Konzerne wie die Deutsche Telekom oder Otto wollen das Bezahlen per Handy etablieren. Dutzende Hamburger Geschäfte machen schon mit. Auch Bonuspunkte und Prämien lassen sich sammeln.
Hamburg. Der Tempel Fashion Store an den Colonnaden ist eher etwas für die betuchte Kundschaft. Nicht nur gut situierte Hamburgerinnen stöbern hier zwischen edlen Abendkleidern, Lederjacken und Mänteln, auch viele Touristen schauen in dem Modegeschäft vorbei. Zum Bezahlen zücken sie bislang meist ihre EC- oder Kreditkarte, um die nicht unerheblichen Rechnungen zu begleichen.
In Zukunft könnten die Kunden allerdings auch ihr Smartphone aus der Tasche ziehen und einfach über dem Kassenterminal schwenken. Der Tempel Fashion Store ist nämlich einer der ersten Läden in der Hansestadt, in dem mit dem Handy-Programm MyWallet (zu deutsch: „meine Geldbörse“) gezahlt werden kann.
Entwickelt wurde die App von der Deutschen Telekom. „Für die meisten Smartphone-Besitzer ist ihr Handy schon heute wichtiger als ihr Portemonnaie“, sagt Sabine Wittlinger, die bei dem Konzern für die Einführung der neuen Technologie zuständig ist. „Daher liegt es nahe, auch das Bezahlen über dieses Gerät abzuwickeln.“ Mittelfristig kann das Handy aus ihrer Sicht sogar die komplette Geldbörse mit diversen anderen Rabatt-, Kunden-, Zugangs- oder sogar Ausweiskarten ersetzen. „Dann muss man endlich nicht mehr so viele Karten mit sich herumtragen“, sagt Wittlinger.
So wie die Telekom sind derzeit diverse Konzerne dabei, den Deutschen das Bezahlen per Smartphone schmackhaft zu machen. Konkurrent Vodafone hat ebenso ein eigenes Programm herausgebracht wie der Onlinedienst Paypal oder auch der Hamburger Otto-Konzern.
Im Augenblick stecken die meisten dieser Technologien allerdings noch in den Kinderschuhen. So gibt es in der Hamburger Innenstadt derzeit gerade einmal 40 Geschäfte, in denen sich über die Smartphone-App der Telekom bezahlen lässt. Das Alsterhaus und die übrigen Karstadthäuser gehören ebenso dazu wie etwa der Juwelier Christ, McDonald’s oder Starbucks. Bundesweit spricht die Telekom von 35.000 Akzeptanzstellen.
Kunden, die das Programm nutzen möchten, müssen zudem noch eine Reihe von technischen Hürden überwinden. Zunächst einmal müssen sie die MyWallet-App auf ihr Smartphone laden, sich dann bei dem Dienst anmelden und zusätzlich noch einen Vertrag für eine spezielle Kreditkarte abschließen, die dann in virtueller Form auf dem Handy hinterlegt wird. Diese Karte wird dann per Überweisung von einem normalen Bankkonto mit einem Guthaben aufgeladen.
Im Geschäft nimmt das Smartphone per Nahfeldkommunikation (Near Field Communication, kurz NFC) mit entsprechend ausgestatteten Kassengeräten Kontakt auf. Nach Eingabe einer Sicherheits-PIN wird der Rechnungsbetrag per Funk übertragen.
Da die NFC-Technologie bislang nur auf Geräten mit dem Google-Betriebssystem Android verfügbar ist, bleiben die ebenfalls weitverbreiteten iPhones von Apple bei der Telekom weitgehend außen vor. Sie können zwar mit entsprechenden NFC-Chips nachgerüstet werden, das macht das ohnehin schon komplizierte System aber noch komplizierter.
Etwas einfacher zu handhaben und geräteunabhängig ist das Bezahlsystem Yapital der Hamburger Otto-Gruppe. Als Partner hat der Konzern unter anderem die Schuhkette Görtz, die Supermarktkette Rewe und die eigene Tochtergesellschaft SportScheck gewinnen können. Auch einzelne Restaurants wie „Die Bank“ akzeptieren Yapital.
Im Gegensatz zur Telekom setzt man bei Otto nicht auf die NFC-Technologie, sondern auf sogenannte QR-Codes, die viele Verbraucher etwa von den Onlinetickets der Deutschen Bahn kennen. Diese quadratischen, schwarz-weißen Muster werden beispielsweise im Restaurant auf die Rechnung gedruckt und können zum Bezahlen dann mithilfe der im Smartphone eingebauten Kamera gelesen werden. Die dafür notwendige App gibt es nicht nur für Android-, sondern auch für Windows-Geräte und iPhones.
Auch bei Yapital müssen sich die Kunden allerdings erst einmal registrieren, Daten wie das E-Mail-Konto preisgeben und ein Guthaben über das normale Bankkonto oder ein Kreditkartenkonto auf den Account übertragen. Das ist leichter als bei der Telekom, aber immer noch nicht gerade eingängig.
„Die meisten Smartphone-Bezahlsysteme kranken im Augenblick noch daran, dass sie für den Kunden zu kompliziert sind und ihm keinen erkennbaren Mehrwert bieten“, sagt der Geschäftsführer des IFH Instituts für Handelsforschung, Kai Hudetz. „Daher bewegt sich die Bedeutung dieser Systeme derzeit noch im mikroskopischen Bereich.“ Langfristig sieht Hudetz aber schon gute Chancen, dass sich das Handy als Ersatz für die Geldbörse etablieren könnte. „Die Unternehmen müssen den Kunden nur noch mehr deutlich machen, warum sie vom vertrauten Bargeld und Kreditkarten auf das neue System umsteigen sollten.“
Den notwendigen Anreiz könnten Bonussysteme bieten, wie sie etwa die Hamburger Firma Yoints entwickelt hat. Wer sich bei dem Unternehmen anmeldet, kann per Smartphone einfach durch den Besuch in einem Geschäft Treuepunkte sammeln, die sich dann in Prämien wie einen kostenlosen Kaffee, Kopfhörer, Hängesessel, Nagellack oder Parfum eintauschen lassen.
Der Chef des Start-ups, Sarik Weber, ist gerade dabei, in diversen Geschäften in der Hansestadt sogenannte iBeacons installieren zu lassen. Dabei handelt es sich um kleine Funksender, die über Bluetooth mit Smartphones kommunizieren können und automatisch registrieren, wenn sich das Gerät eines Kunden im Laden befindet. Wie das System funktioniert, demonstriert Weber im Adidas Originals Store im Schanzenviertel. Kaum hat der Yoints-Chef das Sportschuhgeschäft betreten, blinken in der App des Unternehmens auch schon 30 Treuepunkte auf, die soeben durch den Besuch gutgeschrieben wurden. Weitere Punkte können Kunden durch das Scannen der QR-Codes auf bestimmten Produkten erhalten. Zehn Punkte gibt es bei Adidas beispielsweise für die Ansicht einer Handy-Hülle oder eines Schuhputzsets.
In gut 300 Läden in der Hansestadt lassen sich auf diese Weise schon Bonuspunkte sammeln. „Hamburg ist für uns das Testfeld für die neue Technologie“, sagt Weber. Im kommenden Jahr wolle man das System bundesweit ausrollen. Bezahlen oder einkaufen lässt sich mit dem Yoints-System noch nicht. Der Chef kann sich aber durchaus vorstellen, eine solche Funktion zu einem späteren Zeitpunkt in die eigene App zu integrieren oder mit einem anderen Anbieter in dieser Frage zu kooperieren.
Manch einem Kunden dürfte allerdings mulmig zumute sein, wenn Funksender registrieren, wann er sich in welchem Geschäft aufhält und was er sich dort ansieht. Solche Bedenken wischt Weber mit dem Hinweis vom Tisch, dass die Daten von einzelnen Nutzern nur in anonymisierter Form an Yoints übertragen würden und sich daraus keine Bewegungsprofile ableiten ließen. Darüber hinaus entscheide jeder Kunde selbst, ob er an dem Treuepunktesystem teilnehmen wolle.