Der Abendblatt-Redakteur begleitet die Reise der Hanseatic als Kreuzfahrtseelsorger im Auftrag der Nordkirche und wird regelmäßig über die Weihnachtsreise berichten. Nächster Halt: Südgeorgien.
Südgeorgien. Die „Serengeti des Südpolarmeeres“ ist seit Jahrzehnten fest in der Hand von Ratten. Europäische Robbenfänger hatten die Nager im 18. Jahrhundert nach Südgeorgien eingeschleppt. Das ist jene einsame Insel in der nördlichen Antarktis, die sich rund 2000 Kilometer östlich von Südamerika erstreckt und politisch zu Großbritannien gehört. Hier leben unter anderem 150.000 Königs-Pinguin-Brutpaare, sechs Millionen Seebären, die weltweit größten Bestände von See-Elefanten und Millionen von Seevögeln. Auf die am Boden brütenden Vögel und ihren Nachwuchs haben es die gefräßigen Ratten besonders abgesehen, deren Population auf Millionen von Exemplaren angewachsen war.
Um die Plage zu bekämpfen, haben England und der Gouverneur von Südgeorgien jetzt die dritte und letzte Phase der Rattenvernichtung angekündigt. „Per Hubschrauber werden Anfang des nächsten Jahres wieder Gift-Paletts ausgesetzt“, sagt Sylvia Stevens. Die britische Naturforscherin arbeitet derzeit als Lektorin an Bord des Hamburger Kreuzfahrtschiffes „Hanseatic“. Das Schiff mit der höchsten Eisklasse für Passagierschiffe befindet sich gerade auf der Weihnachtsreise von den Falklandinseln über South Georgia zur antarktischen Halbinsel.
Die größte Rattenvernichtungs-Aktion aller Zeiten begann bereits vor drei Jahren. Weil sich die Population rasend schnell ausbreiten konnte, musste dringend gehandelt werden. Denn innerhalb eines Jahres führt die Vermehrung allein eines Elternpaares zu 15.000 Nachkommen. Sollte Südgeorgien in den nächsten zehn Jahren gänzlich rattenfrei werden, rechnen Experten mit bis zu 100 Millionen zusätzlichen Seevögeln. Bislang wurden in das Projekt rund acht Millionen Pfund investiert. Gut zwei Drittel des Landes seien bereits erfolgreich behandelt, hieß es.
Finanziert wird die Vernichtung der Ratten auch von den Touristen, wie sie gerade auf der MS Hanseatic unterwegs sind. Experten der Organisation „South Georgia Hertige Trust“ informieren die Reisenden an Bord - und sammeln Geld ein. Für rund 120 Euro können die Kreuzfahrer den Kampf gegen die Ratten auf einer Fläche von einem Hektar finanzieren. Als kleines Dankeschön gibt’s eine Urkunde.
Experten wie Sylvia Stevens versichern, dass die Tiere an inneren Blutungen sterben und sich dafür in Höhlen zurückziehen müssen.
Mit einer anderen Hinterlassenschaft der früheren Walfänger wurde im Südpolarmeer inzwischen ebenfalls kurzer Prozess gemacht. Damit sich die Walfänger einst ernähren konnten, wurden damals Dutzende von Rentieren nach Südgeorgien gebracht. Sie erreichten in den vergangenen Jahren einen stattlichen Bestand von 5000 Exemplaren und eroberten die Regionen rund um den 2934 Meter hohen Mount Paget. Wo sie eigentlich gar nicht hingehören.
Weil auch diese Art praktisch von Menschenhand eingeschleppt wurde, entschloss sich die Inselregierung, auch die Population dieser Tiere zu vernichten. Dafür wurden extra Jäger aus Lappland eingeflogen. Erst seit einigen Monaten ist Südgeorgien frei von Rentieren. Teilweise wurde ihr Fleisch an Kreuzfahrtreedereien verkauft. Die letzten lebenden Exemplare dieser Tiere genießen ihr Gnadenbrot auf privaten Farmen der benachbarten Falkland-Inseln.
Erstmals gesichtet wurde das Naturparadies Südgeorgien von dem Engländer Anthony de la Rochè im Jahr 1675. Die erste Anlandung erfolgte 1775 durch James Cook. Der Entdecker notierte damals, dass es hier weder einen Baum zu sehen gab noch einen Busch, „um daraus einen Zahnstocher zu machen“. Anfang des 20. Jahrhunderts nahmen insbesondere norwegische Walfänger die von Stürmen umtoste Insel in den Besitz. Von 1904 bis Mitte der 1960er-Jahre wurden 1,5 Millionen Wale in der Antarktis getötet und unter anderem zu Brennstoff, Seife, Margarine, Lippenstift und Knochenmehl weiter verarbeitet.
Nach einem geplanten Besuch in der alten Walfangstation Grytviken und dem Grab des Polarforschers Sir Ernest Shackleton nimmt die Hanseatic mit dem Hamburger Kapitän Carsten Gerke kommende Woche Kurs auf Copper Bay ganz im Süden von Südgeorgien.