Auf dem Gründungsparteitag der Neuen Liberalen in Wilhelmsburg wurden die früheren FDP-Politker Sylvia Canel und Najib Karim für zwei Jahre an die Spitze der Partei gewählt.
Wilhelmsburg. Sylvia Canel nennt den Gründungsparteitag der Neuen Liberalen am Sonntag in Hamburg „eine historische Stunde“. „Endlich sind wir da angekommen, wo wir hinwollten“, sagt die 56-jährige Lehrerin. Erst vor Kurzem war die ehemalige FDP-Landeschefin aus der Partei ausgetreten – vordergründig aus Enttäuschung über die Entwicklung der – wie sie es sieht – Ideale der Liberalen. Und sie scheint mit ihrem Willen nach Aufbruch vielen der aus ganz Deutschland angereisten Zuhörer im Bürgerhaus Wilhelmsburg aus der Seele zu sprechen: „Hier ist so viel Druck auf dem Kessel, dass wir es wirklich schaffen können“, sagt Canel. Sie und Hamburgs Ex-FDP-Vize Najib Karim wurden für die nächsten zwei Jahre zur Doppelspitze der Neuen Liberalen gewählt.
150 der 250 eingetragenen Mitglieder waren in die Hansestadt gekommen. Sie alle eint das Ziel, den sozialen Liberalismus wiederzubeleben. Die aus der hanseatischen FDP hervorgegangene Gruppierung sieht sich „nicht als Abspaltung“ der bundesweit am Boden liegenden Liberalen, wie es Initiator Karim betont. Keinesfalls wollten sie der FDP schaden. „Wir sind eine Sammlungsbewegung der sozialliberalen Kräfte dieser Republik“, sagt der 41-jährige Biochemiker Karim.
30 Prozent der 250 Mitglieder sind Doppelmitglieder, sind also parallel in einer weiteren Partei – davon 50 Prozent in der FDP, 35 Prozent bei den Piraten und 15 Prozent bei den Grünen, der SPD und anderen. Die große Mehrheit, das betonen die Neugründer ebenso, hat noch nie mit einer politischen Partei zu tun gehabt. „Wir wollen etwas für die Gesellschaft tun“, sagt ein aus Süddeutschland angereister Mann. Ein Anderer fühlt sich bei den etablierten Parteien nicht mehr aufgehoben und glaubt, nun bei den Neuen Liberalen „etwas bewegen zu können“.
Neben Canel und Karim tummeln sich weitere lokale Prominente unter den Gründern, unter ihnen Hamburgs Ex-Wissenschaftssenator Dieter Biallas und der frühere stellvertretende Chefredakteur der Wochenzeitung „Die Zeit“, Haug von Kuenheim. Insbesondere von Kuenheim ließ es sich nicht nehmen, den Mitgliedern einen Rat zu geben: „Liberalismus ist eine wunderbare Sache, und er ist zu wichtig, um ihn der FDP zu überlassen!“
Das Grundprogramm ist noch übersichtlich, im Vorfeld eilig auf zwei Seiten zusammengefasst. Da ist das Bekenntnis zu sozialliberalen Traditionen, zur sozialen Marktwirtschaft, zu Bürgerrechten und Europa – nicht ohne eine Definition, was Liberalismus überhaupt ist, was Freiheit ist. So heißt es etwa: „Gesellschaftlicher Fortschritt bedeutet für uns, dass jeder unabhängig von seinem Geschlecht, seiner Herkunft, seiner religiösen Überzeugung oder sexuellen Orientierung sein Leben frei gestalten, sich frei entfalten und in die Gesellschaft gleichberechtigt einbringen kann.“ Oder: „Wir wollen eine neue Familienpolitik, die Müttern und Vätern gleiche Rechte garantiert und ihre Leistung für die Gesellschaft anerkennt.“ Oder: „Wirtschaft ist für uns kein Selbstzweck. Jeder hat als Voraussetzung zur materiellen Freiheit ein Recht auf Arbeit unter menschenwürdigen Bedingungen und zu fairen Löhnen.“
Über die rund 50 eingereichten Anträge soll innerhalb der kommenden sechs Monate auf einem Programmparteitag abgestimmt werden. „Es wird nicht alles sofort funktionieren“, betont Karim. Ob seine Partei bereits bei der Bürgerschaftswahl in Hamburg am 15. Februar 2015 antritt, ist unklar. Dafür müsste zunächst ein Landesverband gegründet werden.