Geistliches Oberhaupt der Tibeter spricht sich für Nonnenordination aus. Aber eine Fraktion von Mönchen in Südindien ist dagegen. Der Dalai Lama hält noch bis Dienstag Vorträge in Hamburg.
Hamburg. Dharamsala (Indien): sonnig, 31 Grad. Hamburg: bewölkt, 15 Grad. Der Dalai Lama hatte auf etwas Abkühlung gehofft, als er aus seiner indischen Exilheimat in Norddeutschland eintraf. Doch nun das: Seine Heiligkeit saßen am Sonnabend auf der großen Bühne im Congress Center CCH vor rund 7000 Zuschauern – und transpirierte im Scheinwerferlicht. Prompt griff der buddhistische Mönch zu einem feuchten Handtuch, das neben seinem beigen Sessel lag. Und legte es auf sein kahl geschorenes Haupt. Was nicht nur im Publikum Heiterkeit auslöste, sondern vor allem bei ihm selbst.
Der fröhliche Mönch aus dem fernen Tibet befindet sich derzeit zum sechsten Mal in der Hansestadt. Das geistliche Oberhaupt der Tibeter hält bis Dienstag Vorträge über die buddhistische Weisheit und säkulare Ethik, die für religiöse Menschen genauso wichtig sein könnte wie für Nichtgläubige. Seine Botschaft: „Der Frieden kommt nicht von Allah und Buddha, sondern von uns selbst.“ Die Gewaltlosigkeit müsse im Herzen beginnen, sagte er. Gewaltlosigkeit bedeute nicht die Abwesenheit von Gewalt, sondern die innere Abkehr von egoistischen Haltungen, mit der andere Kreaturen geschädigt würden. Die Konflikte auf der Welt wie im Irak und in Syrien seien nicht mit Waffen, sondern nur im Geist des Dialogs zu lösen. Scharf kritisierte er die gewaltbereiten Muslime: „Wer im Namen Allahs Blut vergießt, kann sich nicht als Muslim bezeichnen.“ Auch sie hätten eine falsche, egoistische innere Haltung, die von Aggressionen geprägt sei.
Ein Text aus dem achten Jahrhundert zeigt den Weg zur Vollkommenheit
Während der 79-Jährige am Sonnabend über das Thema „Menschliche Werte leben“ sprach und immer wieder zu Scherzen aufgelegt war, zeigte er sich am Sonntag als strenger und gewissenhafter Lehrer seiner Religion. „Page!“ (Seite), rief er seinen 5000 Zuhörern zu, einen alten buddhistischen Text zu lesen. Es ging um „Santideva – die Anleitung auf dem Weg zum Erwachen“. Der Text aus dem 8. Jahrhundert zeigt, wie mit Weisheit und Einsicht in die Natur der Dinge der Weg zur Vollkommenheit beginnt. Dabei sprach er sich erneut für die Ordination von Frauen zu Nonnen aus. „Es gibt keinen Grund, warum Frauen nicht den gleichen Ausbildungsgang machen dürfen wie Männer“, sagte er. Am Rande der Konferenz kritisierten Buddhistinnen die fehlende Gleichberechtigung von Frauen in dieser Religion. „Wir haben noch immer ein Patriarchat“, sagte Sylvia Wetzel, eine der Vorreiterinnen des Buddhismus im Westen. Wie die deutsche Nonne Carola Roloff sagte, gebe es eine starke Fraktion von Mönchen in Südindien, die sich aufgrund ihrer Tradition gegen die Frauenordination wenden. Sie seien zum großen Teil Schüler des 14. Dalai Lama. Allerdings sei der Einfluss des Dalai Lama in dieser Frage begrenzt, fügte Roloff hinzu, die als Lehrbeauftragte an Uni Hamburg arbeitet. „Der Dalai Lama macht sich zwar für die Frauenordination stark. Aber er hat im Ordinationsrecht keine alleinige Befugnis. Dazu braucht es Konsens.“
Am Rande des Besuchs protestierte eine religiöse Gruppe von rund 200 Anhängern gegen den Dalai Lama. Er habe tibetische Andersgläubige aus ihren Gemeinschaften vertrieben, kritisierten sie. Die Anhänger des Shugden-Kults verehren einen tibetischen Schutzgeist. Der Dalai Lama hat den Kult verboten. Er zerstöre die Harmonie der tibetisch-buddhistischen Traditionen. Scherzhaft fügte der Religionsführer hinzu, dass die Gruppe der Protestler ihm regelmäßig nachreise.