In Eimsbüttel ist eine viergeschossige Villa nach historischem Vorbild entstanden – in moderner Passivhaus-Bauweise. Haus verbraucht bis zu 90 Prozent weniger Heizwärme als ein herkömmliches Gebäude.
Hamburg. Von außen wirkt es wie ein frisch saniertes Haus aus der Kaiserzeit: eine weiße viergeschossige Villa mit verzierter Fassade, hohen Fenstern und schwungvollen Balkonsimsen. Eine Wohnform, von der viele Hamburger träumen – entsprechend hoch ist die Nachfrage nach Altbauten. Doch bei diesem Objekt trügt der historische Schein: Außenwände, Dach und Boden sind von einem modernen Wärmedämmsystem ummantelt, die Fenster dreifach verglast. Im Inneren des Gebäudes sorgt eine Belüftungsanlage mit Wärmerückgewinnungssystem für gleichbleibend frische Luft. Tatsächlich handelt es sich bei dem Mehrfamilienhaus an der Wiesenstraße in Hamburg-Eimsbüttel also um einen Neubau, der erst vor wenigen Wochen fertiggestellt wurde – und der zugleich das energiesparende Konzept eines so genannten Passivhauses erfüllt.
Passivhäuser benötigen aufgrund ihrer Konstruktion bis zu 90 Prozent weniger Heizwärme als ein herkömmliches Gebäude. „Bei dem Neubau haben wir einen gründerzeitlichen Baustil mit dem Passivhausstandard verbunden“, sagt Bauherr und Eigentümer Georg Winter, Gründer vom „Haus der Zukunft“, das sich mit nachhaltigem Wirtschaften befasst.
Acht Mietwohnungen und zwei Gewerbeeinheiten sind im „Haus Winter“ auf mehr als 1100 Quadratmeter Wohnfläche entstanden. Nach etwa zweijähriger Bauzeit schließt das Gebäude an der Wiesenstraße 7 eine langjährige Baulücke in einer Gegend, die durch Gründerzeit- und Jugendstil-Architektur geprägt ist. Die Idee hinter dem Neubau ist ebenso einfach wie außergewöhnlich. „Wir wollten zeigen, dass sich ein moderner, energieeffizienter Neubau ohne Stilbruch in ein historisches Quartier einfügen lässt“, so Winter, der im Jahr 1995 für sein umweltorientiertes Engagement mit dem Deutschen Umweltpreis ausgezeichnet wurde. Laut Bauherr ist der Passivhaus-Neubau im Gründerzeit-Stil deutschlandweit einzigartig.
„Das Haus ist etwas Besonderes und bezüglich der Energieeffizienz zukunftsweisend“, bescheinigt Benjamin Wünsch, Referent des unabhängigen Passivhaus Instituts in Darmstadt, das Passivhäuser zertifiziert und eine Datenbank aus bundesweit knapp 3000 solcher Häuser führt. „Das Energiekonzept setzt vor allem auf Wärmedämmung und modernste Gebäudetechnik.“ Ergänzend kämen erneuerbare Energien zum Einsatz, beim Bau wurden zudem überwiegend ökologische Materialien mit regionalem Bezug verwendet. „Auch die Fassade ist nicht nur schmuckvoll, sondern auch aus energetischer Sicht vorzeigbar“, sagt Wünsch. Damit die Wärme nicht entweicht, wurden etwa die ornamentierten Balkone mit Stahlankern von außen am Gebäude befestigt. „Durch den Passivhaus-Standard besteht im ‚Haus Winter‘ ein hoher Wohnkomfort bei sehr geringen Energiekosten.“
Die Konstruktion des Gebäudes war architektonisch zunächst eine Herausforderung. „Um Wärme auch in Räumen mit drei Meter hohen Decken und bodentiefen Fenstern effizient zu speichern, wird etwa die Außenwand durch ein Wärmedämmverbundsystem geschützt“, sagt Jakob Siemonsen vom gleichnamigen Hamburger Architekturbüro. Die Baukosten lagen mit knapp 3000 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche laut Siemonsen etwa zehn Prozent über dem Bau eines Passivhauses gleichen Typs ohne Gründerzeit-Stil.
Die Idee vom Bau eines Hauses nach historischem Vorbild sei auf politischer Seite zunächst auf leichtes Unverständnis gestoßen. „Dem Bauamt ist es nicht unbedingt so recht, dass im alten Stil gebaut wird“, sagt Siemonsen. Dort bevorzuge man klare Formen und gerade Linien statt Stuck und Schnörkel. „Viele Mieter mögen dafür umso lieber in einem Gebäude im alten Stil wohnen.“
Dies war unter anderem auch für Bauherr Georg Winter ausschlaggebend. Dem 72-Jährigen sei bei der Konstruktion vor allem wichtig gewesen, den Bewohnern ein „Gefühl der Geborgenheit“ zu geben. „Ich vermiete keine Wohnung, in der ich nicht selbst wohnen würde.“ Zwar bewegt sich der Preis mit 18,60 Euro pro Quadratmeter Kaltmiete eher im gehobenen Preissegment. Doch bis auf eine sind bereits alle Wohnungen vermietet. „Ich erhoffe mir, dass das Bauprojekt als Referenz für weitere Vorhaben solcher Art dient“, sagt Winter.