Laut Uni-Kanzler Martin Hecht würde die Sanierung 15 Jahre dauern. Beton bröckelt von den Wänden, Wasserrohre sind undicht – das Abendblatt machte einen Rundgang durch die Hauptgebäude der Hochschule.
Hamburg. Erst neulich ist ihm ein Stück Beton auf den Tisch geknallt. Einfach aus der Decke gebrochen. Altersschwach zermürbt, zack, zerbröselt am Zahn der Zeit. Kann ja mal passieren bei einem Haus, das einige Jahrzehnte auf dem Buckel hat, dessen Rohre regelmäßig lecken und dessen Außenmauern seit Langem eine Gefahr für die Allgemeinheit darstellen.
Der Entomologe Kai Schütte kennt das schon. Die von ihm betreute Sammlung wertvoller Insekten ist alles, aber bestimmt nicht sicher. Weil die Balkone bröckeln, werden Besucher am Martin-Luther-King-Platz inzwischen mit einem Bauzaun vor dem maroden Gebäude des Zoologischen Instituts geschützt. Und innen sieht es nicht viel besser aus.
Vielleicht hat Hamburgs Uni-Präsident Dieter Lenzen an die Zoologie gedacht, als er kürzlich das Gleichnis von den „Ruinen, die sich Universität nennen“ bemühte. Denn wie viele Gebäude der Universität gibt sich auch der Gebäudekomplex nahe der Bundesstraße keine Mühe, seinen Substanzverlust zu verbergen. Es herrsche akuter Sanierungsstau, sagt Dieter Lenzen, 630 Millionen Euro, die geplanten und teilfinanzierten Neubauten am naturwissenschaftlichen Campus noch nicht eingerechnet. Rund um die Zoologie passiert nämlich etwas. Der sogenannte MIN-Campus wird großflächig mit schönen neuen Bauten geplant, mehr als 300 Millionen Euro werden investiert, sogar das Geomatikum, für viele der Inbegriff des Schreckens, wird saniert. Erst in dieser Woche wurde zudem verkündet, dass Hamburg wieder ein Naturkundliches Museum bekommen soll. Es wäre die Rettung für eine der bedeutenden zoologischen Sammlungen der Republik.
Ein paar Meter weiter dagegen, am Von-Melle-Park im Grindelviertel, dem Hauptcampus, ist noch nichts geplant. Martin Hecht, Kanzler der Universität, Vincent Orth, Sprecher des Allgemeinen Studierendenausschusses (AStA), und Michael Hinz, Leiter des Gebäudemanagements, arbeiten jedenfalls ein straffes Programm ab, um zu zeigen, wo die Schwachstellen liegen.
Trotz problematischer Raumsituation bleibt studieren in Hamburg beliebt
Zusammengefasst sei ein Großteil der Universitätsgebäude in einem baulich mangelhaften Zustand und entspreche nicht mehr den heutigen technischen, energetischen und brandschutztechnischen Anforderungen. „Ich gehe davon aus, dass 60 Prozent der Gebäude Sanierungsfälle sind“, sagt Michael Hinz. Er ist der Herr über 280.000 Quadratmeter universitäre Nutzfläche. Nur wenige Gebäude seien in den Vorjahren in den Genuss von Modernisierungen und Instandsetzungen gekommen. „Im Grunde müssten wir zehn bis 15 Jahre konsequent durchsanieren, um alle Gebäude wieder in einen ansprechenden Zustand zu versetzen“, sagt Kanzler Hecht.
Bestes Beispiel sei der Philosophenturm (VMP 6), mit 52 Meter das höchste Gebäude im Von-Melle-Park. Vieles wirkt provisorisch. Offene Decken, Baustellenschilder sperren den Bereich für die Öffentlichkeit. Der Brandschutz entspreche nicht den Standards. Nach und nach werden in jeder Etage bei laufendem Betrieb die Kabel gesichert. Bisher sei vieles nur Stückwerk.
Die Betriebserlaubnis für das Gebäude gilt nur noch bis 2016. „Im Jahr 2017 wäre eine Grundsanierung notwendig, Verhandlungen darüber laufen mit der Stadt“, sagt Martin Hecht. Dafür müssten die 14 Stockwerke des Hauses allerdings geräumt werden. Und wohin dann mit den nicht weniger werdenden Studierenden? „Die Seminare sind jetzt schon bessere Vorlesungen mit mehr als 80 Teilnehmern“, sagt Vincent Orth. Und es dürfte im Fall von Gebäudesperrungen nicht besser werden. Denn trotz der problematischen Raumsituation gab es an der Universität auch zum Wintersemester mehr als 50.000 Bewerbungen für knapp 5600 Plätze. Hamburg ist nach wie vor beliebt.
Die Dichtungen sind so verwittert, dass sie nicht mehr erneuert werden können
Kanzler Martin Hecht sieht die Uni dennoch in der Bringschuld gegenüber den Studierenden: „Wir befinden uns in einem Wettkampf mit anderen Universitäten. Dazu gehört auch, eine gewisse Aufenthaltsqualität zu bieten.“ Auf der Freifläche am Von-Melle-Park komme die zu kurz. Straßenbelag, Rasenflächen, Teich – einladend wirke hier wenig. „Zudem ist die Barrierefreiheit nicht gegeben. Es mangelt etwa an Leitlinien für Sehbehinderte“, sagt Hecht. AStA-Vertreter Vincent Orth: „Eine Universität ist mehr als Lehre, für Studenten ist sie auch Lebensraum, in dem sie sich wohlfühlen wollen.“
Im Gebäude VMP 5, dem Haus der Wirtschaftswissenschaften, auch Wiwi-Bunker genannt, zählt nur maximale Flächenausnutzung. Im Baujahr 1975 gehörte dazu auch, dass Seminarräume im Gebäudekern ohne Fenster auskommen können. „Wer hier den ganzen Tag lernt, sieht kein Tageslicht“, sagt Gebäudemanager Hinz. Auch hier baumeln Kabel von der Decke, überall wird geflickschustert. Gerade an der Westseite sind die Fenster undicht, der Wind pfeift hinein, hebt Deckenplatten an. Hecht: „Die Fassade muss dringend saniert werden, in die Architektur muss eingegriffen werden.“ Es soll das Beste aus dem Klotz geholt werden, denn ein Abriss ist wohl nicht möglich. Kosten allein hier: etwa 4,5 Millionen Euro.
Acht Fakultäten, 22 Fachbereiche, zwei Exzellenzcluster, zehn Sonderforschungsbereiche – nur eine Auswahl der Universitätsdimension. Und natürlich sei nicht alles schlecht, sagt Martin Hecht. Das Hauptgebäude an der Edmund-Siemers-Allee ist in einem guten Zustand, die Bibliothek Recht sei tadellos, und auch VMP 8, das Haus der Erziehungswissen, ist 2006 saniert worden. Ebenfalls nicht zu beanstanden sei der Sitz der Verwaltung im alten Milchstraßen-Verlagsgebäude, also der Arbeitsplatz von Uni-Präsident Dieter Lenzen. Aber das sei eine Mietoption der Uni mit befristeter Perspektive
Es sind Häuser wie VMP 11 der Psychologischen Fakultät, die Sorgen bereiten. Der Bau besticht durch den vielleicht dunkelsten Hörsaal der Uni, daneben, an der Grindelallee 48 (Mineralogie), dürfen die Toiletten im Erdgeschoss von Studierenden nicht benutzt werden. Im 1. Stock sieht es nicht viel besser aus. Die Farbe blättert von der Decke, die Wände sind feucht.
In den Büros sind die Rahmen der einfach verglasten Fenster verzogen. Manche lassen sich nur mit Mühe öffnen, andere schließen nicht richtig – und es regnet herein. Die Dichtungen sind so verwittert, dass sie nicht mehr erneuert werden können. „Zum Thema Fenster bekommen wir die meisten Beschwerden“, sagt Michael Hinz, Leiter des Gebäudemanagements. Seit der Erbauung sei so gut wie nichts passiert. Ein Problem, das auch die Sedanstraße 19 hat, wo die Theologie sitzt. Hier soll eine Bretterkonstruktion vor herabstürzenden Gebäudeteilen schützen.
Der Bauzustand der Universität sei durchaus ein Thema unter den Studierenden, sagt Vincent Orth. „Meistens betrifft es sie ja unmittelbar, wenn ein Seminarraum gesperrt und zugig ist.“ Dann werde gemotzt. Der AStA ruft ohnehin zu einem Protestherbst auf. Unterfinanzierung, abnehmende gesellschaftliche Funktion der Universität. Es laufe nicht gut. Derzeit.
Konkretes Problem in der Zoologie dagegen: die Wasserrohre in der Decke. Kai Schütte bezeichnet sie als „Zeitbombe“. Notdürftig wurde schon ein Schaden mit einer Platte verschraubt. Wenn ein Rohr platzt oder leckt, tropft es durch die Decke. Im Zweifel auf ein Ausstellungsstück des Zoologischen Museums. Die sogenannte Trockensammlung verfügt ohnehin über keine Abluftanlage und keinen Luftfilter. Das macht die Räume anfällig. Oder kurz, sagt Kai Schütte: eine unbefriedigende Sammelsituation.