Der Zug durchquert fünf Länder. Die Bahn will die 10.214 Kilometer lange Strecke in 17 Tagen überwinden. Die Fracht muss zweimal umgeladen werden. Aber der Vorstand erwartet eine regelmäßige Verbindung.
Hamburg. Ungeachtet der Streikankündigungen seitens der Lokführergewerkschaft GDL ist am Montag erstmals ein Containerzug von Hamburg nach China gestartet. Der von DB Schenker und der Stadtverwaltung der zentralchinesischen Metropole Zhengzhou organisierte Zug soll die 10.214 Kilometer lange Strecke durch Polen, Weißrussland, Russland und Kasachstan nach China in rund 17 Tagen bewältigen und ist damit mehr als 20 Tage schneller am Ziel als das Schiff.
Der Logistikvorstand der Deutschen Bahn, Karl-Friedrich Rausch, und der Gouverneur der chinesischen Provinz Henan, Xie Fuzhan, gaben am frühen Montagachmittag am Bahnterminal in Billwerder das Signal zur Abfahrt des Zuges, der vor allem Industrieroboter eines Technikkonzerns geladen hat, aber auch anderen Kunden Platzkapazitäten bietet. Seit August des vergangenen Jahres fahren Züge einmal wöchentlich von Zhengzhou nach Hamburg. Nun wollen China und die Bahn auch in der Gegenrichtung einen regelmäßigen Verkehr aufbauen. Bereits seit Längerem gibt es ein- bis zweimal wöchentlich Verbindungen der Bahn zwischen Leipzig und Shenyang sowie zwischen Duisburg und Chongqing in China – mit wachsenden Mengen.
Zwar liegen die Frachtkosten mit dem Zug 50 Prozent oberhalb der Preise für die Seefracht, doch der Güterzug ist fast doppelt so schnell. Insbesondere Waren, die im chinesischen Hinterland produziert werden, müssen zu den Häfen weite Wege zurücklegen und sind oft mehrere Tage lang unterwegs. Bis sie aufs Schiff verladen werden können, hat der Zug mitunter schon die Hälfte der Strecke hinter sich.
Nachteil ist, dass die Container auf ihrer Fahrt zweimal umgeladen werden müssen. In Weißrussland, Russland, der Mongolei und Kasachstan wird nämlich auf Breitspur gefahren, in China wie in Europa dagegen auf der Normalspur. So wird die Fracht an der Grenze zwischen Polen und Weißrussland in Brest auf Wagen mit breiter Spur umgeladen, an der chinesisch-kasachischen Grenze wieder zurück auf die Normalspur. Zudem gibt es noch keinen einheitlichen Frachtbrief.
Im Interview mit dem Abendblatt erläutert Logistikvorstand Karl-Friedrich Rausch, warum er dennoch davon überzeugt ist, dass sich die Verbindung durchsetzt. Er spricht über die Vorzüge Hamburgs und seine Haltung zu den Streiks der Lokführer.
Hamburger Abendblatt: Herr Rausch, Sie starten jetzt den ersten Zug von Hamburg nach China. Bleibt es bei diesem einen Zug, oder glauben Sie, dass Sie sogar eine feste fahrplanmäßige Verbindung hinbekommen?
Karl-Friedrich Rausch: Es bleibt natürlich nicht bei diesem einen Zug. Wir fahren bereits seit einem Jahr einmal wöchentlich von Zhengzhou nach Hamburg. Das wollen wir auch für die Gegenrichtung erreichen. Es ist nämlich viel wirtschaftlicher, volle Container zurückzuschicken als leere. Und es ist auch im Interesse unserer chinesischen Partner, dass die Verbindung dauerhaft eingerichtet wird. Im Übrigen haben wir schon fünf regelmäßige Verkehre per Bahn zwischen verschiedenen Standorten in Deutschland und China.
Wie stellen Sie sicher, dass Sie genug Ladung für eine regelmäßige Verbindung bekommen?
Rausch: Wir brauchen 40 Container, um einen ganzen Containerzug zusammenstellen zu können, der einen eigenen Fahrplan und eine eigene Trasse bekommt. In der Vergangenheit haben Firmen einzelne Container nach China transportieren lassen, was lange gedauert hat. Oder sie haben für größere Mengen einen eigenen Zug bestellt. Der Güterverkehr wächst aber. DB Schenker bietet nun Züge an, die von verschiedenen Kunden genutzt werden können. Wir fahren täglich mehr als 5000 vollgeladene Güterzüge in Westeuropa. Da können wir genügend Mengen bündeln, um einen ganzen Zug zusammenstellen zu können.
Es verkehren ständig Schiffe zwischen Hamburg und China, wozu brauchen wir dann noch Züge?
Rausch: Der Zug wird die Schiffsverbindung natürlich nicht ersetzen. Der Hamburger Hafen muss sich keine Sorgen machen. Aber das Schiff benötigt aus Asien nach Europa vier Wochen. Unsere Züge fahren 17 bis 18 Tage. Dadurch wird beispielsweise die Kapitalbindung kürzer, was insbesondere bei sehr hochwertigen Warentransporten eine Rolle spielt. Außerdem können unsere Züge Spitzenlasten abdecken. Wenn zum Beispiel in Deutschland nach den Sommerferien das neue Schuljahr beginnt, können chinesische Anbieter ihre Unterrichtsmaterialien punktgenau nach Deutschland liefern. Nicht zuletzt ist es gut, einen Plan B zu haben, wenn es auf dem Seeweg mal aus irgendwelchen Gründen zu Verzögerungen kommt. Und da hat DB Schenker nun unter einem Dach Alternativlösungen.
Sie fahren bereits aus dem Ruhrgebiet und von Automobilwerken Güterzüge nach China. Was macht Hamburg für eine Verbindung so attraktiv?
Rausch: Hamburg hat eine große Logistikkompetenz. Hier fließen Warenströme zusammen und werden neu gebündelt, nicht zu vergessen der große Rangierbahnhof in Maschen. Das sind Vorteile, die wir für die Zusammenstellung der ganzen Züge brauchen. Dazu muss aber alles wirklich reibungslos funktionieren.
Nun hat es in der Vergangenheit Probleme gegeben. Insbesondere an den Hafenterminals ist es bei der Abfertigung der Güterzüge zu starken Verzögerungen gekommen. Hat sich das gebessert?
Rausch: Wir sind noch nicht da, wo wir hinwollen. Aber ja, es hat sich gebessert. Alle Beteiligten sind bemüht, die Probleme abzustellen. Wir haben aber bei den Fahrplänen der Züge größere Puffer eingeplant, was natürlich kostenintensiver ist.
Rotterdam hat auch Probleme ...
Rausch: Ja, aber die können wir besser einplanen. Hier in Hamburg ist es ohne Vorwarnung ganz plötzlich zu massiven Einschränkungen gekommen. Und wir mussten überlegen, was wir unseren Kunden sagen.
Wenn Ihre Züge 17 Tage durch Polen, Weißrussland, Russland, Kasachstan und halb China fahren, da kann schon mal der eine oder andere Container verloren gehen. Wie schützen Sie sich gegen Zugpiraterie?
Rausch: Da geht nichts verloren. Wenn die Züge rollen, schon gar nicht. Und wenn sie stehen, werden sie bewacht. Ich kann mich nicht erinnern, dass auf der Strecke jemals etwas verloren gegangen ist.
Ein weiteres Problem ist das uneinheitliche Transportrecht. Sie fordern seit Längerem einen internationalen Frachtbrief. Sind Sie da weitergekommen?
Rausch: Bei der Überquerung von fünf Grenzen ist das Problem, dass der Frachtbrief jedes Mal neu ausgeschrieben werden muss. Wenn er einheitlich gelten würde, könnten wir noch mindestens einen weiteren Tag auf der Strecke gewinnen. Wir haben es getestet, konnten den einheitlichen Frachtbrief aber noch nicht durchsetzen. Da gibt es weiterhin bürokratische Hürden. Die jeweiligen Eisenbahngesellschaften arbeiten bereits wunderbar zusammen.
Nun hat die Gewerkschaft der Lokomotivführer ihre Mitglieder im Tarifkonflikt überraschend zu einem ersten Warnstreik aufgerufen. Wie haben Sie sich darauf vorbereitet?
Rausch: Der Aufruf zu diesem Warnstreik war unangekündigt und geschah, obgleich wir der GDL ein neues Tarifangebot vorgelegt hatten. Das war völlig unangemessen. Und ich muss mich hier zügeln, weil mir noch andere Worte zu diesem Vorfall einfallen würden. Letztlich können wir nicht vorausschauen, wie viele Lokführer so einem Streikaufruf folgen. Aber wir können uns aus der Erfahrung früherer Streiks auf so etwas vorbereiten. Und das haben wir auch diesmal so gut es geht gemacht, damit die Auswirkungen für unsere Kunden so gering wie möglich bleiben.