Die Bootsbaubranche braucht neue Abnehmer – am besten jung und irgendwann kaufkräftig. Die Hanseboot zeigt daher nicht nur edle Yachten und Segler, sondern auch führerscheinfreie Boote bis 15 PS. Die Hoffnung: Wer einmal anfängt, bleibt auf dem Wasser.

Hamburg. Dirk Neuns Boot unterscheidet sich in einigen wesentlichen Merkmalen von der gegenüber aufgebockten Jacht mit dem Namen „Virtess 420 Fly“. Da wären: Es hat 725 PS weniger und keinen Aufkleber „European Powerboat of the Year“ auf dem Rumpf. Und niemand muss auf der Messe Hanseboot in Hamburg blaue Schutzhauben über die Schuhe ziehen, um es betreten zu dürfen. „Das braucht nicht viel Pflege“, erklärt Neun, der am Stand der Bootswerft Schritt arbeitet. Das Motorboot „Activ 430“ wird dort sehr direkt mit den Bannern „Führerscheinfrei bis 15 PS“ angepriesen. Die gegenüberliegende Luxus-Jacht der Werft Bavaria Yachtbau hat zwar mehr Kraft, mehr Luxus und auch mehr Eleganz zu bieten. Aber geht es nach den Bootsbauern könnte das mit dem Führerschein ein Vorteil sein.

Seit Oktober 2012 gilt für Freizeitkapitäne auf deutschen Gewässern die Führerscheinpflicht ab 15 PS – nicht mehr wie vorher ab 5 PS. Die Liberalisierung schlägt sich auf der Hanseboot nieder. Die glänzenden schwimmenden Paläste und mächtigen Segler sind dort zwar immer noch die Blickfänger, aber viele Hersteller stellen auch die Kleinen ins Schaufenster. Es geht um den Nachwuchs. „Wir haben mehr Leute, die mit dem Wassersport aufhören als Leute, die neu anfangen. Das ist das Problem“, erklärt der Geschäftsführer des Deutschen Boots- und Schiffbauer-Verbandes (DBSV), Claus-Ehlert Meyer. Die Entwicklung spüle viel zu viele Gebrauchtboote auf den Markt, was die Preise drücke. Die Führerscheinfreiheit bis 15 PS soll dem ein wenig entgegenwirken. „Es ist einfach mehr Fun“, erklärt Meyer den Effekt und Anreiz der stärkeren Motorisierung.

„Es hilft, Leute auf das Wasser zu bringen. Das Wassersport-Feeling kommt rüber. Früher, bei fünf PS, konnten sie manchmal auch paddeln“, sagt Sophie Hammermeister von der Hellwig Bootsmanufaktur. Sie bietet auf der Messe ein Komplettpakt an. Boot, Motor, Zulassung, Versicherung und Anhänger zum Transport für zusammen 9990 Euro. „Wir sehen die Entwicklung sehr positiv, da wir schon vorher diese Bootsgröße hergestellt haben“, sagt Hammermeister. Der Unterschied: Mit 15 PS lässt sich die „Hellwig Poros“ nun auch ohne Führerschein auf gut 35 Kilometer pro Stunde beschleunigen.

Nach Zahlen des Bundesverkehrsministeriums treiben mehr als sechs Millionen Menschen auf und in deutschen Gewässern Wassersport. Zumindest in der Hafenstadt Hamburg haben die nun aufgerüsteten Freizeitkapitäne noch keine Sorgen bereitet. „Bislang gibt es keine Probleme bei der Unfallhäufigkeit“, sagt Holger Möller von der Hamburger Wasserschutzpolizei am Rande der Messe.

Die 15-PS-Schau ist Teil des Versuchs der Wassersportbranche auf der Hanseboot den Blick etwas weg von den zeit- und oft auch geldaufwendigen großen Segeltörns zu wenden. Der Wirtschaftszweig hat seit 2008 schwere Zeiten erlebt, noch immer leidet der Export an der Krise der Mittelmeerstaaten. Daher werden in Hamburg auch die pflegeleichten „Daysailer“ für kurze Ausfahrten angepriesen. Und der Griff zum Werkzeug. Reparieren und Aufbessern steht wieder hoch im Kurs. „Dieses „Refit“ ist ein Riesenmarkt. Davon leben die meisten unserer Mitgliedsunternehmen und momentan leben sie davon auch sehr gut“, sagt DBSV-Geschäftsführer Meyer.

Wer die luxuriöse „Virtess 420 Fly“ mit den blauen Schutzhauben an den Schuhen betritt, sieht alles, nur keinen Reparaturbedarf. Glänzende Armaturen, aufwendige Elektronik. Angeboten auf der Messe für rund 574.000 Euro. Das Zielpublikum ist finanzkräftig. Ob es irgendwann auch mal mit 15 PS angefangen hat, bleibt offen.