Eimsbüttels Bezirksamtsleiter Torsten Sevecke sagt im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss „Yagmur“ aus. Das bestehende Jugendhilfesystem sei sehr komplex. Es sei daher nicht möglich, es fehlerlos zu organisieren.
Hamburg. Seit gut sieben Monaten geht der Parlamentarische Untersuchungsausschuss (PUA) „Yagmur“ der Frage nach, wer die politische Verantwortung für den gewaltsamen Tod des dreieinhalbjährigen Mädchens trägt. Teil dieser Aufklärungsarbeit des Gremiums ist auch, zu klären, ob die Stadt die richtigen Konsequenzen gezogen hat. Die entsprechende Frage des PUA-Vorsitzenden André Trepoll (CDU) beantwortete Eimsbüttels Bezirksamtsleiter Torsten Sevecke (SPD) vergleichsweise offen. Es sei zwar besser geworden. Aber: „Wir haben das Ziel dieser Operation noch nicht erreicht. Noch immer gibt es Lücken an den Schnittstellen“, sagte Sevecke am frühen Dienstagabend im Reimarus-Saal der Patriotischen Gesellschaft. Das bestehende Jugendhilfesystem sei sehr komplex. Es sei daher nicht möglich, es fehlerlos zu organisieren. „Und ich meine nicht kleine Fehler, sondern die großen, die dazu geführt haben, dass das Kind getötet wurde.“
Die Zeugenaussage Seveckes war allein schon deshalb von großem Interesse, da in seinem Jugendamt die fatale Entscheidung getroffen wurde, das Mädchen, das seit seiner Geburt von einer Pflegemutter betreut worden war, wieder zu seinen Eltern zurückzuführen. Dort starb es am 18.Dezember an den Folgen eines Leberrisses. Yagmurs Mutter muss sich derzeit wegen des Vorwurfs des Mordes vor Gericht verantworten. Der Vater ist wegen Körperverletzung mit Todesfolge durch Unterlassen angeklagt. Er soll tatenlos zugesehen haben, wie seine Frau das Kind misshandelte.
Erneut stärkte Sevecke seiner Mitarbeiterin, die entschieden hatte, das Kind in seine leibliche Familie zurückzuführen, den Rücken. Sie habe nicht rechtswidrig gehandelt. Das ist insofern eine bemerkenswerte Aussage, als dass die Staatsanwaltschaft gegen die Jugendamtsmitarbeiterin ermittelt. Auf Nachfrage von CDU-Obmann Christoph de Vries räumte er aber ein, dass die Entscheidung fachlich falsch gewesen sei.
„Für Yagmur kommt diese Erkenntnis zu spät“
Als die Pflegemutter sich, wie sich später herausstellte, fälschlicherweise selbst bezichtigte, das Kind lebensgefährlich verletzt zu haben, leitete die Jugendamtsmitarbeiterin die Rückführung ein. Dennoch hatte Sevecke schon gleich zu Beginn klargemacht, dass er eine Alleinschuld ausschließt. „Eine Jugendamtsmitarbeiterin kann nicht die juristische Gesamtverantwortung tragen.“
Eltern, Staatsanwaltschaft, Polizei, Kitas, Kinderärzte und Krankenhäuser trügen ebenfalls Verantwortung für den Kinderschutz. Noch vor der Rückführungsentscheidung haben auch die übrigen Institutionen keine Konsequenzen aus den Verletzungen Yagmurs gezogen. „Wir, die staatlichen Stellen, haben nicht richtig zusammengearbeitet. Für Yagmur kommt diese Erkenntnis zu spät“, bedauerte Sevecke. Der Tod des Mädchens habe ihn „tief betroffen“ gemacht. „Ich habe diesen Fall auch als Vater erlebt.“
Finn Ole Ritter (FDP) sagte, er glaube, dass fehlende Stellenbesetzungen zu den fatalen Entscheidungen beigetragen hätten. Sevecke wiederholte seine Eingangsfeststellung: „Es hat seitens der fallführenden Fachkraft keine Belastungsanzeige gegeben.“ Zwar habe es vor zwei Jahren in einer Jugendamtsabteilung eine hohe personelle Fluktuation gegeben. Er räumte ein, dass sich das auch auf die Arbeitsfähigkeit auswirke. Diese sei aber nicht „gefährdet“ gewesen. Damit widersprach Sevecke der Aussage eines Leiters des Allgemeinen Sozialen Dienstes (ASD), der im Juni vor dem PUA davon sprach, dass der ASD wegen fehlenden Personals „nicht arbeitsfähig“ sei.