Der Bund will die Kosten für die Verlängerung der Autobahn 7 bei Hamburg-Altona um rund 1300 Meter nicht übernehmen. Die Hamburger Parteien schieben sich jetzt gegenseitig die Schuld zu.
Hamburg. Verkehrsstaatsrat Andreas Rieckhoff (SPD) kann manchmal herrlich unpolitisch sein. „Erst planen, dann rechnen und dann entscheiden“, sagte er am Donnerstag angesichts der aufkeimenden politischen Debatte über die Verlängerung des A7-Lärmschutzdeckels in Altona. Außerdem mahnte er jeden, der jetzt irgendwelche Zahlen in den Raum werfe, zur Zurückhaltung. Bislang gebe es keine solide Schätzung darüber, was ein rund 1,3 Kilometer längerer Deckel in Altona am Ende wirklich kosten werde.
Natürlich kann der Staatsrat der Wirtschaftsbehörde mit Gelassenheit auf den an zehn Hamburger Bundestagsabgeordnete gerichteten Brief aus dem Bundesverkehrsministerium reagieren. Schließlich haben die Politiker der Stadt jetzt ein Problem damit, dass der Bund für Lärmschutzmaßnahmen nicht mehr ausgeben will, als das Gesetz ihm vorschreibt. Zumal Berlin durchaus kulant mit Hamburger Wünschen umgeht. „Dass der Bund den ‚Pflichtdeckel‘ finanziert, ist ein großer Erfolg“, meinte Rieckhoff.
Schließlich schreiben die Lärmschutzregelungen zwar vor, dass bei einer grundlegenden Erweiterung einer Autobahntrasse die aktuell geltenden Grenzwerte angewendet werden müssen. Ob diese durch aber eine Schutzwand, einen Wall oder durch einen Deckel eingehalten werden, die Entscheidung darüber steht dem Bund mehr oder weniger frei. Zumal Tunnelbauwerke durchaus teurer sein können.
Eher unstrittig - zumindest unter Experten - ist auch, dass herkömmliche Schutzmaßnahmen den Lärmschutz von Anwohnern der Autobahn verbessern werden. Insofern durfte es niemanden überraschen, dass der Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, Enak Ferleman, die Ablehnung eines zusätzlichen finanziellen Engagements des Bundes damit begründete. „Die aus der Errichtung von zusätzlichen Tunnelbauwerken … reslutierenden Mehrkosten sind daher von Hamburg zu tragen.“
Hamburgs Politiker scherte die weithin bekannte Regel „Wer bestellt, der bezahlt auch“ am Donnerstag wenig. SPD-Fraktionschef Andreas Dressel sprach von einer „CDU-Absage zur stärkeren Mitfinanzierung des langen A7-Deckels“, obwohl Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt CSU-Mitglied ist und Dressels Sozialdemokraten in Berlin mit am Kabinettstisch sitzen. Zugleich attestierte der SPD-Politiker dem Verkehrsministerium, „die nationale Bedeutung dieses Jahrhundertprojekts für Hamburg und Altona offenbar noch nicht hinreichend erkannt“ zu haben.
Wohnungsbauprojekte bedroht
Die Reaktion von CDU-Landeschef Marcus Weinberg ließ nicht lange auf sich warten. „Durch die Absage des Bundes, weitere finanzielle Mittel für den langen Deckel zur Verfügung zu stellen, sehe ich den Senat jetzt umso mehr in Pflicht“, sagte er. Vor allem müsse Hamburgs Erster Bürgermeister, Olaf Scholz, sich zum langen Deckel bekennen. Im Gegensatz zum Verkehrsministerium habe der Senatschef ein Schreiben mit einer entsprechenden Forderung bislang nicht beantwortet.
Die Grünen machten in ihrer Erklärung deutlich, dass es nicht allein um einen Lärmschutzdeckel für die A7 gehe. Schließlich soll der lange Deckel dazu führen, dass Grundstücke beiderseits der Autobahn künftig für den Bau von Wohnungen genutzt werden können. „Wenn der Altonaer Deckel nicht als 2030-Meter-Deckel kommt, sind die Wohnungsbauprojekte im Hamburger Westen geplatzt“, sagte Olaf Duge, stadtentwicklungspolitischer Sprecher der Grünen.
Die Linke wiederum, die im Juni als einzige Fraktion in der Bürgerschaft einem Antrag zum „Altonaer Konsens“ über den langen Deckel nicht zugestimmt hatte, monierten, dass der Senat erst nach der Bürgerschaftswahl im Februar kommenden Jahres die Karten auf den Tisch legen müsse. „Die unendliche Hängepartie in Hamburg geht jetzt weiter“, erklärte Heike Sudmann, die verkehrspolitische Sprecherin der Linken-Fraktion. Dabei sei genügend Geld da, wenn man nur Vermögens- und Erbschaftssteuer ordentlich erheben würde.
Grüne und CDU argwöhnen inzwischen, dass die Sozialdemokraten sich klammheimlich vom langen Deckel in Altona verabschieden wollen. Der Versuch, jetzt dem Bundesverkehrsministerium den schwarzen Peter zuzuschieben, hinterlasse bei ihm den Eindruck, dass „die SPD vom Deckelprojekt runter will“, sagte CDU-Chef Weinberg. Grünen-Fraktionschef Jens Kerstan warf Wirtschaftssenator Frank Horch vor, er versuche bei jeder Gelegenheit sich von Beschlüssen des Senates und der Bürgerschaft zu distanzieren. „Dieses Herumgeeiere muss ein Ende haben!“, meinte Kerstan.
Bernt Grabow, einer der Mitbegründer der Altoner Bürgerinitiative „Ohne Dach ist Krach“ ließ am Donnerstag keinen Zweifel daran, dass man die Haltung der Parteien zum A7-Deckel im Bürgerschaftswahlkampf thematisieren werden. Von bis zu 4000 Handzetteln mit den Positionen der Parteien sprach er. Diese werden man in den Wochen vor der Wahl verteilen. „Dann können die Menschen selbst entscheiden, wen sie wählen.“
Grabow ließ auch keinen Zweifel daran, dass der „Hamburger Konsens“ ein klares Bekenntnis zum längeren Deckel bedeute. Aber ein Bekenntnis sei eben noch keine Entscheidung. „Jetzt müssen endlich die Planungen und die Kostenschätzungen auf den Tisch“, sagte Grabow. Denn eines sei klar: „Die nächste Bürgerschaft muss über den Deckel entscheiden.“