Rassig, schnell – und dennoch bezahlbar. Mit diesen Vorgaben wollen drei begeisterte Segler ein völlig neues Schiff konstruieren. Das Internet und die Hanseboot sind ihre Plattform dazu.
Eine Toilette? Braucht ein solches Boot so was? Eimer, reicht doch! Stephan Boden war sich da sicher, nur nicht so viel Überflüssiges einbauen, wozu? Der 47-jährige Hamburger Werbefilmer und passionierte Segler saß da mit den beiden Yachtdesignern Alexander Vrolijk und Jan Kuhnert zusammen, um wieder einmal über ihr gemeinsames Projekt zu diskutieren: ein kleines schnelles Segelschiff selbst zu konstruieren, eine Art Volksboot, rassig und schnell, aber doch bezahlbar. Etwas, was es so noch nicht gibt. Radikal einfach und doch absolut seegängig. Was braucht man da eine Toilette? Doch, man braucht sie, widersprach Kuhnert den beiden anderen. Seine Freundin Bente würde sonst nicht mitkommen.
Bente wurde so zum Maßstab. „Was würde Bente sagen?“ Diese Frage stand immer im Raum, wenn die drei in den vergangenen Wochen über weitere Details debattierten. „Bente 24“, so heißt deshalb auch die Studie, mit der das ungewöhnliche Team von heute an auf der Hamburger Wassersportmesse Hanseboot vertreten ist.
Gut 80.000 Besucher werden nach Schätzung der Hamburg Messe in der kommenden Woche durch die Hallen am Fernsehturm schlendern. Segelyachten, Motorboote, Kanus und viel, viel Ausrüstung erwartet sie. Ein Klassiker der Wassersportszene. Teure Träume werden ausgestellt sein, millionenschwere Yachten, chromblitzende Motorrenner.
„Downsizing“ ist die Devise von Stephan Boden
Selbst Einsteigeryachten kosten mittlerweile schon um 80.000 Euro. Dabei stößt das Neumarktsegment auf einen riesigen Gebrauchtbootmarkt. Die Zahl der Wassersportler schrumpft, die der Segler sowieso, und die alte Generation gibt ihre Schiffe ab. In etwa 15 Jahren, so wird in der aufgeschreckten Branche geschätzt, könnte sich die Zahl der Yachteigner in Deutschland halbieren. Jüngere Menschen, so heißt es, chartern oder suchen sich andere Hobbys – zwar auch auf dem Wasser, nur eben anders: Kitesurfen, Wellenreiten oder so etwas.
Und der Traum vom Boot, wird der bald gar nicht mehr geträumt? Doch sagt Boden. Die Freiheit, selbst entscheiden zu können, wann und wo man segeln will, das werde kein Charterboot ersetzen können. Auch künftig werde es Menschen geben, die mit eigenem Boot raus wollen, das Meer erleben, die Auseinandersetzung mit der Natur. Und das mit einem Schiff, das man bis ins Kleinste kennt, seine Stärken und auch die Schwächen. So wie es bei früheren Booten einer anderen Seglergeneration auch schon war. Nur anders, einfacher, schneller, erschwinglicher: Das soll die „Bente 24“ werden.
Der bärtige Hamburger ist dabei selbst das Gesicht eines neuen Trends im Fahrtensegeln. „Downsizing“, heißt seine Devise: sich auf das Wesentliche beschränken, statt in teurer Technik zu versinken. „Kleiner segeln, größer leben“, so heißt der Untertitel seines Buches „Digger“, das er vor zwei Jahren geschrieben hatte. Dahinter steckt die Erkenntnis, dass es nicht auf die Größe des Bootes ankommt, wenn man viel Erleben und viel Freude dabei haben will. Mit Freundin und Hund Polly war er vier Monate auf der Ostsee unterwegs. Mit einem kleinen und sehr puristischem Segelboot, dessen Innenraum kaum größer als ein VW Golf ist. „Das reicht, mehr als Sitzen und Liegen mache ich zu Hause auch nicht“, sagt Boden, der zuvor auch auf größeren Yachten unterwegs war.
Boden schrieb einen Internetblog über diese Philosophie des einfachen Segelns. Seinem Blog „diggerhamburg. com“ folgen etliche Tausend Leser. Er ist unterwegs auf Wassersportmessen und bei Vereinen, um über seine Erlebnisse und Erfahrungen zu berichten.
Die „Bente 24“ ist mehr als ein Projekt einer Neukonstruktion
Und auf einer Messe war es auch, wo er Alexander Vrolijk kennenlernte. Der 29-jährige Hamburger ist Juniorchef des wohl bekanntesten deutschen Yachtkonstruktionsbüros Judel/Vrolijk und Co. Auf der Messe hatte Boden das Logo des Büros, das die ganz großen deutschen Yachten entworfen hat, aus Spaß ironisch verfremdet. In Anspielung auf sein kleines Boot und Hund Polly hatte er das Gegenlogo Rudel/Frolic entworfen. Die Vertreter einer großen Yachtwerft fanden das nicht lustig, Alexander Vrolijk selbst schon. Das war der Start zu „Bente 24“ .
Von Anfang an sollte sich dieses Projekt anders entwickeln als bei anderen Neukonstruktionen auf dem Markt. Ein bisschen erinnert der Beginn von „Bente 24“ daher an die Story des schwedischen Segelklassikers „Folkeboot“. In den 1940er-Jahren hatte es dazu einen Wettbewerb in Schweden unter Yachtkonstrukteuren gegeben, um für eine normale, vierköpfige Familie ein seetüchtiges, kleines und bezahlbares Boot zu entwickeln. Das Ergebnis ist das „Folkeboot“, das heute noch eine große Fangemeinde hat, als Neubau aber auch sehr teuer ist. Boden und die beiden Designer wählten aber nicht den Wettbewerb, sondern setzten von Anfang an aufs Internet. In seinem Blog, auf Facebook und der Seglerseite „segelreporter.de“ wird über die „Bente 24“ seitdem heftig diskutiert, teils auch Kritik geübt. „Segeln bedeutet Emotion, und das ganze Projekt wird sehr emotional diskutiert“, sagt Boden.
Die rege Beachtung der Öffentlichkeit trug aber auch dazu bei, dass sich Ausrüster wie etwa Segelmacher meldeten, um sich zu beteiligen. Und so kam dann auch der Kontakt zur Hochschule in Hannover zustande, Designstudenten beteiligten sich an der Weiterentwicklung des Projekts, das Boden mit der Folkeboot-Idee vergleicht. „Nur mit heutigen Materialien und dem heutigen Stand der Technik“, wie er sagt.
Acht Monate später stehen nun die Eckdaten fest, und die „Bente 24“ wird als 1:1-Volumenmodell auf der Hanseboot zu sehen sein: 7,55 Meter soll die kleine Yacht groß werden, das entspricht etwa 24 Fuß und der Länge des alten „Folkebootes“. Besonders viel Segelfläche wird die „Bente 24“ tragen können, um schnell zu sein.
Statt teurer Pantry soll es eine Kochkiste geben, mit der man unter Deck, aber auch draußen auf dem Steg kochen kann. Ausbauvarianten sind geplant, variable Tiefgänge. Aber noch ist das Boot nicht zu Ende gedacht: „Wir wollen Ideen sammeln“, sagen die drei. Mit den Messebesuchern wollen sie diskutieren, Vorschläge debattieren. Quasi die Schwarmintelligenz nutzen. Im Kopf haben sie jüngere Wassersportler, die vielleicht noch mit Kiteboard und VW-Bus unterwegs sind. „Wir wollen das Kiteboard bewohnbar machen“, sodass man auch als kleine Familie unterwegs sein kann, sagt Vrolijk. Noch gibt es keine Werft, die das Boot bauen wird – aber es gab viele Interessenten, die sich als Investoren beteiligen wollten. Doch die drei, die bisher alles noch aus eigener Tasche bezahlen, lehnten bisher ab. Dann wäre zu früh eine Profitmaximierung ins Spiel gebracht worden. Nein, dieses Match wollen sie selbst weitertreiben, alleine, bis es so perfekt ist, wie es sein soll: ein einfaches, günstiges, schnelles, puristisches Volksboot – aber mit Toilette.
Sonst würde Bente nicht mitkommen.
In der Halle B2 auf Stand 160 wird das Volumen-Modell der „Bente 24“ erstmals gezeigt. An einer Pinnwand ist auch die Entwicklungsgeschichte zu sehen: Von ersten Studien bis zu jüngeren schon sehr ins Detail reichenden Entwürfen und Berechnungen. Während der Messe soll es dort täglich um 16 Uhr eine offene Diskussionsrunde für jedermann geben.