Architekten und Anwohner haben ein spektakuläres Konzept erdacht: In großer Höhe sollen ein gewaltiger Park, ein Amphi-Theater und Musikklubs entstehen. Die Chancen auf eine Realisierung stehen gut.

St. Pauli Ein terrassenförmig angelegter Park, der über eine begrünte Rampe zugänglich ist, mit einem Amphi-Theater, Gemeinschaftsgärten, Cafés, Spielgeräten und einer spektakulären Aussicht – der Feldstraßen-Bunker, das graue Wahrzeichen von St. Pauli, bekommt einen Stadtarten aufs Dach. Fast 20 Meter hoch wird der grüne Aufbau, der Hülle für ein ebenso spannendes Innenleben ist: einen großer Kultursaal, der vielfältig genutzt werden kann, mehrere Gästehäuser mit Unterkünften für Künstler, dazu Musikklubs, Ateliers und Proberäume.

Damit wollen die Planer das Nutzungskonzept des Bunkers, der zahlreiche Unternehmen aus der Musik- und Medienbranche sowie den Klub Uebel& Gefährlich beherbergt, aufgreifen und weiterentwickeln. Das utopisch wirkende Projekt hat durchaus Realisierungschancen. Die kreativen Köpfe dahinter – Bewohner des Stadtteils und Architekten – haben es mit Professor Thomas J.C. Matzen von der TU-Harburg entwickelt, dem Eigentümer des Bunkers, und es bereits bei den verantwortlichen Behörden vorgestellt. „Das Interesse seitens der Politik ist da“, so Architekt Tim Schierwater. „Es gibt keine Hindernisse, die der Genehmigungsfähigkeit im Wege stehen.“

Auch die Anwohner, die am Donnerstag auf einer Versammlung über das Projekt informiert wurden, sind begeistert. „Endlich müssen wir St. Paulianer mal nicht ,gegen etwas’ sein “, sagt Tobias Boeing, der sich seit acht Jahren mit den Themen Architektur, Kunst und Stadtnatur beschäftigt. Er gehört zu der Initiative Hilldegarden, zu der sich Interessierte aus St. Pauli zusammengeschlossen haben, um sich an den bisherigen Planungen des Stadtgartens auf dem Bunker zu beteiligen.

Auch bei der Weiterentwicklung der Grünanlage und der Nutzung der Innenräume sind Ideen aus dem Stadtteil gefragt. „Unser Ansatz ist es, den Anwohnern nicht eine fertige Planung zu präsentieren, sondern gemeinsam die bisher ungeplanten Flächen unserer Vision von einer neuartigen Stadtstruktur zu füllen“, sagt er. Deshalb wird demnächst als Treffpunkt und Anlaufstelle vor dem Bunker ein Planungscontainer aufgestellt. Außerdem wird es während des gesamten Projektverlaufs regelmäßig Informations-Veranstaltungen geben.

Auch in der Bezirkspolitik findet der 5800 Quadratmeter große Stadtpark auf dem Bunkerdach Zustimmung. „Es ist ein wirklich spannendes Projekt und greift den Wunsch der Bürger nach mehr Grünflächen im Stadtteil auf intelligente Weise auf“, sagt Michael Osterburg, Stadtentwicklungsexperte der Grünen im Bezirk Mitte. Die geforderte Urban-Gardening-Fläche war bei der Realisierung der Rindermarkthalle gleich nebenan wegen zu hoher Kosten auf der Strecke geblieben.

Garten beginnt neben U-Bahn-Station

Der geplante Stadtgarten soll bereits unten an der Straße, neben dem Eingang zur U-Bahnstation Feldstraße, beginnen. In Form einer sechs Meter breiten, etwa 300 Meter langen Rampe führt er dann an den dicken Mauern entlang nach oben. Allein dieses Park-Band hat eine Grundfläche von rund 2000 Quadratmetern. Gehalten wird die Konstruktion wird von Kragarmen, die im Beton verankert sind. „Wir haben die Rampe bewusst filigran gehalten, um die Ansicht des denkmalgeschützten Bunker möglichst wenig zu verändern“, sagt Architekt Schierwater. Dennoch muss sie extrem stabil sein und eine schwere Last tragen können. Dort wird Erdreich aufgeschüttet, außerdem kommt das Gewicht von Pflanzen und Menschen hinzu.

Für die Statik der Rampe ist das Stuttgarter Büro Schlaich Bergermann und Partner verantwortlich, dessen Ingenieure als Spezialisten im Brückenbau gelten und 1972 das Dach des Olympiastadions in München entwickelten. Den etwas zurückspringenden Aufbau, der den alten Flak-Bunker von 40 auf 59 Meter erhöht, wird ein Hamburger Büro konstruieren. Seine bewachsene Fassade lassen ihn aus der Ferne als grünen Berg erscheinen. „Auch im Winter, denn es werden vorwiegend immergrüne Gewächse gepflanzt“, so Tobias Boeing. Auf dem sogenannten Kragen am Bunkerrand entsteht eine 1800 Quadratmeter große Fläche, die von den Anwohnern und den Schulen aus dem Stadtteil für Urban Gardening und Urban Farming genutzt werden kann – das gilt auch für den 1400 Quadratmeter großen Dachgarten ganz oben, der eine hügelige Topografie erhalten soll.

Finanziert werden soll das Projekt, dessen Kosten erst mit Ende der Planungsphase Anfang 2015 feststehen werden, durch die Vermietung der Innenräume. Bunker-Besitzer Matzen betont, dass sich Image und Konzept des Musik- und Medienbunkers nicht ändern werden „Geplant ist eine Finanzierung im Gleichgewicht aus Wirtschaftlichkeit und kulturellem Anspruch. Für dieses Gleichgewicht sowie für die Schaffung und den Unterhalt des St. Pauli Stadtgartens stehe ich ein.“

Amphitheater vorgesehen

Auf einem der vier ehemaligen Flaktürme ist ein Amphitheater vorgesehen, das dem Stadtteil für kulturelle Veranstaltungen zur Verfügung steht. Auf zwei weiteren Türmen ziehen Musikklubs mit Probebühnen und Übungsräumen ein. Und auf dem vierten Turm soll das Foyer entstehen, durch den die Gästehäuser erreicht werden können. „Hier sollen Künstler für die Zeit ihres Engagements in Hamburg unterkommen“, sagt Tim Schierwater. Das Thalia-Theater, verschiedene Musikveranstalter und der Kunstverein hätten bereits Interesse bekundet. Rund 100 Gästezimmer sind vorgesehen, die bei Verfügbarkeit auch von externen Besuchern gebucht werden können.

Herzstück im Inneren des Parkaufbaus soll ein vielfältig nutzbarer, etwa 1100 Quadratmeter großer Kultursaal werden, der für Kinovorführungen, Kunstausstellungen, Theaterprojekte, Stadtteilveranstaltungen oder Konzerte vermietet werden soll. „Die genaue Kapazität loten wir noch mit den Kultur- und Musikveranstaltern aus“, sagt Schierwater. Als Nutzer kämen Externe ebenso infrage wie auch die bereits im Gebäude ansässigen Einrichtungen. Über dem Kultursaal soll ein etwa 500 Quadratmeter großes Film- und Fotostudio entstehen, das ebenfalls gemietet werden kann, drum herum Nebenräume, die als Produktionsateliers oder Musikstudios genutzt werden können. Auf der dritten Ebene schließlich sind Ateliers für Bildende Künstler geplant. Erschlossen werden alle Ebenen über Fahrstühle. Über diese gelangen auch Besucher, die nicht die Rampe hinauf spazieren wollen, in den Stadtgarten.