Die Zahl der Wohnungseinbrüche steigt deutlich, die Aufklärungsquote sinkt. Nun sollen mehr als 100 Beamte gegen Serientäter vorgehen. Auch das mobile Einsatzkommando soll verstärkt eingesetzt werden.

Hamburg. Hamburgs Polizeipräsident Ralf Martin Meyer geht im Kampf gegen Wohnungseinbrecher in die Offensive: Eine neue Spezialeinheit mit mehr als 100 Polizisten soll Einbrüche verhindern. Anlass ist der Beginn der dunklen Jahreszeit, in der die Täter – im Schutz der früh einsetzenden Dämmerung – regelmäßig besonders aktiv sind. Gleichzeitig zeigt eine interne Polizeistatistik, die dem Abendblatt vorliegt, eine dramatische Entwicklung: Demnach ist die Zahl der Wohnungseinbrüche zwischen Januar und September 2014 gegenüber dem Vorjahreszeitraum noch einmal kräftig gestiegen.

Verglichen mit den Monaten Januar bis September 2013 nahm die Zahl der Wohnungseinbrüche um 829 auf 5515 zu – das sind 17,7 Prozent mehr. Im Fünfjahresvergleich wurden nur von Januar bis September 2010 mit 5375 Anzeigen annähernd so viele Fälle erfasst. Gleichzeitig sank die ohnehin miserable Aufklärungsquote in diesem Jahr bis Ende September auf 7,6 Prozent (2013: 8,1).

Für den enormen Anstieg haben besonders die hohen Fallzahlen in den ersten vier Monaten des Jahres gesorgt – so lagen allein im März die Einbruchszahlen 38 Prozent über Vorjahresniveau. „Eine Ursache dafür dürfte gewesen sein, dass es früher als üblich wärmer wurde und die Leute entsprechend früher ihre Wohnungen verlassen haben“, sagt Meyer. Förmlich explodiert ist auch die Zahl der Tageswohnungseinbrüche: Sie stieg zwischen Januar und September um 508 Fälle oder fast 26 Prozent. Ein Lichtblick: In fast 43 Prozent aller Einbrüche blieb es beim Versuch. Dass die Täter seit Jahren immer häufiger scheitern, führt die Polizei auf den Einbau besserer Sicherheitssysteme, eine höhere Wachsamkeit der Nachbarn und eine Sensibilisierung der Öffentlichkeit zurück.

Die neue Strategie basiert auf einen „täterorientierten Ansatz“

Dennoch: Gerhard Kirsch, Chef der Gewerkschaft der Polizei (GdP) in Hamburg, spricht von einem „katastrophalen Trend“: Allein im ersten Halbjahr 2014 gab es 30 Prozent mehr Taten als im Vorjahr, bis Juni verzeichnete die Polizei Monat für Monat mehr Einbrüche als 2013. Doch dann kehrte sich der Trend komplett um. So verzeichnete die Polizei etwa im September 2014 sogar fast 20 Prozent weniger Taten als im September 2013. Ob der Rückgang mit den während der „Frühjahrs-Offensive“ eingeleiteten polizeilichen Maßnahmen zusammenhängt, könne er kaum seriös belegen, sagt Meyer. In dieser ersten Phase seit Anfang April konstituierte sich unter anderem die Soko „Einbrecher“, und es konnte durch eine Operation mit rund 60 Zivilfahndern eine in Alsternähe tätige Bande verscheucht werden. Zudem gab es drei Schwerpunkteinsätze gegen schweren Diebstahl. 43 Wohnungseinbrecher wurden festgenommen.

Weil die Täter jedoch überwiegend von wachsamen Anwohnern gemeldet und nicht auf frischer Tat von den Beamten ertappt worden seien, habe die Polizei ihre Strategie im Herbst angepasst: Statt die Präsenz in den Stadtteilen zu verstärken, verfolge man nun einen „täterorientierten Ansatz“.

Das bedeutet: Die Polizei nimmt sich 80 Kriminelle vor, die sie aus früheren Verfahren kennt. Jede der acht Hamburger Polizeiregionen arbeitet ihre „Täter-Top-Ten“ ab. Die Maßnahmen reichen von sogenannten Gefährderansprachen, bei denen Beamte mit den Serientätern reden, bis hin zu Observationen. Vorläufig bis Ende des Jahres kümmern sich mehr als 100 Polizisten fast ausschließlich um Einbrecher und Einbruchsdelikte. Es sind Beamte von zwei Einsatzzügen der Bereitschaftspolizei, Zivilfahnder und Angehörige der Elite-Einheit Mobiles Einsatzkommando (MEK). Diese „Task Force“ ist im gesamten Stadtgebiet flexibel einsetzbar und wird vom LKA und der Polizeidirektion koordiniert. Grundsätzlich „positiv und logisch“ findet GdP-Chef Kirsch das Konzept. Ohne jeden Zweifel müsse das Deliktsfeld Einbruch Priorität haben. „Es ist nur die Frage, wie lange die Polizei so einen Schwerpunkteinsatz personell durchhält“, sagt Kirsch.

Fast 7000 Taten waren der Hamburger Polizei 2013 gemeldet worden, in 18 Stadtteilen konnte nicht eine einzige Tat aufgeklärt werden, bundesweit wird nur in Bremen noch häufiger eingebrochen als in Hamburg. „Die Ängste der Bürger nimmt die Polizei sehr ernst“, sagt Meyer, der die Bekämpfung der Einbruchskriminalität zum Prüfstein seiner Arbeit gemacht hat.

„Woran ich mich gern messen lasse, ist, dass spürbar mehr Fälle aufgeklärt werden“, sagte Meyer Ende August im Abendblatt und betonte: „Man muss einen langen Atem haben und nicht auf kurzfristige Erfolge setzen. Trotzdem denke ich, dass bis zum Jahresende eine Steigerung der Einbruchsaufklärungen zu erkennen sein muss.“

Betrachtet man nur die absoluten Zahlen, könnte die Polizei schon auf einem richtigen Weg sein. 418 Fälle wurden bis Oktober aufgeklärt (2013: 381). Gemessen an den gestiegenen Einbruchszahlen ist der Anteil der gelösten Fälle gegenüber 2013 jedoch noch einmal gesunken (um 0,5 Prozentpunkte auf 7,6 Prozent). In anderen Ballungsgebieten sieht es allerdings nicht viel besser aus. Bundesweit liegt die Aufklärungsquote immerhin bei 15,5 Prozent. Anonymität, fehlende Täter-Opfer-Kontakte, reisende Einbrecherbanden – dies alles sind Faktoren, die Großstädte wie Hamburg für Wohnungseinbrecher zu einem attraktiven Ziel machen.

Auch im Blankeneser Treppenviertel geht die Angst um

Die Einbrüche erreichen inzwischen auch Quartiere, die sich vor nicht allzu langer Zeit auf einer „Insel der Glückseligen“ wähnten. Wie das Treppenviertel in Blankenese. Seit Monaten gehe die Angst um, sagt Heiner Fosseck vom Bürgerverein Blankenese. Allein bei einem älteren Ehepaar an der Hans-Lange-Straße sei dreimal eingebrochen worden, die Täter erbeuteten Schmuck und Geld. Auch ein hochbetagtes Schauspielerehepaar lebe seit einem Einbruch in Angst. Immerhin: Einem bekannten Blankeneser Kapitän sei es einmal gelungen, einen Einbrecher zu verjagen. Ihn überrasche, dass die Täter es auf das Treppenviertel absehen, zumal hier doch „gar nicht so viel zu holen“ und das Entdeckungsrisiko durch die enge Bebauung viel höher sei als im Blankeneser Oberland mit seinen „festungsgleichen Villen“. Doch inzwischen rüsteten auch die Bewohner des Treppenviertels auf, „mit einbruchhemmenden Türen und besseren Schlössern an den Fenstern“, sagt Fosseck.

Für die CDU kommen die Maßnahmen zu spät, gerade mit Blick auf die Aufklärungsquote, die bis Ende Juni sogar nur bei 6,4 Prozent lag, wie aus der Senatsantwort auf eine Anfrage des CDU-Bürgerschaftsabgeordneten Christoph de Vries hervorgeht. Der Politiker: „Fakt ist, dass der Negativtrend bei der Einbruchsbekämpfung trotz der Offensive der Polizei auch in diesem Jahr bislang nicht gestoppt werden konnte. Wir hoffen, dass die verstärkten polizeilichen Maßnahmen bis zum Jahresende erkennbar Früchte tragen.“

Die Hamburger Polizei bittet alle Hamburger, die Verdächtiges beobachten, sofort 110 anzurufen.