Die stark gestiegene Zahl minderjähriger unbegleiteter Flüchtlinge, im Behördendeutsch kurz „MuFl“ genannt, stellt die zuständigen sozialen Einrichtungen der Stadt vor massive Probleme.

Die drei Jungen drücken sich im Kellereingang zum Jugendhaus um den angerosteten Standaschenbecher. Der jüngste von ihnen ist vielleicht zwölf, die beiden älteren sind etwa 15 oder 16 Jahre alt. Sie tragen Trainingsanzüge, der Jüngere einen beigefarbenen Pullover aus Kunstfaser und Jeans. „Zigarette, Boss!“, sagt er und schnippt mit den Fingern.

Seine Augen sind dunkler als seine Hautfarbe, und als ich ihm nach kurzem Zögern eine halb volle Schachtel schenke, schaut er mich kurz an. Sein Blick drückt das Weltbild eines viel zu früh erwachsen gewordenen Kindes aus, das auf der Straße lebt: „Du hast, ich nicht, also gib!“ Ich werde nicht erfahren, was die Augen dieses Jungen schon alles gesehen haben.

Ich werde auch nicht erfahren, woher er kommt. Aus Ägypten? Aus Tunesien, Algerien oder Marokko? Vielleicht aus Eritrea oder Afghanistan? Oder aus dem aktuellen Kriegsgebiet in Syrien oder dem Nordirak? Denn „Zigarette, Boss!“ sind praktisch die beiden einzigen deutschen Wörter, die er kennt. So werde ich auch nicht erfahren, wie er und seine Kumpels nach Deutschland eingereist sind und wann. Wie alt sie wirklich sind. Ob ihre Familien in der Heimat leben, ob sie überhaupt noch leben oder sich vielleicht in Spanien oder Italien als miserabel bezahlte Landarbeiter, Autowäscher oder Müllsammler durchschlagen müssen.

Ob sie von ihren Familien hinaus in die Welt entsandt wurden, damit sie möglichst schnell möglichst viel Geld nach Hause schicken können, wo auch immer sich dieses Zuhause befindet. Vermutlich müssen auch noch die Schlepper bezahlt werden. Die Menschenhändler. Alles ist möglich, hinter jedem Flüchtlingsschicksal verbirgt sich wohl immer eine schreckliche Wahrheit.

Flüchtlinge sollen sich mit heimischen Jugendlichen treffen

Von drinnen ertönt das laute Klacken eines Kickers. Das Jugendhaus im Keller einer ehemaligen Tischlerei auf dem Gelände der Stiftung Alsterdorf, gleich neben der Kirche St. Nicolaus, besitzt drei Räume. Darin ein paar ausrangierte Sitzmöbel, Kickertische, ein Air-Hockey-Spiel, das Ganze in kaltes Neonlicht getaucht. Graffiti schmücken die Wände. Etwa ein Dutzend Jungen sind da, die sich kaum von den dreien vor der Tür unterscheiden. Bloß dass hier drinnen nicht geraucht werden darf. Dafür haben sie sichtlich Spaß am Kickern, sie feuern sich gegenseitig an.