Vor dem IT-Gipfel in der Hansestadt analysiert Putz&Partner-Chef Volker Rothenpieler die Stärken und Schwächen der Elbmetropole. Für die Veranstaltung am Dienstag hat sich Kanzlerin Merkel angekündigt.
Hamburg. Von Airbus über Otto, von Siemens bis zu Wincor Nixdorf, die Hamburger Unternehmensberatung Putz & Partner ist seit 1989 im Bereich IT, Managementberatung und Projektmanagement Ansprechpartner für zahlreiche Kunden aus der Wirtschaft. Mit 100 Mitarbeitern sorgt die seit Mai zur dänischen Rambøll-Gruppe gehörende Beratung dafür, dass Unternehmen mit der passenden Software arbeiten, über moderne Informationstechnologie jederzeit mit den Kunden kommunizieren können und gleichzeitig die Sicherheit der Daten gewährleistet ist. Volker Rothenpieler, geboren 1963, verantwortet die Beratungsthemen Vertrieb und IT-Management und ist Vorstandschef bei Putz & Partner. Das Abendblatt sprach mit dem studierten Informatiker über die Chancen und Risiken der digitalen Gesellschaft und die Herausforderungen der modernen Arbeitswelt.
Hamburger Abendblatt: Arbeiten Sie persönlich lieber mit Handy, Laptop und Tablet oder vermissen Sie die alten Zeiten, als die digitale Gesellschaft noch in weiter Ferne lag?
Volker Rothenpieler: Ich arbeite am liebsten mit dem Tablet. Die heutigen Endgeräte verbinden wie nie zuvor geschäftlichen Nutzen mit privater Leidenschaft. Die Digitalisierung ermöglicht es ab und an sogar, dass ein Traum wahr wird. So richtig kann ich es noch immer nicht fassen, dass ich zum Beispiel vor wenigen Tagen in einem Hotel in Kopenhagen mit Tablet, Kopfhörer und Streamingdienst mit einer Auswahl von 20 Millionen Titeln meine Lieblingsmusik in wunderbarer Klangqualität genießen konnte.
Viele Innovationen aus der digitalen Welt – wie das Tablet – entstehen in den USA. Google, Apple oder Facebook dominieren die moderne Wirtschaft. Ist Deutschland hier Entwicklungsland?
Rothenpieler: Aus Deutschland, beziehungsweise Europa, ist tatsächlich bisher kein großes globales Internetunternehmen hervorgegangen. Umgekehrt stammen viele Innovationen rund um die digitale Welt von kleinen Unternehmen – auch aus Deutschland. Die Digitalisierung aller Wirtschaftszweige verhilft uns, insbesondere in den Bereichen Industrie und Automobilwirtschaft, sogar zu einer führenden Position.
Wo steht Hamburg derzeit in Sachen IT , welche sind in der Hansestadt die großen Player?
Rothenpieler: IT als Wirtschaftszweig wächst, der Anteil an der Gesamtwirtschaftsleistung der Hansestadt ebenso. Die großen Player sind führende nationale und internationale Unternehmen wie zum Beispiel die Deutsche Telekom, SAP, IBM oder die QSC, aber auch große IT-Bereiche aus verschiedenen Branchen, wie der IT-Bereich von Otto. Technologisch führende Player gibt es zahlreiche – oftmals sind das mittelständische Unternehmen oder Startups, die in ihrer Nische Spezialkompetenzen haben.
Bei IT-Dienstleistungen sieht die Branche für sich München als führenden Standort, die Start-up-Firmen tendieren dazu, Berlin als Hauptstadt der Szene zu nennen. Wo muss Hamburg aufholen?
Rothenpieler: Die Attraktivität von Hamburg für die IT-Branche ist zugleich auch ein potenzieller Nachteil. Hamburg verfügt über starke alteingesessene Wirtschaftszweige, wie etwa die Hafenwirtschaft, den Handel oder die Medien. IT-Dienstleister sitzen in Hamburg nahe am Kunden, stehen aber auch oftmals im Schatten ihrer Auftraggeber. Hamburg hat keinen Dietmar Hopp (SAP-Gründer, d. Red.) oder Professor Scheer, der in Saarbrücken für exzellente Forschung und Entwicklung in Sachen IT steht. In Hamburgs Politik und Wirtschaft haben andere Branchen ein präsenteres Gesicht. Michael Otto, Michael Behrendt, Harald Vogelsang oder ein Michael Westhagemann sind sehr sichtbare Botschafter ihrer Unternehmen und Branchen. Dieses Gesicht fehlt der IT in Hamburg. Lehre und Forschung sind nicht besonders eng mit der Wirtschaft vernetzt. Schließlich sitzen viele Deutschland-Zentralen von internationalen IT-Unternehmen in München oder im Rhein-Main-Gebiet. Dieser Status quo prägt auch neue Standortentscheidungen eher zuungunsten von Hamburg.
Das könnte sich aber doch ändern?
Rothenpieler: Ja, Hamburg kann auf seinen Stärken aufbauen. Die Stadt ist eine attraktive und prosperierende Metropole mit internationaler Sichtbarkeit. Wir verfügen über eine breite Hochschullandschaft. Unsere Nachbarn in Skandinavien mit starken Volkswirtschaften bieten uns Wachstumspotenziale. Hamburgs anerkannte Stärke in solidem und nachhaltigem Wirtschaften ist ein guter Nährboden für Unternehmensansiedlungen. Wir können die immer wieder bei auswärtigen Entscheidern anzutreffende Wahrnehmung von Hamburg als konservatives Ökosystem rund um unsere Schlüsselbranchen weiterentwickeln: Hamburg ist ebenso eine IT-Hochburg, die in diesem Bereich wachsen will und wird.
Was muss explizit getan werden, um die Attraktivität Hamburgs für IT-Firmen zu steigern?
Rothenpieler: Die Anziehungskraft der Stadt weiter erhöhen. Denn am Ende ist es ganz wichtig, wo junge Talente leben wollen. Die Chance nutzen, die sich unserer Stadt mit der Besonderheit des Hafens bietet: eine international führende Position einzunehmen, mit IT eine langfristig lebenswerte Metropole zu gestalten – unter Einbeziehung der Verkehrsinfrastruktur und der Industrie. Das Stichwort ist Smart City: Mit digitaler Technologie verbessern wir Mobilität, Energieversorgung, Umweltschutz, Bürgerservice und Prozesse zwischen Unternehmen. Wir sollten uns die Bedeutung der IT für die zukünftige Entwicklung der Schlüsselwirtschaftszweige der Stadt vor Augen führen. Diejenigen Unternehmen, Verwaltungen und auch Metropolen, die Digitalisierung meistern, werden in Zukunft am besten den notwendigen Gleichklang von ökonomischer Stärke mit ökologischem Fortschritt erzielen.
Wie sind die Aussichten für die Branche allgemein?
Rothenpieler: Sehr gut. Digitale Technologie schreitet in allen Wirtschaftszweigen unaufhaltsam voran. Die Innovationen und Impulse für mehr Beschäftigung überwiegen absehbar die Effizienzgewinne, die die Branche auch für sich selbst erzielt. Die Wachstumsimpulse überwiegen ebenso den steigenden Teil der IT-Wertschöpfung, der nicht mehr in Deutschland erbracht wird.
Für die neuen Technologien brauchen wir eine passende Infrastruktur. Verpasst Deutschland beim Ausbau der Breitbandnetze den Anschluss?
Rothenpieler: Die Politik würde mit attraktiveren Investitionsbedingungen den Ausbau von Glasfasernetzen beschleunigen. Wir reden auch hier über die aktuelle Frage, wie viel Deutschland in Infrastruktur investieren sollte. Am Ende befürchte ich nicht, dass wir den Anschluss verpassen und wir auch in ländlichen Regionen Lösungen finden. Die Verfügbarkeit von Bandbreite spiegelt in Summe auch stets den Bedarf dessen wider, was Privatpersonen und Unternehmen benötigen und bereit sind zu zahlen. Unsere Beratungspraxis zeigt, dass sich unsere Kunden deutlich mehr Sorgen um die Verfügbarkeit von IT-Fachkräften als um die Bandbreite machen.
Wo sehen Sie persönlich die Risiken unserer vernetzten Welt?
Rothenpieler: Wir intensiven Nutzer der digitalen Geräte müssen zunächst auf uns selbst aufpassen. Uns so organisieren, dass unser Leben nicht zu „digital“ wird. Wir werden uns noch dazu um diejenigen kümmern müssen, die keinen Zugang zur digitalen Welt haben oder als junge Menschen in die digitale Welt hineinwachsen. Eine ganz große und neue gesellschaftliche Aufgabe erwartet uns da.