat zweimal in dem Juweliergeschäft gewesen und hatte Kaufinteresse an teuren Uhren vorgegaukelt.

So hatte der Räuber exakte Kenntnisse darüber erlangt, wo und wie die teuersten Stücke gelagert wurden. Zudem war er als potenzieller Kunde bereits „bekannt“. Als er am Tag des Überfalls mit seinem Komplizen kam, schöpfte niemand Verdacht. Die beiden Täter konnten sich so schon einmal Uhren der teuren Marke Patek Philippe zeigen lassen. Die Uhren wurden ihnen quasi auf dem „silbernen Tablett serviert“, bevor sie ihre Waffen zogen.

Besonders bekannt war die sogenannte Koszaliner Gruppe, die in den Jahren rund um die Jahrtausendwende viele Taten auch in Hamburg verübte. Der Name stammt von einem Ort in Polen, in dem die Hintermänner saßen. Der Überfall 2001 auf den Juwelier Brahmfeld & Gutruf, den Juwelier René Kern 2004 und Uhren-Becker am Ida-Ehre-Platz 2003 wurden dieser kriminellen Gruppierung zugerechnet. Sie hatte ein gut organisiertes Netzwerk aus Statthaltern, die für Quartiere, Informationen und Übernahme der Beute zuständig waren. Dazu kamen Handlanger für die Überfälle und Kuriere, die die Beute über die Grenze aus Deutschland herausbrachten. Die Gruppe trat in Hamburg nicht mehr in Erscheinung, nachdem 2005 der Statthalter und dessen Lebensgefährtin aufgeflogen und festgenommen worden waren. Über das Duo waren nach Erkenntnissen der Polizei mindestens zwölf Überfälle in Norddeutschland abgewickelt worden.

Beute wie Uhren nur schwer zu verwerten

„Bei Überfällen auf namhafte Juweliere, bei denen große Beute gemacht wird, kann man immer davon ausgehen, dass die Täter zu einer gut strukturierten, arbeitsteilig vorgehenden Gruppierung gehören“, sagt ein Kripomann. „Das Schwierige ist die Verwertung der Beute. Würde man den Schmuck einschmelzen, wäre der Erlös für Gold oder Edelsteine nicht annährend so hoch, wie für die kompletten Schmuckstücke.“ Diese seien aber nur im Ausland absetzbar. Meistens finde man Abnehmer in Osteuropa. „Besteht die Beute aus Uhren, wie sie beim Überfall an den Großen Bleichen im Oktober geraubt wurden, braucht man mehrere solvente Abnehmer. Die haben nur Hehler mit entsprechenden Kontakten.“

Ob die Einbrecher, die am vergangenen Sonntag an der Rolfinckstraße beim Juwelier Willer Vitrinen leerräumten, auch zu einer derartigen Gruppierung gehörten, ist unklar. Gelegenheitstäter waren es aber offenbar nicht. Sie hatten sich gut auf die Tat vorbereitet. Die Männer hatten für den Einbruch einen hydraulischen Rettungszylinder benutzt. Solche Geräte werden von der Feuerwehr einsetzt, um bei Unfällen eingeklemmte Menschen aus ihren Fahrzeugen zu befreien.