Seit Jahresbeginn ist sie Pflicht: In deutschen Arztpraxen gilt nur noch die elektronische Gesundheitskarte. Nicht jeder Patient weiß das. Ein Besuch in einer Hamburger Praxis.

Hamburg. Prominent, eingerahmt und hinter Glas hängt es, das Statement. „Aktion ‚Stoppt-die-e-Card‘“ steht auf dem großen, violetten Poster, das im Wartezimmer der Praxis von Ute Rippel-Lau und Dietrich Lau hängt. Gekommen ist die umstrittene elektronische Gesundheitskarte mit Chip und Foto trotzdem. Seit dem 2. Januar 2015 ist sie Pflicht für alle gesetzlich Versicherten – doch es bleiben Unsicherheiten bei den Patienten.

Drei der 51 Patienten, die am Freitagvormittag die Praxis im Eppendorfer Weg aufsuchten, hatten am Stichtag keine gültige Karte in ihrer Tasche. Die größte Verwirrung: „Die Patienten verstehen nicht, warum ihre alte Karte ungültig ist, obwohl das Ablaufdatum noch nicht überschritten ist“, sagt Ute Rippel-Lau. Fakt ist, dass die alten Karten einfach nicht mehr eingelesen werden können.

Ins Arztzimmer schafften es die drei Patienten am Freitag dennoch. “Wir konnten jeden behandeln“, sagt die Allgemeinmedizinerin. Zum einen wäre es möglich, innerhalb von zehn Tagen die gültige Karte nachzureichen. Im schlimmsten Fall würde privat abgerechnet. Doch darauf verzichtet die Praxis in Eimsbüttel und geht lieber einen einfacheren Weg. „Um es den Patienten ohne elektronische Gesundheitskarte so stressfrei wie möglich zu machen, bitten wir sie, ihre Krankenkasse zu kontaktieren, damit diese uns eine Mitgliedsbescheinigung per Fax zukommen lässt.“ So konnten auch die drei Patienten, die von der Pflicht der neuen Karte gar nichts wussten, direkt behandelt werden.

Krankenkassen können Ersatzbescheinigungen schicken

Doch Rippel-Lau fügt an: „Einige Krankenkassen schicken, obwohl sie monatsweise die Beiträge einnehmen, nur die Mitgliedsbescheinigung für einen Tag. Wir glauben nicht, dass dies zulässig ist." Ausgenommen von der Kartenpflicht mit Foto sind übrigens Jugendliche bis zum 15. Lebensjahr und Patienten, die aus bestimmten Gründen nicht an der Erstellung der neuen Karte mitwirken können - zum Beispiel dann, wenn sie bettlägerig sind.

Die Einführung der neuen elektronischen Gesundheitskarte erfolgte sukzessive seit Oktober 2011. Doch wirklich grün sind sich die Patienten und die neue Karte noch immer nicht. Zwar enthält diese momentan exakt dieselben Daten wie die alte Karte, also Name, Geburtstag, Adresse und Versichertenstatus. Doch nach und nach soll sie neue Anwendungen bieten, wie die Speicherung von Notfalldaten, elektronischen Rezepten und einer Patientenakte. Außerdem ist der Plan, die Stammdaten auf einem zentralen Server zu speichern, sodass einrichtungsübergreifend auf sie zugegriffen werden kann – und besonders hier sind die Bedenken in Zeiten großer Hacker-Angriffe und Datenmissbrauchs enorm.

Patienten und Ärzte haben Datenschutz-Bedenken

Denn eine derart umfassende Ansammlung und Auswertung medizinischer Daten ist bislang einzigartig und könnte daher auch Ziel fragwürdiger Interessen werden. „Die Skepsis bei den Patienten die Sicherheit ihrer Daten betreffend ist groß“, sagt Ute Rippel-Lau. Auch sie ist – wie das Poster im Wartezimmer belegt – Gegner der Datensammlung. Oft werde sie von ihren Patienten gefragt, ob die Daten denn dann in sicheren Händen sein würden. Dann antwortet sie einfach nur: „Niemand kann dies garantieren.“

Auch die Kosten, die die Einführung der Karte verursacht, sind Thema. Diese summieren sich laut Regierungsangaben auf rund eine Milliarde Euro. Dennoch: Um die neue, elektronische Gesundheitskarte wird wohl niemand herumkommen. Doch Ute Rippel-Lau rät skeptischen Patienten, im Rahmen der Aktion „Stoppt-die-e-Card“ eine Datenschutzverfügung zu unterschreiben, bei der sie der geplanten Speicherung von Gesundheitsdaten in zentralen Computern außerhalb der Arztpraxen oder Krankenhäusern widersprechen.

„Uns ist es wichtig, dass der Patient Herr seiner Daten bleibt, eine Datensicherheit gewährleistet ist und die Speicherung seiner Krankheitsdaten auf zentralen Servern verhindert wird.“