Abriss, Klobürsten-Protest, Megafon-Ballett: Der Film über St. Paulis berühmtesten Mieterkampf ergreift Partei für die Bewohner der Esso-Häuser.
St. Pauli. Schon die Eingangssequenz beeindruckt: eine lange (Luft-)Fahrt auf die Esso-Häuser, als sie noch standen. Sie wurde nicht mit einem Kran, sondern mit einem Oktokopter gemacht, also einer Drohne, sagt Irene Bude. Mehr als zwei Jahre lang hat sie zusammen mit Steffen Jörg und Olaf Sobczak gefilmt, interviewt, vertont und geschnitten. Jetzt ist das Filmprojekt über die Esso-Häuser fertig und kinoreif.
Dabei integriert die 90-Minuten-Dokumentation sehr verschiedene Elemente. Zum einen hat das Filmteam, das schon „Empire St. Pauli“ stemmte, mehrere der Esso-Mieter liebevoll porträtiert. Sie sind quasi die Protagonisten, die immer wieder auftauchen.
Integriert sind aber auch historische Szenen aus der Entstehungszeit der Esso-Häuser, Interviews mit Architekten und Stadtplanern, Szenen von der dramatischen Evakuierung der Bewohner zehn Tage vor Weihnachten 2013 und von den vielfältigen Aktionen gegen den Abriss.
Ob Demonstrationen, Stadtteilversammlungen, Brushmobs, Klobürsten-Aktionen und Aufführungen des Megafon-Balletts - die Filmemacher waren immer dabei. In Animationen wird unter anderem das Finanzgeflecht der Bayerischen Hausbau (Schörghuber-Gruppe) verdeutlicht.
Schlusspunkt ist die Einweihung der Planbude am vorigen Wochenende. Danach wurde noch einmal ein letzter Schnitt gemacht. Die fertige Filmfassung unterscheidet sich deshalb auch vom ersten Rohschnitt, der auf der Dokumentarfilmwoche dokfilm im April gezeigt wurde, und von der vorläufigen Fassung „Hausbau auf St. Pauli – work in progress“ im Juli bei den Filmnächten am Millerntor.
Dabei stellt der Film wichtige Fragen. Waren Evakuierung und Abriss wirklich unvermeidbar? Bei einigen Mietern haben am Abend des 14. Dezember 2013 tatsächlich die Lampen gewackelt, bei anderen nicht. Eine Zeitlang habe er wirklich geglaubt, dass der Abriss noch verhindert werden könnte, sagt Steffen Jörg. „Aber das Gutachten nach der Evakuierung war eine Zäsur.“
Die Schicksale der Mieter und Gewerbetreibenden, die in Hast ihre Räume „abwickeln“ mussten, bewegte viele Menschen, weit über St. Pauli hinaus. Einer von ihnen, der 99-jährige Heinz Battré, ist im Juni gestorben.
Die Langzeit-Doku ergreift Partei - für die Mieter und eine soziale Stadtplanung. Sie macht deutlich: Kaputtbesitzen muss nicht noch belohnt werden. Der Fall Esso-Häuser steht exemplarisch für einen Verdrängungsprozess – aber St. Pauli stemmt sich mit viel Energie dagegen.
Nach der Premiere gibt es weitere Vorführungen unter anderem in Bramfeld und Langenhorn, außerdem in Berlin und Wien.