Martin Schupeta teilt mit Freundin Natalie Warneke die Liebe zu natürlichen Lebensmitteln. Als Von Freude verkaufen sie nun ihr eigenes Bier. Immer mehr kleine Braustätten in Deutschland.
Hamburg. „Die Küche war ein einziger klebriger Haufen.“ Wenn Natalie Warneke und Martin Schupeta an die Anfänge ihres heutigen Geschäfts denken, müssen sie lachen. In seiner Eppendorfer Wohnung braute das Paar vor zwei Jahren auf dem heimischen Herd sein erstes Bier. Zuvor hatte es ein Rezept im Internet gefunden, die Zutaten online bestellt, einen Gärbehälter geordert und in einem Supermarkt einen großen 20-Liter-Kochtopf gekauft. Mehrere Stunden dauerte der Prozess. „Das war total faszinierend, weil ich nicht dachte, dass es funktioniert“, sagt die 32-Jährige. Sie wurde positiv überrascht. Es klappte. „Und das Bier war sehr lecker“, sagt Warneke. Das sahen auch Freunde so, die sie zu Probanden erkoren. Wenig später gründete Schupeta die eigene Firma und ging unter die Brauer. Heute stehen die zwei Sorten bei rund 20 Geschäften, darunter einigen Edeka-Märkten, in den Regalen und werden in einer guten Handvoll Restaurants ausgeschenkt – dabei kommen die beiden eigentlich aus ganz anderen Branchen.
Erstmals die Idee einer eigenen Brauerei hatte Schupeta 2004. Als Student machte er damals bei einer Bank in Mexiko ein Praktikum. „Das Bier schmeckte nur so lala“, erinnert sich der 35-Jährige. Doch zunächst ging er den geraden Weg weiter. Zwei Jahre später schloss der gelernte Bankkaufmann sein Studium an der Uni Hamburg als Diplom-Kaufmann ab. Er ging zur Großbank HSBC nach Düsseldorf, betreute dort Marktführer aus dem Mittelstand. 2009 kam er in seine Geburtsstadt zurück, drei Jahre später wechselte er zur Berenberg Bank. Dort wurde er nicht glücklich. Er zog die Konsequenzen. „Eigentlich sind alle Banker verhinderte Unternehmer“, sagt Schupeta. „Ich wollte anfangen, etwas Eigenes zu machen.“
Vor einem Jahr stieß dann auch seine Freundin zum Unternehmen dazu. Warneke hatte in Mönchengladbach internationales Textil- und Bekleidungsmanagement studiert, ihren Master in Manchester gemacht. Anschließend trat sie ihren ersten Job beim Modeunternehmen Tom Tailor in der Hansestadt an. Lust auf Neues trieb sie Ende 2011 zur Supermarktkette Edeka, die den Sportbereich ausbauen wollte – zu langwierige Entscheidungsprozesse vertrieben sie von dort wieder. Sie entschloss sich, ihren Freund in der Selbstständigkeit zu unterstützen. Schließlich entstammt die Idee zur Firmengründung ihrer gemeinsamen Vorliebe für gutes Essen und Trinken. „Wir haben für uns beschlossen, Lebensmittel am besten in natürlicher Form ohne Aromastoffe zu konsumieren“, sagt Schupeta. So backen sie am liebsten Brot und Kuchen selbst, stellen schon mal ihre eigene Wurst her oder produzieren ihr eigenes Eis. „Da ist zu viel Kram drin, der da nicht reingehört“, sagt Warneke. Entsprechend puristisch ist – wie bei vielen Bieren – die Zutatenliste, die auf dem Etikett ihrer Flaschen steht: Wasser, Gerstenmalz, Hopfen und Hefe. Weil ihnen das Kreieren von Bieren ungeheuer Spaß mache und Adelstitel schick fanden, gaben sie sich den Namen Von Freude.
Über einen früheren Bankerkollegen wurde Schupeta auf einen kleinen Brauer aufmerksam. 90 Liter ließen sie von ihm brauen. Das war viel Arbeit – denn das Paar war zuvor acht Stunden lang damit beschäftigt, 270 Flaschen per Hand auszuspülen. Im Oktober 2013 verkauften sie ihre ersten 15 Kästen der Sorte Ale Primeur, ein bernsteinfarbenes, leicht süß-säuerliches, kaltgehopftes Bier mit 5,8 Prozent Alkohol, an einen Getränkehändler in Bramfeld. Auf kleinen Märkten bauten sie ihren Stand auf. Sie streiften quer durch Hamburg und schauten, welche Läden und Gastronomiebetriebe zu ihnen passen. „Das Publikum muss bereit sein, für ein Glas Bier einen ähnlichen Preis zu bezahlen wie für ein Glas Wein“, sagt Schupeta. Zwischen 4 und 7 Euro nähmen Wirte, in Geschäften koste eine 0,33-Liter-Flasche zwischen 2,70 Euro und 3Euro. Die Zahl der Abnehmer steige stetig. Ohne Zahlen zu Umsatz und Gewinn zu nennen, sagt Schupeta: „Wir gehen davon aus, in den nächsten Monaten eine schwarze Null zu schreiben.“
Zahl kleiner Braustätten hat sich seit der Wiedervereinigung fast verdoppelt
Mittlerweile haben sie zehnmal bei verschiedenen Betrieben brauen lassen, jeweils Mengen zwischen 1000 und 5000 Liter. Im Januar waren sie sogar ausverkauft. Rund sechs Wochen mussten die Kunden auf das Bier warten. „Weil wir ein junges Unternehmen sind, haben sie es uns aber verziehen“, sagt Schupeta, der mit seiner Freundin den Traum von der eigenen Brauanlage hat.
Sie lägen damit voll im Trend. Denn die Zahl kleiner Braustätten hat sich seit der Wiedervereinigung in der Bundesrepublik von 494 auf 924 fast verdoppelt. „Woche für Woche kommen in Deutschland neue hochwertige Biere auf den Markt“, sagt Holger Eichele, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Brauer-Bunds. „Nie zuvor hatten die Verbraucher eine so große Auswahl wie heute.“ Jüngster Treiber der Entwicklung sind sogenannte Craft-Biere, die im Gegensatz zu industriellen Sorten von Hand hergestellt werden. Besonders gut liefen die Geschäfte während der Fußball-WM, die der unter Umsatzrückgängen leidenden Branche den besten Juni seit vier Jahren bescherte.
Auch Von Freude profitierte vom heißen Sommer. Im Juni brachten sie ihre zweite Sorte auf den Markt. „Boulevard erinnert an ein schönes Sommer-eis“, sagt Warneke. Es ist hellgelb, sehr hopfenbetont, rieche nach Zitronengras und enthält 4,3 Prozent Alkohol. Eine dritte Sorte lagert noch in den anderthalb Bierkühlschränken, die das Paar hat, und soll noch in diesem Jahr in den Verkauf gehen. Und in wenigen Wochen wird Von Freude auch unter die Spirituosenhersteller gehen. Ein Bierbrand soll dann im Handel erhältlich sein. Das ist 40-prozentiger, klarer Schnaps, der sehr sanft sei und nach Grappa schmecke. Vielleicht stoßen sie damit in eine Marktlücke. Schupeta: „Bierbrände sind wirklich selten. Es gibt nur eine Handvoll Anbieter.“