Die Not bei der Suche nach neuen Flüchtlingsunterkünften in Hamburg ist groß. Die Bürgerschaft appelliert an das Verständnis der Bürger, der Sozialsenator verteidigt sein Vorgehen nach Polizeirecht.
Hamburg. Die Hamburgische Bürgerschaft hat angesichts der dramatischen Lage bei der Suche nach Flüchtlingsunterkünften an die Solidarität der Bürger appelliert. In einer Aktuellen Stunde zeigten sich Abgeordnete aller Fraktionen am Mittwoch überzeugt, dass Hamburg als reiche Stadt schutzsuchenden Menschen helfen müsse. „Es ist unsere humanitäre Pflicht und Verantwortung, den vielen Menschen, die auf der Flucht vor Krieg und Zerstörung auch zu uns nach Hamburg kommen, Schutz und Unterkunft zu geben“, sagte SPD-Fraktionschef Andreas Dressel.
Die Opposition warf dem SPD-Senat jedoch vor, durch den Einsatz des Polizeirechts bei der Suche nach Unterkünften eigentlich gutwillige Hamburger zu verprellen. Sozialsenator Detlef Scheele (SPD) verteidigte das schnellere, aber mangels Beteiligung deutlich bürgerfeindlichere Verfahren. Zudem nahm er den Bund und die Flächenländer bei der Unterbringung von Flüchtlingen in die Pflicht.
„Wir brauchen mehr Unterstützung des Bundes – finanziell wie auch bei der Flächensuche“, sagte Scheele. Auch müsse über die Verteilung von minderjährigen unbegleiteten Flüchtlingen gesprochen werden. „Dass in Thüringen im Jahr 2013 ein einziger zu versorgen war, während wir in Hamburg 487 minderjährige Flüchtlinge aufgenommen haben – das wird so nicht bleiben können.“ Ebenso könne es nicht angehen, dass in Teilen der Republik Wohnungen leerstehen oder gar abgerissen werden, während in Hamburg Menschen aus schierer Not in Zelten untergebracht werden müssen. Gleichzeitig wies Scheele darauf hin, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge seine Prognose für Hamburg erneut erhöht habe – auf nun 600 neue Flüchtlinge pro Monat.
Die Hansestadt muss bis Ende des Jahres rund 14.000 Flüchtlinge unterbringen, hat deshalb den Etat zu deren Betreuung für dieses Jahr bereits auf rund 300 Millionen Euro fast verdoppelt. Außerdem hat die zuständige Senatskommission auf Basis des Polizeirechts ein beschleunigtes Verfahren für den Bau von Unterkünften beschlossen, damit kein Flüchtling während des Winters in Zelten leben muss. Dadurch sollen die bis Jahresende noch fehlenden 1500 Plätze etwa auf P+R-Parkplätzen oder auf Wohnschiffen entstehen.
Vor allem aus Hamburg-Harburg, wo auf einem Hotelschiff und in Containern auf einem Ponton 400 Flüchtlinge leben sollen, kommt jedoch Widerstand. Laut einem Bericht des NDR hat die dortige Bezirksversammlung mit den Stimmen von SPD und CDU eine Unterbringung im Binnenhafen abgelehnt. SPD-Fraktionschef Andreas Dressel sagte auch in Richtung der Harburger Genossen, seine Fraktion unterstütze die Notmaßnahmen für neue, kurzfristig zu realisierende Unterkünfte ausdrücklich. „Direkte und unverzügliche Nothilfe ist erforderlich, um Schaden von den Menschen abzuwenden.“
CDU-Oppositionsführer Dietrich Wersich warf er dem Senat vor, durch Anwendung des Polizeirechts die Hilfsbereitschaft der Menschen zu gefährden. Er warnte vor dem drohenden Gefühl einer ungerechten Lastenverteilung und verlangte unter anderem neben eine gerechten Verteilung der Flüchtlinge, eine kluge Belegungspolitik und umfassende Informationen sowie eine Beteiligung der Anwohner. Gleichzeitig müsse der Zustrom der Flüchtlinge auf wirklich Bedürftige beschränkt werden, sagte Wersich unter Hinweis auf Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina.
Auch die Grünen-Sozialexpertin Katharina Fegebank kritisierte die Anwendung des Polizeirechts. „So wird gerade an Standorten mit umstrittener Eignung Widerstand provoziert“, betonte die FDP-Fraktionsvorsitzende Katja Suding. „Und Gegnern einer liberalen Flüchtlingspolitik könnte die Anwendung der Gesetze für Sicherheit und Ordnung in die Hände spielen.“ Die Linken-Sozialexpertin Cansu Özdemir warf der SPD vor, erst eine Zusammenarbeit zu verweigern und dann um Solidarität zu betteln. „Wir haben immer wieder Vorschläge gemacht und Anträge gestellt – die SPD hat alles abgelehnt.“