Schläger verletzen fünf minderjährige Flüchtlinge aus Afrika schwer – sie sollen zuvor regelmäßig Freier bestohlen haben. Polizei befürchtet weitere blutige Übergriffe.
St. Pauli. Sie waren den Herren des Rotlichtgewerbes in die Quere gekommen und mussten dafür bitter bezahlen. Bei einer mutmaßlichen Racheaktion sind am Wochenende in mindestens vier Fällen jugendliche Flüchtlinge auf dem Kiez zusammengeschlagen worden. Insgesamt wurden am Sonnabend- und am Sonntagmorgen fünf Flüchtlinge im Alter von 15 und 16 Jahren schwer verletzt. Die Täter kamen in Schlägertrupps, hatten Schlagstöcke dabei. Das Vergehen ihrer Opfer: Sie sollen in den vergangenen Wochen wiederholt Freier rund um die Reeperbahn bestohlen haben, als diese mit Prostituierten feilschten.
Indirekt hatten die Kiez-Bosse die Polizei bereits gewarnt: Unterbindet diese Machenschaften, sonst kümmern wir uns darum, hatte es geheißen, erfuhr das Abendblatt. Am Wochenende platzte den Zuhältern der Kragen, und sie schickten ihre Handlanger los. In konzertierten Aktionen nahmen sich die Schläger die Jugendlichen vor. Wie brutal die Männer dabei vorgingen, zeigt ein Fall vom Sonntagmorgen, als gegen 2.30Uhr mehrere Männer einen 15-Jährigen auf der Reeperbahn in die Zange nahmen.
Fünf Männer umringten den Jugendlichen, ein sechster schlug auf ihn ein, zunächst mit dem Schlagstock. Als der Junge bereits auf dem Boden lag, wurde er noch zusammengetreten. Polizeisprecher Andreas Schöpflin: „Der 15-Jährige erlitt diverse Verletzungen über den ganzen Körper verteilt. Lebensgefahr soll nach erster Einschätzung nicht bestehen.“
Einige minderjährige Flüchtlinge begehen zahlreiche Straftaten
Nicht besser erging es einem 15-Jährigen, der am Sonnabendmorgen kurz nach 3Uhr im Schutz der Sichtblenden der Herbertstraße von zwei Männern angegriffen mit Schlagstöcken und Fausthieben verletzt wurde. Er kam mit Platzwunden am Kopf und im Gesicht sowie einer Risswunde an der Lippe in ein Krankenhaus. Zeitgleich griffen fünf, laut Polizei „südländisch“ aussehende Männer zwei 16-Jährige auf der Reeperbahn an, schlugen und traten sie. „Einer der Jugendlichen wurde mit einem Schlagstock traktiert, bis er bewusstlos zu Boden ging“, sagte Polizeisprecher Schöpflin.
Passanten machten Polizisten dann am Sonnabendmorgen auf das fünfte bekannte Opfer der Racheaktion aufmerksam, das mit stark blutenden Kopfwunden nahe der Davidwache kauerte. Die Schläger hatten den Jugendlichen insbesondere im „Bereich des Mundes“ verletzt.
Die Sozialbehörde zeigte sich von den Übergriffen entsetzt: „Die Brutalität ist schockierend“, sagte Sprecher Marcel Schweitzer. Alle fünf Jugendlichen sollen bereits unter der Obhut des Kinder- und Jugendnotdienstes (KJND) stehen, erfuhr das Abendblatt, und in der Einrichtung für minderjährige unbegleitete Flüchtlinge an der Feuerbergstraße untergebracht sein, einer von neun Stellen in Hamburg. Mehrere der Opfer sind erst vor Kurzem in Hamburg gestrandet. Teils ist die Altersfeststellung, mit der offiziell geklärt wird, ob sie noch minderjährig sind, noch gar nicht abgeschlossen.
Die Zahl der minderjährigen Flüchtlinge, die ohne Erziehungsberechtigte in die Hansestadt kommen, steigt beständig. Wurden 2008 weniger als 20 aufgenommen, sollen es in diesem Jahr bereits fast 400 sein. Meist sind es 16 bis 17 Jahre alte Jungen, die sich allein aufmachen und eine Perspektive suchen. Mehr als 90 Prozent sind männlich. Die meisten stammen aus nordafrikanischen Staaten, Ägypten, Marokko und Algerien. Nicht wenige gelten als traumatisiert.
Allerdings gab es in den vergangenen Monaten immer wieder auch Fälle, in denen minderjährige Flüchtlinge straffällig wurden. Erst vergangene Woche schlugen zwei 15- und ein 13-Jähriger einen 43-Jährigen am Hauptbahnhof nieder, raubten sein Smartphone. Alle drei waren an der Feuerbergstraße untergebracht. Allein gegen eine Gruppe von neun Jugendlichen wurden in diesem Jahr bereits 120 Verfahren eingeleitet. Die Vorwürfe: Raub, Drogendelikte, Einbrüche, Diebstahl, gefährliche Körperverletzung und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte.
Auch die jetzt auf dem Kiez Angegriffenen sollen teils bereits einschlägig in Erscheinung getreten sein, erfuhr das Abendblatt. Einer der minderjährigen Flüchtlinge soll sogar erst vor einigen Tagen aus der Haft entlassen worden sein. Wie das Abendblatt aus Behördenkreisen erfuhr, sehen einige minderjährige Flüchtlinge keinen anderen Weg als die Beschaffungskriminalität, um Geld in ihre Heimatländer zu schicken oder ihre Schulden bei den Schleuserbanden auszulösen.
Nach den blutigen Angriffen befürchtet die Polizei weitere Übergriffe. Das LKA ermittelt wegen schwerer Körperverletzung. Hinweise an die Polizei unter Telefon 428656789.