Denn sie hatten sonst keinen Raum in der Herberge: obdach- und arbeitslos mit einem Baby. Das Schicksal einer Roma-Familie, die aus Tschechien nach Hamburg gekommen ist.

Hamburg. Dies ist eine kurze Weihnachtsgeschichte. Sie handelt von Jiri, 33, den es im Sommer aus dem tschechischen Třebenice auf der Suche nach Arbeit nach Hamburg verschlug. Daheim gab es schon lange keine mehr für einen wie ihn, denn Roma und Sinti gelten in Tschechien als Menschen letzter Klasse. Die rechtsradikale Szene ist sehr aktiv; Diskriminierung, Überfälle und Misshandlungen sind an der Tagesordnung. Etwa 250.000 Roma und Sinti leben mehr schlecht als recht im Nachbarland, die meisten in Gettos, wobei es sich in Jiris Fall um eine Ruine in der nordböhmischen Stadt handelte.

Diese Geschichte handelt aber auch von Gabriela, 27, Jiris Frau, die schon drei Kinder (5, 2, neun Monate) hatte, und die jetzt wieder schwanger ging. Gabriela, eine Roma, ist eine zierliche Frau, knapp 1,60 m groß und 45 Kilogramm schwer. Sie und Jiri lebten nun zusammen in der Ruine, von der Hand in den Mund. Die drei Kinder waren bei Gabrielas Eltern untergebracht.

Man hatte Jiri in Hamburg Arbeit versprochen, obwohl er weder Schulabschluss noch Berufsausbildung besitzt. Aber er ist geschickt. Er kann mauern, anstreichen, und er würde jeden Job annehmen, sagt er, auch die dreckigen. Doch die versprochene Arbeit gab es nicht, und so fand sich Jiri bettelnd auf dem Jungfernstieg wieder. Als es kälter wurde, schlief er in einem Zelt auf dem Jungfernstieg. Anfang November erfuhr er, dass Gabriela daheim in Třebenice krank geworden war, sehr krank.

So beschloss Jiri, seine Frau mit dem letzten Geld zu sich zu holen. Tagsüber bettelten sie in der City, nachts schliefen sie im Zelt. Ende November konnte Gabriela vor Schmerzen kaum noch gehen. Sie war im sechsten Monat, verlor Blut, wurde immer schwächer, und beide ahnten, dass sie Gefahr liefen, ihr Baby zu verlieren. In diesem Moment erinnerte sich Jiri an Ludmilla, eine Tschechin aus Třebenice in besseren Zeiten, die vor 16 Jahren nach Hamburg gezogen war. Am 15. Dezember standen sie vor Ludmillas Wohnung, doch allen war klar, dass dies nur eine Notlösung sein konnte. In der zweiten Nacht platzte die Fruchtblase. Ein Rettungswagen brachte sie ins Bethesda Krankenhaus, wo sie am 20. Dezember um 22.33 Uhr von Maria-Magdalena entbunden wurde – einem Frühchen, nur 1800 Gramm schwer, das sofort in die Säuglingsintensivstation im Kinderkrankenhaus Wilhelmstift verlegt wurde.

„Sie hat das sehr gut gemacht“, sagt Chefarzt Dr. Knut Schirrmacher während der Visite. Die Frage nach einer Kostenübernahme stellt sich für den Gynäkologen nicht. „Eine Geburt ist ja wohl etwas anderes. Man handelt und hilft.“ Viel lieber spricht er von den Blutwerten der unterernährten Gabriela, die sich langsam wieder normalisierten. Auch dem Kind gehe es den Umständen entsprechend gut. Am zweiten Weihnachtstag wird Gabriela ins Wilhelmstift verlegt werden. Beide Krankenhäuser haben unbürokratisch vereinbart, dass sie dann noch mindestens einen Monat, vielleicht auch länger, bei Maria-Magdalena bleiben kann.

Und dann? Wahrscheinlich werden Jiri und Gabriela Asyl beantragen, obwohl sie wenig Aussicht auf Erfolg haben werden. Denn Tschechien ist EU-Land und gilt als „sicher". Jedenfalls dann, wenn man weder den Roma noch den Sinti angehört. „Eine Arbeit“, sagt Jiri, „ich bräuchte doch bloß eine Arbeit und eine Wohnung, damit wir bald wie eine richtige Familie leben können.“

Wer helfen möchte, kann sich an das Bethesda-Krankenhaus unter Telefon 040/725541051 wenden oder per E-Mail an: netik@bkb.info