Hamburg gilt als Onlinedating-Hauptstadt Deutschlands. Vier von fünf Singles in unserer Stadt sind in einem Internet-Dating-Portal angemeldet.
Deutschlandweit gibt es gegenwärtig über 2500 Internetseiten, die sich auf die Partnersuche spezialisiert haben. Die jeweiligen Ausrichtungen reichen hierbei von klassischen Singlebörsen, mal kostenlos mal kostenpflichtig, bis hin zu reinen Seitensprung-Diensten. Hamburg gilt hierbei als Onlinedating-Hauptstadt Deutschlands.
Vier von fünf Singles in unserer Stadt sind in einem Internet-Dating-Portal angemeldet. Insgesamt kommen 176 Onlinedater der Hansestadt auf 1000 Einwohner, womit jeder sechste Hamburger im Internet nach der großen Liebe sucht – oder den kleinen Abenteuern. Dieser Onlinedating-Boom bleibt nicht ohne Folgen. Laut Untersuchungen der Branche hatte jede sechste Ehe, die 2013 in Deutschland geschlossen wurde, ihren Ursprung bei der Partnersuche im Internet.
Für die Zukunft erwarten knapp zwei Drittel der Bürger, dass sogar jede dritte Partnerschaft über Onlinedating-Netzwerke entstehen wird. Im Vergleich der Lebensphasen sind es vor allem Singles, die sich diese Entwicklung vorstellen können – wohl auch, weil sie bereits heute den meisten Kontakt mit den vielen verschiedenen Dating-Portalen haben.
Geschiedene Singles sind weitaus skeptischer als jene, die noch nie verheiratet waren
Dennoch gibt es innerhalb dieser Gruppe Unterschiede: So sind beispielsweise geschiedene Singles weitaus skeptischer als jene Alleinstehenden, die noch nie verheiratet waren. Darüber hinaus zeigen sich auch beim Einkommen und der Bildung unterschiedliche Sichtweisen: Besserverdienende und Höhergebildete sehen die Zukunft der Liebe eher im Internet als etwa Geringverdienende und Bürger mit einem formal niedrigen Bildungsabschluss.
Doch was sind die Gründe für die zunehmende Verlagerung der Kontaktaufnahme von offline zu online? Haben wir das Flirten im Café, in der Bar, im Fitnessstudio oder auf der Arbeit verlernt? Ist die Angst vor einer Ablehnung so groß, dass wir uns nicht trauen, den Blick von uns attraktiv und interessant erscheinender Menschen zu erhaschen, sie anzusprechen und sie von Angesicht zu Angesicht kennenzulernen?
Oder haben sich die Bedürfnisse und Ansprüche der Menschen bei der Partnerwahl verändert oder sind die Gesellschaft und der soziale Druck, der keinen Raum mehr lässt, um sich „im echten Leben“ zu treffen, dafür verantwortlich?
Auf der Suche nach dem „perfekten“ Partner wird meist schnell und oberflächlich ausselektiert
Sicher ist, auf Onlineportalen einen Partner auszuwählen erscheint auf den ersten Blick einfach und bequem. Die Vorauswahl kann unverbindlich und in Jogginghose vom eigenen Sofa aus passieren. Im nächsten Schritt kann man – je nach Vorliebe – den Kontakt langsam oder schnell aufbauen und jederzeit wieder beenden, ohne dem anderen dabei in die Augen sehen zu müssen. Auf den zweiten Blick jedoch offenbaren sich auch Schwächen.
So wird beispielsweise auf der Suche nach dem „perfekten“ Partner meist schnell und oberflächlich ausselektiert. Was zählt, ist der erste Eindruck, und wer den nicht hinterlässt, scheidet schnell aus. Aber selbst wenn ein potenzieller Kandidat gefunden scheint, geht die Suche nicht selten noch weiter. Ähnlich wie beim Onlineshopping erhofft man sich beim nächsten Klick ein noch besseres Angebot: Gibt es nicht doch jemanden, der noch humorvoller, noch attraktiver oder noch charmanter ist als der letzte Dating-Kandidat?
Das Onlinekennenlernen entspricht unserem Zeitgeist
Welche Entwicklung ich für die Zukunft erwarte? Das Onlinekennenlernen entspricht unserem Zeitgeist und erleichtert uns in schnelllebigen Zeiten vieles, sodass in einigen Jahren sogar deutlich mehr als ein Drittel aller Bekanntschaften im Internet entstehen werden. Aber auch zukünftig wird unser Gehirn eine Art Checkliste bei der Partnerwahl durchführen – einige Punkte sind hierbei bewusst, andere unbewusst.
Die offensichtlichen Aspekte wie Aussehen und Alter, Beruf und Bildungsgrad, Herkunft und Hobbys lassen sich zweifellos online anhand eines Filters auswählen oder schnell im ersten Chat klären. Die unbewussten Merkmale vom Kommunikationsverhalten über die Empathie und den Humor bis zum Geruch des potenziellen Partners fürs Leben lassen sich hingegen kaum virtuell erfahren.
Diese Merkmale sind jedoch mindestens ebenso wichtig für eine Partnerschaft wie die anderen, denn bekanntlich müssen wir den Partner fürs Leben gut riechen können. Und ob die Chemie letztendlich stimmt, wird auch in Zukunft nur das reale Leben zeigen.
An dieser Stelle schreibt jeden Montag Prof. Ulrich Reinhardt vom BAT-Stiftung für Zukunftsfragen