Vor zwei Wochen begann in den USA der Prozess um den getöteten Austauschschüler Diren. Der Tod des Hamburgers lässt Fragen offen. War es Notwehr oder Schießwut? Am Dienstag beginnen die Schlussplädoyers.

Hamburg. Der Junge aus Hamburg ist 17 Jahre alt und erfüllt sich einen Traum: Er geht als Austauschschüler in die USA. In Missoula im Staat Montana spielt Diren in der Schule Fußball, hat Freunde, fühlt sich wohl. Dann, eines Nachts im April, wird er erschossen. Vier Schüsse gibt der Schütze aus nächster Nähe mit einer Schrotflinte ab, nachdem der Junge in seine offene Garage eingedrungen ist. Jetzt neigt sich der Prozess dem Ende zu – es ist ein Prozess, wie er wohl nur in den USA denkbar ist.

An diesem Dienstag beginnen die Schlussplädoyers. Schon jetzt steht fest, wie Anklage und Verteidigung argumentieren. Für die Staatsanwältin Jennifer Clark gibt es keinen Zweifel: Der 30 Jahre alte Angeklagte Markus K. hat den Jungen regelrecht in die Falle gelockt, ihn in der Garage beobachtet, sogar Fotos gemacht. In der Sekunde, bevor die Schüsse fielen, soll die Lebensgefährtin des Angeklagten „Showtime“ gerufen haben. „Notwehr ist absurd“, sagt Clarks Schlussfolgerung.

Doch genau das macht die Verteidigung geltend: Das Paar sei völlig verängstigt gewesen. Es habe bereits zuvor zwei Einbrüche gegeben. „Woher sollten sie wissen, dass der nächste Einbrecher nicht bewaffnet war?“ Die Verteidigung will Freispruch.

Nach den Schlussplädoyers werden sich die zwölf Geschworenen zurückziehen. Ob die Beratung nur ein paar Stunden oder mehrere Tage dauern wird, ist unklar. „Es ist ein schwieriger Prozess“, sagt die Gerichtssprecherin Katie Quam. Das Strafmaß soll ohnehin erst später verkündet werden.

Für die Eltern von Diren, die nach Missoula gereist sind, wird das Warten zur Folter. „Das ist die härteste Zeit unseres Lebens“, stöhnte der Vater bereits zum Prozessauftakt vor zwei Wochen.

Es ist eine sehr amerikanische Geschichte, ein sehr amerikanischer Prozess. Montana – das ist der Westen der USA, den sich die weißen Siedler mit der Waffe in der Hand erobert haben. Montana ist noch heute ein stark ländlich geprägter Staat, 57 Prozent der Einwohner besitzen nach Schätzungen noch heute eine Waffe – für die Jagd oder eben auch zur Selbstverteidigung. Zudem gibt es in Montana eine „Castle Doktrin“, die Bedrohten das ausdrückliche Recht verleiht, als Gegenwehr auch zu tödlicher Gewalt zu greifen.

Doch die Frage ist: War der Ex-Feuerwehrmann K. in dieser Nacht des 27. April wirklich bedroht? Es gibt Zweifel. Zeugen haben ausgesagt, K. solle die Tat beim Friseur geradezu angekündigt haben. Er habe gesagt, dass er „ein paar Jugendliche abknallen wolle“, so berichtete eine Friseurin. „Er sagte, er habe drei Nächte nicht geschlafen, weil er mit einer Schrotflinte auf der Lauer liege, um ein paar Kids zu töten.“

Und auch danach gab sich Markus K. alles andere als zerknirscht und reuig. Im Gerichtssaal wurde vor ein paar Tagen ein Tonband mit einem Gespräch abgespielt, das Markus K. aus dem Gefängnis mit seiner Partnerin führte. Darauf brüstete er sich geradezu mit dem Tod des Jungen aus Hamburg, ist empört, dass er in Haft ist und beschuldigt wird. Markus K. sagte demnach: „Jeder sollte sich freuen, dass unsere Nachbarschaft sicherer ist, verdammte Idioten.“