Obgleich die Reederei allseits als ein gut geführtes Haus gilt, findet Hapag-Lloyd aus der Schifffahrtskrise nicht heraus. Und das wird zu einem politischen Problem für Bürgermeister Olaf Scholz.

Hamburg. Hamburgs Hafenunternehmer laufen endlich wieder mit stolzer Brust herum. In dieser Woche wurden die Umschlagszahlen für die ersten sechs Monate veröffentlicht und die sind richtig gut: Der Hamburger Hafen nimmt seinen Konkurrenten Marktanteile ab und steuert einem neuen Wachstumsrekord entgegen. Nur beim Hauptverantwortlichen für das steigende Ladungsaufkommen sind dennoch Klagelaute zu hören. Die Lage ist paradox: 43,6 Prozent dessen, was über die Kaikante geht, bringt die Reederei Hapag-Lloyd zusammen mit ihren Partnern aus der Allianz G 6 nach Hamburg – von dem Ladungsboom profitiert sie aber kaum. Obgleich die Reederei mit dem Hauptsitz am Ballindamm allseits als ein gut geführtes Haus gilt, findet Hapag-Lloyd aus der Schifffahrtskrise einfach nicht heraus. Und das wird immer mehr zu einem politischen Problem für Bürgermeister Olaf Scholz – eines von der Sorte, die im anstehenden Bürgerschaftswahlkampf gefährlich werden könnten.

Seit Jahren steht das Unternehmen bekanntlich in der öffentlichen Wahrnehmung vor allem als Subjekt des kommunalpolitischen Streits. Hat die Stadt Hamburg zu Recht Anteile an der Reederei gekauft, hat sich das Investment für die öffentliche Hand gelohnt? „Das Engagement bei Hapag-Lloyd bedeutet für die Hamburgerinnen und Hamburger, dass sie weiterhin draufzahlen müssen. Hapag-Lloyd entwickelt sich für die Stadt zu einem Fass ohne Boden“, sagt dazu Roland Heintze, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der CDU in der Hamburgischen Bürgerschaft.

Quartal für Quartal liefert Hapag-Lloyd der Opposition in der Bürgerschaft mit seinen Finanzberichten Steilvorlagen zur Kritik an der maritimen Politik des Senats, der von der SPD mit absoluter Mehrheit geführt wird. Alle Parteien des Hamburger Parlaments waren sich Ende 2008 darin einig, dass die Stadt bei Hapag-Lloyd einsteigen müsse, um eine feindliche Übernahme der Reederei durch deren Konkurrenten NOL in Singapur zu verhindern – die seinerzeit gemeinsam mit den Grünen regierende CDU ebenso wie SPD und Linke. Anstatt einer Übernahmeschlacht aber folgte die Welt-Finanzmarktkrise, die auch das Geschäft der Schifffahrt in Mitleidenschaft zog. Während viele andere Branchen längst wieder gute Geschäfte machen, auch die Finanzwelt selbst, laborieren die Reedereien an Überkapazitäten, starken Preisschwankungen und hohen Kosten für Brennstoff.

Mehr als eine Milliarde Euro öffentliches Geld

In der äußeren Wahrnehmung von Hapag-Lloyd schleift sich ein Lamento ein, das die Reederei nicht verdient hat. Die heutige Opposition in der Bürgerschaft wettert gegen die städtische Beteiligung von derzeit rund 37 Prozent an dem Schifffahrtsunternehmen. Sie erinnert Bürgermeister Olaf Scholz immer wieder gern an seinen Satz von Anfang 2012: „I want my money back“, sagte der Sozialdemokrat damals in Anlehnung an die frühere britische Premierministerin Margaret Thatcher. Der Senat hatte seinerzeit Hamburgs Beteiligung an Hapag-Lloyd weiter aufgestockt, und Scholz wollte deutlich machen, dass sich dieses Investment für die Stadt auch direkt auszahlen würde. Das jedoch ist bislang nicht geschehen. Mehr als eine Milliarde Euro öffentliches Geld stecken derzeit in Hapag-Lloyd, Kapital, für das die städtische Beteiligungsgesellschaft HGV Zinsen zahlen muss. Doch seit 2009 summiert sich der Nettoverlust bei der Reederei – trotz eines gewinnträchtigen Jahres 2010 – auf 401,3 Millionen Euro. Dividende hat die Stadt aus ihrem Engagement bislang nicht gesehen. Auch für den Wiederverkauf der Anteile an andere Investoren oder durch einen Börsengang gibt es bislang keine konkrete Perspektive.

Die Kritik der Opposition an der städtischen Beteiligung ist im Kern dennoch wohlfeil. Alle Beteiligten wissen, dass es bei der Investition in die Reederei auch darum ging, ein zentrales Element der Hamburger Schifffahrt und Hafenwirtschaft am Standort Hamburg zu sichern. Und alle Parteien trugen dies mit. Doch wer erinnert sich daran? „Dem Senat fehlt der maritime Sachverstand“, sagt Katja Suding, die FDP-Fraktionsvorsitzende in der Bürgerschaft. „Die Dividendenzahlung rückt immer weiter in die Ferne. Die Aufstockung der Beteiligung an Hapag-Lloyd bleibt ein teures und risikoreiches Unterfangen für den Hamburger Steuerzahler.“ Der Hintergrund allerdings ist weit komplexer. Hapag-Lloyd ist als Teil der Schifffahrtsallianz G 6 der wichtigste Kunde der Hamburger Hafenwirtschaft und am Terminal Altenwerder der HHLA obendrein selbst beteiligt. Rund 20.000 Hafen-Arbeitsplätze hängen nach Darstellung der Reederei davon ab, dass Hapag-Lloyd und dessen Partner Ladung nach Hamburg bewegen und sie von hier aus verschiffen.

So bleibt die stolze Großreederei, deren „Feld die Welt“ ist, wie einst der legendäre Hapag-Chef Albert Ballin formulierte, ein Zankapfel der Politik. Dazu trägt das Unternehmen selbst nach Kräften bei. Die öffentliche Kommunikation wurde in den vergangenen Jahren auf ein Minimum reduziert, obwohl Hapag-Lloyd derzeit zu mehr als einem Drittel der Anteile in städtischer Hand liegt. Die Reederei folgte der in der maritimen Wirtschaft verbreiteten Unsitte, Konflikte und Probleme nicht öffentlich zu kommunizieren, sondern damit hinter dem Berg zu halten. Im Falle von Hapag-Lloyd aber ist das öffentliche Interesse zu Recht groß: Als zentraler Faktor des maritimen Netzwerks, als Stabilitätsanker des Hafens, als Quelle für Dividende ist und bleibt die Reederei eine wirtschaftliche Größe in der Stadt. Erst recht deshalb, weil sich das stürmische Wachstum nicht wiederholen wird, das die Hamburger Schiffsfinanzierer und die Charterreeder – die ihre Schiffe an Linienreedereien vermieten – in den 90er- und 2000er-Jahren erlebt haben. Die beiden führenden deutschen Linienreedereien Hapag-Lloyd und Hamburg Süd gewinnen damit als Aushängeschilder für die Schifffahrt in der Hansestadt an Bedeutung.

Mærsk und CMA CGM schreiben Gewinne

Für die schlechten Geschäftsergebnisse machte der langjährige Hapag-Lloyd-Chef Michael Behrendt zuletzt vor allem „den Markt“, also die anderen, verantwortlich. „Hapag-Lloyd hat keine Baustelle. Die ganze Branche ist eine Baustelle“, sagte er vor dem Ende seiner Amtszeit im Juni. Zum 1. Juli hat der niederländische Logistikmanager Rolf Habben Jansen den Vorstandsvorsitz übernommen. Behrendt wiederum soll im Herbst Vorsitzender des Aufsichtsrats werden. Viele Hundert Millionen Euro interne Kosten hat die Reederei während der Krisenjahre unter seiner Führung eingespart. Zugleich wurde die Flotte modernisiert und verjüngt. Doch unter dem Strich bleibt Verlust. Die „Irrationalität“ der Branche kritisierte Behrendt zum Ende seiner Amtszeit hin immer deutlicher, die immer wieder verfallenden Transportpreise für Container, die sogenannten Frachtraten, obwohl doch das Transportvolumen auf See ständig steigt. „Wir gehören zu den Top-Performern“, sagt der Schifffahrtsmanager.

Doch stimmt das? Die weltgrößte Linienreederei Mærsk schreibt unter dem Strich ebenso Gewinn wie der Branchendritte CMA CGM aus Frankreich. Auch Hamburg Süd meldete für das vergangene Jahr Gewinn. Warum bleibt ausgerechnet Hapag-Lloyd im Minus, derzeit die sechstgrößte Linienreederei?

Der Zusammenschluss mit der Containersparte der chilenischen Reederei CSAV soll Hapag-Lloyd aus der Misere heraushelfen: Mehr Größe schafft mehr Marktmacht, in der Containerschifffahrt ist dieser Zusammenhang unbestritten. Zudem kann Hapag-Lloyd gemeinsam mit CSAV in Zukunft alle wichtigen Fahrtgebiete intensiv bedienen, auf den Ost-West-Routen ebenso wie in den Linienverkehren zwischen der Nord- und Südhalbkugel. Behrendt hat diesen Zusammenschluss strategisch klug organisiert, nachdem eine erhoffte Fusion mit Hamburg Süd 2013 zum wiederholten Mal gescheitert war. Er verbreiterte die Basis von Hapag-Lloyd stattdessen mit CSAV. Im Jahr 2005 hatte er mit der Übernahme der führenden kanadischen Reederei CP Ships bereits das wichtige Fahrtgebiet Nordamerika stärker für Hapag-Lloyd erschlossen. Behrendt ist sicher, dass Hapag-Lloyd seine Position mit CSAV entscheidend verbessert, sobald die Kartellbehörden den Zusammenschluss freigeben: „Das Geschäft wird sich drehen. Wer dann vernünftig aufgestellt ist, wird ganz schnell vom Ergebnis her wieder nach oben katapultiert“, sagt er mit Blick auf den Schifffahrtsmarkt.

Im Vordergrund aber bleiben bis auf Weiteres die roten Zahlen am Ballindamm, bleibt der stete Nachschub an Argumenten für die Kritik der Opposition an der Schifffahrtspolitik der Stadt: „Der Senat muss jetzt endlich eine Strategie vorlegen, wie es mit Hapag-Lloyd weitergehen soll und wie Hamburg sein Geld aus der Beteiligung an der Reederei zurückbekommen kann“, sagt Anjes Tjarks von der Fraktion der Grünen. „Bisher hat diese Beteiligung nur Geld gekostet, aber keinerlei Nutzen gebracht.“