Wer ungewöhnliche Sportarten in Hamburger Fitnessstudios testet, wird in die Luft gehen – zum Beispiel beim Airyoga. Abendblatt-Redakteurin Camilla John hat sich getraut.

Hamburg. Das waren noch Zeiten, als man bereits vor dem Sportkursus wusste, welches Körperteil nach Ende der Trainingsstunde schmerzen wird. „Bauch, Beine, Po“, zum Beispiel, der Klassiker. Oder „Rücken fit“.

Heute kann man schlicht gar nicht mehr laufen, wenn man ein Hamburger Fitnessstudio besucht hat und eine Stunde etwas praktizierte, von dem man erst dachte, es eventuell essen zu können. Doch essen will man nach den Übungen der neuen Trendsportarten erst mal nix, ganz sicher. Antara und M.A.X. bietet in Hamburg der Club Aspria am Hofweg an, Airyoga kann man in der Kaifu Lodge ausprobieren. Ein Test zeigt, was sich hinter diesen Bezeichnungen verbirgt.

M.A.X. kann ja beispielsweise alles bedeuten. In der Sportwelt steht es für: „Muscle Activity Excellence“. Ein „intensives Ganzkörpertraining mit den Schwerpunkten Muskel- und Körperform“. Klingt gut, nach Kraft und Bewegung und so. Außerdem dauert ein Kursus lediglich 30 Minuten, ein absoluter Pluspunkt. Denkt man vorher.

In die Hände klatschend, mit einem breiten Lächeln begrüßt Trainer Christian Schröder die zehn Teilnehmer in einem hellen Studio im Obergeschoss des Aspria am Hofweg. „Toll, dass ihr heute dabei seid, jeder holt sich bitte einen Step und dann geht es schon los!“ Ein Step, auch Stepper oder Stepbank genannt, ist eine Art höhenverstellbare Bank, mit der früher viele Aerobic-Kurse arbeiteten. Schlagartig wird einem bewusst, dass sich nun alle Fahrstuhlfahrten rächen werden.

Und genauso geht es los. Rauf auf das Ding, runter, drüberspringen, in die Hocke, Ausfallschritt, wieder hoch, drumherum tippeln, Richtungswechsel. Darauf stemmen, Liegestütz, mit Bein heben, ohne, halten, halten, halten. Wieder hoch, springen, außen rum. Man solle an die eigene Belastungsgrenze kommen. Wenn ich was schaffe, dann das. „Zeig es allen!“, ruft unser Trainer, dem man ansieht, dass er den Kursus schon mindestens mehrere Hundert Mal gegeben hat. Und seit 25 Jahren in der Fitnessbranche aktiv ist. „Dieser Kursus lebt davon, dass es überhaupt keine Pausen gibt“, erklärt er. Das merken die Teilnehmer schnell.

Nach einer halben Stunde ist Schluss. Ich weiß das genau, denn ich habe sicher achtzig Blicke auf die Uhr geworfen, damit wir das Ende nicht noch verpassen. Es war so anstrengend. So sehr anstrengend. „Hat’s Spaß gemacht?“, will Schröder noch wissen. „Jahaaaa“, tönt es aus dem Raum, was nur damit zu erklären ist, dass die Ausschüttung von Glückshormonen nach dem Durchhalten bereits begonnen hat.

Allerdings: Eine halbe Stunde volle Power sei genauso effektiv wie seichtere sechzig Minuten Work-out, sagt Schröder. „Diese neuen, hochintensiven kompakten Einheiten sind voll im Trend und werden sehr gut angenommen von unseren Mitgliedern.“

Mein Kurzprogramm wird allerdings verlängert, weiter geht es mit Antara. Ich weiß nur, dass es nicht so schlimm werden wird wie die vergangenen Minuten. Im zugehörigen Flyer zur Sportstunde steht: „Antara ist ein Bewegungskonzept, das zu einem kräftigen Rücken, zu einem flachen Bauch und zu einer starken Mitte führt.“ Gerade für Menschen, die viel am Schreibtisch sitzen, Beckenboden und Rückenmuskulatur kräftigen wollen, soll das „intensive, präzise und ruhige Work-out“ passend sein. Der Name hat keine weitere Bedeutung, klingt nur schön und kommt aus der Schweiz.

Dieses Mal ist der Raum voller, die Teilnehmer vom Alter her gemischt, ein Drittel sind Männer. Eine Truppe, die regelmäßig zusammen trainiert und an der tiefen stabilisierenden Rumpfmuskulatur arbeitet. Die Stimmung ist gelöst, Schröder erklärt mehr, spricht über „Länge im Körper“, die „aufrechte Haltung, die man beim Sitzen vor dem Computer oft verliert“ und ermuntert, das Brustbein bei jeder der folgenden Übungen in jeder Position zu heben.

Eine Flexibar, eine dünne Stange mit Gewichten an den Seiten, die man in Schwingung versetzen kann, wird in die Übungen eingebunden. Wenn die Stange vibriert, soll der Körper mit starkem Rumpf dagegenhalten. Das Tempo des Kurses kommt mir entgegen, definitiv angenehmer als zuvor. Schröder korrigiert oft kleinste Haltungsungenauigkeiten und gibt den Teilnehmern Hilfestellungen. Wohltuend: die Entspannung im Liegen auf der Matte. Mein Fazit: Die Inhalte und Trainingsgeräte sind nichts Neues, doch Zusammenstellung, Geschwindigkeit und Kombination wirkungsvoll und dem Zeitgeist entsprechend.

Muskelkater wurde über mehrere Tage zu meinem treuen Begleiter

Außerdem hat man noch lange etwas davon. Mein Muskelkater begleitete mich drei Tage bei jeder Bewegung.

Nach dem Airyoga-Kursus in der Kaifu Lodge waren es immerhin nur 48Stunden, an denen ich nur körperlich eingeschränkt agieren konnte. Die Mutter aller Hamburger Fitnesstempel bietet vierzig Yogakurse pro Woche an, darunter Power Yoga, Yogalates oder Yoga Long Slow Deep. Das Airyoga ist sicherlich die ungewöhnlichste Art, Yoga zu machen, denn den Großteil der Stunde verbringt man in irgendeiner verdreht aussehenden Haltung in einer Art Beutel, einem riesengroßen, weichen Artistentuch, das von der Decke herabhängt.

Vier Frauen sind zum „Abhängen“ gekommen und befestigen nun mithilfe einer Trittleiter die bunten Tücher mit Karabinerhaken in einem Holzbalken. „Willkommen zur Flugstunde“, sagt Yogalehrer Nils Schröder, der als einer der wenigen diesen Yogastil unterrichten kann. „Es ist einfach ein tolle Art, sich mal richtig auszuhängen, die Wirbelsäule kann sich gut entlasten“, sagt er. Besonders zur Vorbeugung von Bandscheibenvorfällen, jedoch nicht vor sechs Monaten nach einem akuten Vorfall, sei das Training anzuraten. „Der zweite Vorteil ist, dass man viele Umkehrhaltungen wie den Handstand machen kann im Tuch, bei denen der Kopf unten ist. Die Leute müssen sich überwinden und können nachher stolz auf sich sein, sich getraut zu haben.“ Und drittens: Es ist richtig lustig.

Schon die Stimmung in der Gruppe ist angenehm, man fühlt sich sofort willkommen. „Es geht heute um die Energierichtungen im Körper, die wir mit den unterschiedlichen Übungen ansprechen“, erklärt Nils Schröder. Währenddessen schaukeln wir Teilnehmer in unseren bunten Säcken. Sicher und geborgen fühlt man sich bei den ersten Übungen, bei denen es ums Atmen geht und wir völlig vom Tuch eingeschlossen in der Luft hängen.

Doch die Stunde nimmt rasch Fahrt auf, das Tuch wird schmal gefaltet, wir machen die Sonnengrüße – immer wiederkehrende Bewegungsabläufe. Das Tuch schneidet an Hüften und Schultergürtel ein. „Das ist normal und legt sich nach einigen Malen“, sagt Schröder und soll recht behalten. Das Beugen und Strecken, nach hinten springen und wieder auf der Matte nach vorne laufen ist fordernder als im Yoga ohne Tuch, dafür wird man belohnt: Es ist eine kindliche Freude, sich sicher vom Tuch gehalten zu fühlen und dann wie eine Galionsfigur durch die Luft zu schwingen. Oder über Kopf zu hängen.

„Flugstunde“, jetzt macht die Eingangsbezeichnung Sinn. Außerdem macht es einfach so viel Spaß, wenn man versucht, den Anweisungen zu folgen und sich mit seinem Körper in das Tuch reinknotet, um dann doch wegzurutschen. „Man ist kurz hilflos und muss sich im Raum neu orientieren“, sagt Schröder. Mein Fazit: Unbedingt ausprobieren und das Kind in einem selbst rauslassen. Um der Stunde aber gut folgen zu können, sind Yoga-Grundkenntnisse von Vorteil.

Wer es gern noch ausgefallener hat, sollte im Moment die Angebote wahrnehmen, die im Freien stattfinden. Besonderer Höhepunkt und fast konspirativ: Sportstunde an Orten, die kurzfristig via Facebook-Gruppe bekannt gegeben werden. Fitnessmann Marco Santoro und Yogalehrer Hans Figueroa hatten die Idee zu Yogaletic Moves, einem „Yin-Yang Konzept bei dem Yoga auf Athletik trifft“: Das Besondere ist zum einen die Mischung zweier Richtungen, dazu die Orte: am Elbstrand, in Parks oder über den Dächern Altonas.

Gleiche Mixidee gibt es bei einem neuen Kursus der On Stage Training-Studios: Piloxing. Eine Mischung aus Ballett-, Pilates- und Boxbewegungen. „Dieser Kurs spricht eher Frauen an und ist ein Ganzkörper-Work-out“, sagt Sascha Meyer vom On Stage Marketing.

Da weiß ich ja bereits, was ich jetzt als nächste, neue Sportart des Sommers ausprobieren werde.