Das Bezirksamt Nord und die Grundschule St. Nikolai in Eppendorf werden nun wohl doch nicht abgerissen. Damit könnte zum ersten Mal ein größeres Wohnungsbauprojekt des SPD-Senats am Widerstand von Bürgern scheitern.
Eppendorf Der Bürgerprotest hat sich gelohnt. Die in den 50er-Jahren entstandenen Gebäude des Bezirksamts Nord und der Grundschule St. Nikolai in Eppendorf werden nun wohl doch nicht abgerissen. Bislang war geplant, auf dem fast vier Fußballfelder großen Areal ein neues Bezirksamt, eine Schule und 300 teils hochpreisige Wohnungen zu errichten.
Die Mehrheit des Planungsbeirats, der das Verfahren begleitete, sprach sich dafür aus, „das Bezirksamt in seiner jetzigen Form zu erhalten, da es baulich und funktional heute und für die nächsten Jahrzehnte die Bedarfe erfüllt“. Nach Abendblatt-Informationen will die rot-grüne Regierungskoalition im Bezirk nun dieser Empfehlung folgen und in der nächsten Sitzung der Bezirksversammlung einen entsprechenden Antrag einbringen.
Außerdem legte der Planungsbeirat Senat und Bezirksversammlung nahe, „die denkmalgerechte Sanierung und Erweiterung der Schule umzusetzen sowie den Denkmalschutz für Schule und Bezirksamt aufrecht zu erhalten.“ Dieses Resümee fasse die wesentlichen Ergebnisse des Faktenchecks „nachvollziehbar zusammen und beschreibt die erkennbaren Probleme“, heißt es nun in dem Antrag von SPD und Grüne. Die Senatskommission, die letztlich über das Aus des Bauprojekts entscheiden müsse, werde über die Stellungnahme des Planungsbeirates informiert. Damit könnte zum ersten Mal ein größeres Wohnungsbauprojekt des SPD-Senats am Widerstand von Bürgern scheitern.
Grundlage der Planung war das Ergebnis eines städtebaulichen Ideenwettbewerbs, der von dem Planungsbeirat mitformuliert worden war. Als es im Juni dieses Jahres der Öffentlichkeit vorgestellt wurde, formierte sich massiver Widerstand von Anwohnern und Eltern, deren Kinder die Grundschule besuchen. Sie störten sich vor allem daran, dass die Schule an der vierspurigen Lenhartzstraße errichtet werden sollte, die einer Studie zufolge „die Schwelle zur Gesundheitsgefährdung überschritten“ hat. Zudem bereitete den Eltern Sorgen, dass die Fläche des Schulhofs massiv beschnitten würde. Angesichts dessen einigten Grundstückseigentümer und Behörden sich im September auf einen sogenannten „mehrstufigen und transparenten Faktencheck“, der sich auf die Themen Schule, Bezirksamt, Wohnungsbau und Denkmalschutz fokussieren sollte.
„Unabhängig vom Ausgang des Verfahrens hat sich gezeigt: Bürgerbeteiligung kann funktionieren“, sagte Kay Vogel, der als zugewählter Bürger im Planungsbeirat saß. Tatsächlich sei nicht vorhersehbar gewesen, dass ich die Mehrheit gegen die Neubebauung aussprechen werden. Gerade in der Politik habe niemand damit gerechnet, so Vogel. Für Eppendorf sei es ein Gewinn, dass das Denkmalensemble erhalten bleibe – „auch wenn man das vielleicht erst in 40 Jahren zu schätzen weiß“.
Bezirksamtsleiter Harald Rösler lobte den Antrag der Koalitionsfraktionen als „einen klugen und differenzierten Umgang mit dem Ergebnis des intensiven Beteiligungsverfahrens“. Der Faktencheck habe sich mit allen erdenklichen Aspekten der vorliegenden Wettbewerbslösungen auseinandergesetzt und sei zu dem Ergebnis gekommen, dass eine Aufhebung des Denkmalschutzes nicht angemessen wäre. „Durch diese Entscheidung wird jetzt insbesondere die Möglichkeit eröffnet, dass die Entwicklungsnotwendigkeiten und -möglichkeiten der Schule zügig und unabhängig untersucht und geplant werden können.“
Dass die Schule so schnell wie möglich von zwei auf vier Züge ausgebaut werden müsse, war eine Vorgabe des Architektenwettbewerbs. Der Schulentwicklungsplan von 2012 sah dagegen nur ein dreizügiger Ausbau vor. „Die hochbaulichen Planungen dazu sind fertig, die finanziellen Mittel stehen bereit“, sagte Kay Vogel. Wäre das Verfahren nicht dazwischen gekommen, hätte der Umbau der Schule im kommenden Jahr fertig sein können. Aktuell sei die erste Klassenstufe tatsächlich vierzügig. „Doch wer weiß, ob die große Nachfrage auch weiterhin besteht.“
Für Thomas Domres, Fraktionsvorsitzender der SPD Hamburg-Nord, steht fest, dass die Schule St. Nikolai vier Klassen pro Jahrgang benötigt. „Eppendorf boomt. Nachfrage und Bedarf sind groß, weil viele neue Kinder hinzugekommen sind.“ Gleichzeitig zweifelt er daran, dass ein denkmalgerechter Ausbau und die Grundsanierung der Schule mit gleichzeitigem Erhalt der Freiflächen durchführbar ist. Seiner Meinung nach solle sich der Senat erst dann für oder gegen die Neubebauung entscheiden, wenn die Schulbehörde ihm akzeptable Umbaupläne für die St.-Nicolai-Schule vorlege. Dem Mehrheitsbeschluss des Planungsbeirates ist Domres nur widerwillig nachgekommen. Er ist sich sicher: „Eppendorf verpasst hier eine Chance.“
Eine besondere Rolle spielte bei dem Verfahren der Denkmalschutz. Sowohl das Bezirksamt Nord als auch die Grundschule galten bei ihrem Bau in den 50er-Jahren als vorbildlich. Mit dem Amt sei „ein anschauliches und qualitätsvolles Beispiel eines Verwaltungsbaus der Nachkriegszeit mit wegweisender Bedeutung für die nachfolgende Architektur“ geschaffen worden, heißt es in einer Broschüre des Stadtteilarchivs Eppendorf. Das Verwaltungsgebäude sei „wichtiger baulicher Vertreter der Nachkriegsmoderne in Hamburg“.
Als ähnlich vorbildlich – im Sinne von Inklusion – gilt die von dem renommierten Architekten Gerhart Laage entwickelte Schule, die der erste Neubau einer „Hilfsschule“ in der Hansestadt nach dem Zweiten Weltkrieg war. Sämtliche Räume liegen im Erdgeschoss, es gibt einen Garten und ein Gewächshaus. Für Anke Strade war unter anderem die Barrierefreiheit der Schule entscheidend. „Meine Tochter Antonia saß in der ersten Zeit im Rollstuhl. Es war uns wichtig, dass sie den Klassenraum selbstständig erreichen konnte.“