Das Hamburger Unternehmen „KommtEssen“ liefert alle Zutaten für Gerichte zum Selberkochen bundesweit nach Hause. Trendforscher sieht im „Cook -it-yourself“ eine Branche mit Zukunft.

Hamburg Wer isst nicht gerne abwechslungsreich, frisch, gesund und gut? Wohl fast jeder. Doch mal ehrlich: Wer hat neben dem Beruf noch die Energie und Ideen, sich, seine Familie, Kinder oder Freunde jeden Tag mit immer neuen Gerichten zu bekochen? Mal Fremdes auszuprobieren, ohne großen Zeitaufwand und lästiges Einkaufen. Seine Lieben mit Gerichten wie indischer Garnelenpfanne, italienischer Pilzlasagne oder Wildlachs mit Apfelcreme zu verwöhnen, statt Tiefkühlkost, Fast Food oder Altbekanntes aufzutischen. Hört sich kompliziert an? Vielleicht. Muss es in der Praxis aber nicht sein.

Neben den vielen Bringdiensten für Fertiggerichte wie Pizza oder Sushi entsteht derzeit ein neuer Liefermarkt für Gerichte zum Selberkochen. Zu den Vorreitern dieser „Cook-it-yourself"-Branche zählt das Hamburger Unternehmen KommtEssen. In umweltfreundlichen Papiertüten bringen sie neue Rezepte inklusive alle dafür erforderlichen Lebensmittel zum Selberkochen direkt ins Haus. „Wir gehen praktisch für unsere Kunden einkaufen und liefern ihnen sämtliche Zutaten für drei bis fünf Mahlzeiten inklusive Rezepten Anfang der Woche nach Hause", beschreibt Lisa Rentrop, Geschäftsführerin und Mitinhaberin des Hamburger Unternehmens KommtEssen ihr Servicekonzept. In dieser Woche stecken unter anderem ein Kürbis, Karotten, Ingwer, Basilikum, Kokosmilch, Mango, frischer Seelachs und Hähnchenschenkelfilet in der Tüte.

„Jedes Jahr entwickeln wir 250 verschiedene Rezepte für Mahlzeiten, die zuvor alle in einer Testküche ausprobiert werden." Das Vorteilhafte für jene, die wenig freie Zeit haben: „Für alle Gerichte reicht eine gute halbe Stunde, um sie zu kochen." Die Zubereitung wird kinderleicht Schritt für Schritt erklärt, selbst was in den Kühlschrank muss ist markiert. „Jetzt kocht sogar mein Mann, der früher den Herd gemieden hat, täglich und gerne für unsere Familie - und zwar mit viel Freude", erzählt die 43-Jährige schmunzelnd. „Unser Service spart eben nicht nur Berufstätigen, Müttern oder Hausfrauen viel Zeit, sondern bringt auch Kochmuffel in die Küche."

Ursprünglich kommt die Idee aus Schweden. Kicki Theander, dreifache Mutter und Freundin von Lisa Rentrop, entwickelte 2007 als wohl Erste das Konzept unter dem Namen Middagsfrid - auf deutsch: Essensfriede. Schon der Name war Programm. „Ohne Einkaufsstress können Familien mit dem Lieferservice nun ihre gemeinsamen Mahlzeiten wieder mehr genießen." Lisa Rentrop, selbst diplomierte Umweltchemikerin, Unternehmensberaterin und Mutter zweier Kinder, fand das Konzept so überzeugend, dass sie vor vier Jahren ihre Festanstellung in einem Hamburger Verlag an den Nagel hängte und für Middagsfrid das deutsche Tochterunternehmen KommtEssen aufbaute. „Es war die beste Entscheidung in meinem Leben. Erstmals mache ich etwas Sinnvolles für die Welt."

Etwas Sinnvolles, führt Rentrop aus, weil in ihren Essenstüten für die Kunden eben nicht irgendetwas, sondern vor allem frische Produkte aus der Region landen. „Zu großen Teilen stammt das Gemüse aus biologischem Anbau. Von Bauern aus der Umgebung." Bei der Auswahl der Fische hält sie sich beim Einkauf streng an die Empfehlungen des WWF und kauft gerne bei Gottfried Friedrichs, wo auch Hamburgs Starköchin Cornelia Poletto ihren Wildlachs bezieht. Auch Klimaschutz sei groß geschrieben. So bestehen die Liefertüten aus Papier. Um Kohlendioxid (CO2) gering zu halten steht seltener Rinderfleisch, dafür umso mehr Gemüse auf dem Speiseplan. Die Kunden können wählen, wie viele Mahlzeiten sie pro Woche erhalten möchten und für wie viele Personen. „Es gibt sogar Kochboxen für Kinder mit Rezepten, die auch Erwachsenen schmecken." Bald kommt noch eine Box für Flexitarier hinzu, also für Menschen, die sich vornehmlich Vegetarisch ernähren.

Ihre Kunden sind vor allem „hart arbeitende Familien", in denen Vater und Mutter berufstätig sind. Oder Familien mit Au-Pair-Mädchen, die sicher gehen wollen, dass ihre Kinder etwas Gutes zu Essen bekommen, sagt Rentrop. „Entlastung bringt es vor allem für Mütter, die heute wie früher immer noch am häufigsten in der Küche stehen." Aber auch Paare oder Senioren, die sich und ihre Partner gerne mit neuen Gerichten Zuhause verwöhnen wollen. Die Gerichte kosten je Mahlzeit und Teller zwischen rund vier und sechs Euro.

Die Tüten werden bundesweit derzeit an vier Standorten gefüllt - in Hamburg, Berlin, München und Köln - und jeden Montagabend zwischen 17 und 22 Uhr an die Kunden per Kühlauto ausgeliefert. Wer nicht in den Einzugsgebieten wohnt, erhält sie per Kurierpaket. In einem Hinterhof in Altona-Nord schmeißt Rentrop mit drei Mitarbeiterinnen den Laden, bestellt die Waren für die Rezepte. In Hamburg werden die Tüten in einem Kühlhaus in Allermöhe bestückt. Falls Reste übrig bleiben, gehen diese an die „Bergedorfer Tafel" - und damit an Bedürftige. „Bei uns wird nichts weggeworfen", unterstreicht die gebürtige Schwedin. Dies sei auch ein großer Vorzug des KommtEssen-Konzepts. „Wir liefern die Lebensmittel genau in der Menge, wie sie den Rezepten entsprechen. Wenn alle Gerichte gekocht sind, sind auch alle Zutaten verbraucht." Dies sei auch ein Vorteil gegenüber dem gewöhnlichen Einkaufen im Supermarkt. „Meistens geht man hungrig in den Laden und kauft zu viel ein, was Tage später im Mülleimer landet."

Neben Deutschland ist die schwedische Muttergesellschaft mittlerweile auch in Norwegen, Dänemark, Belgien und der Schweiz aktiv und hat seither rund zehn Millionen Mahlzeiten geliefert. Genaue Umsatz- und Kundenzahlen will Rentrop nicht nennen. Das Geschäft laufe aber seit dem ersten Tag gewinnbringend. „Wir sehen uns als Familienunternehmen, das beständig und aus sich heraus wächst. Es ist wie mein drittes Kind." In Deutschland beliefere Kommt Essen bislang eine vierstellige Kundenzahl, also mehrere Tausend.

KommtEssen agiert im deutschen Markt jedoch nicht mehr allein. Der große Konkurrent HelloFresh erobert seit 2011 von Berlin aus den Markt mit einem ähnlichem Konzept - und zwar international und mit Millionen Investorenkapital im Rücken. Der Lieferservice - zu deren Investoren auch die Samwer-Brüder Oliver, Marc und Alexander zählen, die dafür bekannt sind, erfolgsversprechende Internetkonzepte in eigener Regie neu aufzuziehen – ist mittlerweile in den Niederlanden, Großbritannien, den USA und Australien aktiv und liefert jeden Monat eine Million Mahlzeiten aus. Das Unternehmen beschäftigt 120 Mitarbeiter. „Derzeit sind wir in unserem Segment in Deutschland bereits ganz klarer Marktführer", sagt Thomas W.Griesel, Geschäftsführer von HelloFresh Global. Zu Umsätzen schweigt auch er. Für weiteres Wachstum in Deutschland sieht HelloFresh jedoch keine Grenzen. „Wir sind überzeugt, dass wir derzeit erst ganz am Anfang der Entwicklung dieser innovativen Art des Lebensmittelhandels in Deutschland stehen. Wir sehen riesigen Bedarf von Seiten unserer Kunden, den Themen Kochen und qualitativ hochwertiger Ernährung wieder deutlich mehr Stellenwert im Alltag einzuräumen." Griesel erwartet, dass in den nächsten Jahren, „ähnlich wie in anderen europäischen Ländern ein deutlich einstelliger Prozentsatz der deutschen Haushalte aktiv Kunde bei einem Konzept wie HelloFresh ist".

Auch das Kochhaus, das konsequent auf das Thema Selber-Kochen setzt und in seinen Läden Lebensmittel proportioniert nach Rezepten verkauft, bietet seine Waren mittlerweile im Lieferservice an. In Hamburg ist dieses „begehbare Kochbuch" in Ottensen, Eimsbüttel und Alstertal mit einer Filiale vertreten. Der Vorteil: Hier können alle Rezepte und Zutaten noch bis zum Nachmittag bestellt und noch am gleichen Tag zwischen 18 bis 20 Uhr ausgeliefert werden. „Für uns ist das bisher noch ein Zusatzservice. Die meisten unserer Kunden kommen immer noch direkt in unsere Läden zum Einkaufen, weil sie sich von der Optik und dem Geruch inspirieren lassen wollen", sagt Sissy Voigt vom Kochhaus.

Für den Hamburger Trendforscher Peter Wippermann sind die Cook-it-yourself-Dienste eine Branche mit Zukunft. „Die Ideen setzen einen typischen Gegentrend zu den wachsenden Lieferdiensten für Fast Food und Fertiggerichte." In dem schnelllebigen Alltag, in dem sich Menschen immer weniger Zeit für das gemeinsame Mittagessen nehmen, werde Kochen als kulturelle Haltung wiederentdeckt. Eine neue „Foodie-Bewegung" entstehe. „Gute Ernährung und Gesundheit werden wieder wichtiger. Man möchte wissen, welche Zutaten für die Speisen verwendet werden, wo sie herkommen und wo sie angebaut wurden. Das verschafft Ruhe, Sicherheit und ein gutes Gefühl", sagt Wippermann. Lieferkonzepte wie KommtEssen, HelloFresh oder das Kochhaus seien für diesen neuen Trend wiederum genau das passenden Convenience-Angebote - die alle Zutaten bequem anliefern. Und Wippermann ist überzeugt, dass der Trend beste Marktchancen hat. „Noch führen diese Lieferdienste ein Nischendasein, doch ihre Bedeutung wird zunehmen."