Die Gesundheitsreform gefährdet in Hamburg 938 Mediziner-Stellen. Behörde weist Kritik zurück
Hammerbrook. Die Kassenärztliche Vereinigung Hamburg (KVH) übt weiterhin scharfe Kritik an der von der Bundesregierung geplanten Gesundheitsreform. Wie berichtet, sollen künftig Arzt- und Psychotherapeutensitze von der KVH aufgekauft werden, wenn es in der betreffenden Facharztgruppe eine Überversorgung gibt. In Hamburg, das einen Versorgungsgrad von 110 Prozent aufweist, würden dadurch 938 Arztstellen abgebaut.
„Die Macher des Gesetzes kennen die Realität nicht“, sagte der KVH-Vorsitzende Walter Plassmann am Mittwoch. Besonders die medizinische Betreuung in Stadtteilen mit vielen älteren Ärzten würde durch das sogenannte Versorgungsstärkungsgesetz geschwächt – dort ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass Praxen aufgegeben und aufgekauft werden. Auch unterversorgte Stadtteile seien betroffen.
Dem Gesetzesentwurf nach „sollen“ die Kassenärztlichen Vereinigungen Sitze kaufen, wenn diese aus Versorgungsgründen nicht erforderlich sind; früher war das eine „Kann“-Regelung. Eine Ausnahme wurde bislang gemacht, wenn Verwandte oder der Partner in einer Gemeinschaftspraxis den Arztsitz übernahmen; künftig muss die Partnerschaft mindestens drei Jahren bestehen. Auch das Prozedere soll sich ändern. Bislang konnten KVH und Zulassungsausschuss entscheiden, ob ein Arztsitz erforderlich ist. War die Behörde anderer Ansicht, musste sie das Gegenteil beweisen. Künftig soll das umgekehrt sein. „Dann sind wir in der Beweispflicht“, so Plassmann. „Das ist sehr aufwendig.“ Was er noch kritisiert: Nach dem Willen der Bundesregierung müssen die Kassenärztlichen Vereinigungen sogenannte Terminservicestellen einrichten. Dort wird Patienten, die innerhalb von vier Wochen keinen Termin bei einem Facharzt bekommen, ein Alternativ-Termin vermittelt – ist das innerhalb weiterer vier Wochen nicht möglich, haben sie Anspruch auf eine ambulante Behandlung in einem Krankenhaus. „Das ist absurd. Einerseits müssen wir Servicestellen einrichten, weil es Probleme mit Wartezeiten bei bestimmten Fachärzten gibt – andererseits streicht man diese Facharztstellen“, sagte Dirk Heinrich, Vorsitzender der KVH-Vertreterversammlung.
Mit der Gesundheitsreform will die Bundesregierung eine bessere Verteilung von Ärzten erreichen. Gerade Großstädte gelten als überversorgt, während in ländlichen Regionen Ärzte fehlen. „Es ist ein Trugschluss, dass sich durch das Gesetz mehr Ärzte im Umland niederlassen“, kontert Plassmann. „Sie gehen eher in die Krankenhäuser.“ Die Gesundheitsbehörde widerspricht. „Die Aussagen und Folgerungen der KVH können wir nicht nachvollziehen.“