Die Stadt ist Eigentümer von 4000 Hektar in anderen Bundesländern, darunter auch Obstplantagen in Jork und ein Friedhof in Wentorf. 1200 Flurstücke besitzt die Stadt außerhalb ihrer eigenen Grenzen.
Hamburg. Eine Wald- und Seenlandschaft in Rüdersdorf bei Berlin, ein Moor in Alt-Erfrade, ein paar Straßen in Bönningstedt, Mehrfamilienhäuser in Buxtehude, ein Park in Geesthacht, ein historischer Ringwall in Hollenstedt, Obstanbauflächen in Jork, ein Stück Seevekanal in Meckelfeld, Torfabbauland in Moordiek, Heide in Neu Wulmstorf, ein Wald in Offenbach, eine Sandkuhle in Wedel und ein Friedhof in Wentorf – keines dieser Grundstücke ist wie das andere. Aber sie haben eines gemeinsam: Sie gehören der Stadt Hamburg.
Sage und schreibe 1200 Flurstücke besitzt die Stadt außerhalb ihrer eigenen Grenzen. Zusammen ergeben sie eine Fläche von 4000 Hektar oder 40 Quadratkilometern. Hinzu kommen weitere 365 Grundstücke mit einer Gesamtfläche von gut 800 Hektar, die die öffentlichen Unternehmen der Stadt wie die Wasserwerke oder die Eisenbahngesellschaft AKN in anderen Bundesländern besitzen. Zum Vergleich: Der Stadtstaat Hamburg ist 755 Quadratkilometer groß – würde man alle Besitztümer im Umland dazuzählen, wäre die Stadt mit gut 800 Quadratkilometern um mehr als sechs Prozent größer. Allerdings verbietet sich diese Rechnung, da es sich lediglich um Grundbesitz der Stadt handelt, nicht jedoch um ihr eigenes Hoheitsgebiet.
Diese erstmals so detailliert erhobenen Daten gehen aus der Antwort des Senats auf eine Große Anfrage der CDU-Fraktion hervor. Wie die Finanzbehörde auf Abendblatt-Anfrage betonte, sei der von diversen Behörden, Ämtern und städtischen Einrichtungen verwaltete Grund- und Immobilienbesitz der Stadt lange nicht systematisch erfasst worden. Erst seit wenigen Jahren werde der Bereich neu geordnet.
Aber wie kommt die Stadt zu diesem gigantischen Grundbesitz außerhalb ihrer Grenzen? Dafür gibt es mehrere Gründe. Einige sind historischer Natur, etwa in Cuxhaven. Die Stadt, beziehungsweise das Amt Ritzebüttel, gehörte über Jahrhunderte zu Hamburg und wurde erst 1937 im Zuge des Groß-Hamburg-Gesetzes an das preußische Hannover (heute Niedersachsen) abgegeben. Teile der Gegend behielt Hamburg jedoch aus strategischen Interessen oder kaufte sie später wieder hinzu, als das vor Cuxhaven gelegene Eiland Neuwerk zum Tiefseewasserhafen ausgebaut werden sollte – gut 200 Hektar darf sie bis heute ihr Eigen nennen. Neuwerk selbst gehört übrigens nicht in diese Kategorie: Die Insel ist Teil des hamburgischen Staatsgebiets.
In der Nähe von Kaltenkirchen wiederum wurden schon vor Jahrzehnten Flächen für einen damals geplanten, aber nie realisierten Großflughafen erworben. Auf den 1500 Quadratmeter großen Grundstücken in Berlin steht die Landesvertretung Hamburgs beim Bund – das dürfte eine der wertvollsten Liegenschaften der Stadt sein. Das gilt auch für die 24.000 Quadratmeter, die Hamburg in Wyk auf Föhr besitzt.
Dort betreibt die Ballin-Stiftung ein Kinder- und Jugendhaus. Sogar auf Helgoland besitzt die Wissenschaftsbehörde 350 Quadratmeter, auf denen eine Funkanlage zu Forschungszwecken betrieben wird.
Andere Gebiete dienen als potenzielle „Ausgleichsflächen“ für Infrastrukturprojekte. So besitzt Hamburg gut 35 Hektar in der Haseldorfer Marsch, die als Ausgleich für die Airbus-Werkserweiterung im Mühlenberger Loch gedacht waren – was jedoch vom Gericht nicht akzeptiert wurde. In der Gemeinde Jork im Alten Land wiederum besitzt die Stadt immer noch 250 Hektar, die sie denjenigen Landwirten als „Tauschobjekte“ angeboten hat, die für die Airbuslandebahnverlängerung, den Bau der Umgehung Finkenwerder und der A 26 Flächen abgeben mussten.
Auch die großen Gebiete in Wedel, Wentorf, Reinbek, Jersbek und Moordiek dienen vor allem als Ausgleichsflächen oder werden dafür vorgehalten. Ein Teil der Jorker Flächen entfällt allerdings auf das Gefängnis, das Hamburg auf der Elbinsel Hahnöfersand unterhält. Auch in Glasmoor bei Norderstedt betreibt Hamburg eine Justizvollzugsanstalt außerhalb seines Staatsgebietes.
Die allergrößten außerhamburgischen Besitztümer der Stadt hatten jedoch ursprünglich einen ganz anderen Zweck: Sie sollten vor Jahrzehnten die Versorgung der Bürger mit landwirtschaftlichen Produkten und Wasser sicherstellen. So entfällt ein Großteil der mehr als acht Quadratkilometer in Tangstedt auf den Gutshof Wulksfelde, den die Stadt 1966 aufkaufte und später mit der Maßgabe verpachtete, daraus ein ökologisches Vorzeigeprojekt zu machen – was sehr erfolgreich läuft. Auch die Ahrensburger Flächen wurden früher als Staatsgüter bewirtschaftet und sind heute verpachtet oder öffentliches Naherholungsgebiet. Der Großensee hatte zwei Funktionen: Bis in die 1980er-Jahre diente er der Stadt als Trinkwasserreservoir, seitdem ist er ausschließlich Naherholungsgebiet.
Während die Stadt im Falle des Großensees von einem geplanten Verkauf absieht, prüft sie diesen für eines ihrer größten Besitztümer: Die Revierförsterei Alt-Erfrade in den Gemeinden Tarbek und Daldorf. Die Försterei, die nach Senatsangaben jedes Jahr eine sechsstellige Summe Minus verbucht, werde als „entbehrlich“ eingestuft, heißt es. Bei solchen Fragen gehe es immer nach „Wirtschaftlichkeitsüberlegungen“, so die Finanzbehörde. „Der Aufwand für die Wahrnehmung von Eigentümerpflichten sollte nicht höher sein als der finanzielle, beziehungsweise der wirtschaftliche Ertrag“, so Sprecher Daniel Stricker.
Als Probleme gelten häufig die „Fiskus-Erbschaften“: Wenn Menschen der Stadt Grundstücke vermachen oder sie an den Fiskus fallen, weil frühere Besitzer keine Erben haben – das dürfte ein Grund dafür sein, dass Hamburg Grundstücke in Hessen, Rheinland-Pfalz oder Thüringen besitzt –, seien damit nicht selten Rechte und Pflichten verbunden, ohne dass es entsprechende Erträge gebe, so die Finanzbehörde. Daher versuche die Stadt, diese Flächen abzustoßen. Grundstücks- oder Immobilienverkäufen nur zum Zwecke der Haushaltssanierung zu verkaufen sei dagegen nicht geplant.
Das fordert auch CDU-Finanzexperte Roland Heintze, der die Große Anfrage maßgeblich initiiert hatte: „Auf keinen Fall darf es Verkäufe zur Deckung laufender Ausgaben geben. Wenn überhaupt, müssen die Einnahmen zur Schuldentilgung verwendet werden.“ Während er bei Fiskus-Erbschaften die Verkaufsabsichten unterstützt, sieht er die bei Naherholungsgebieten wie dem Großensee oder eben die Wälder rund um die Revierförsterei Alt-Erfrade kritisch. „Naherholungsgebiete sollten nicht verkauft werden“, sagt Heintze. „Hamburg als Großstadt behält so Einfluss im Umland.“ Welchen Wert die Grundstücke außerhalb der Stadt haben, ist gar nicht bekannt. Nach Senatsangaben wird der Grundbesitz der Stadt auf vier bis fünf Milliarden Euro taxiert. Wie viel davon auf die Äcker, Gewässer, Wälder, Wiesen und Moore im Umland entfällt, zeigt sich meist erst, wenn Hamburg sich von Flächen trennen will. Und das kommt eher selten vor.