Die mögliche Streichung von rund 1200 Leiharbeitsplätzen bei Airbus bringt vor allem spezialisierte Personaldienstleister in Existenznot. Airbus setzt zunehmend auf Werkverträge.
Hamburg. Der Abbau von Leihkräften bei Airbus bringt Zeitarbeitsfirmen in Bedrängnis. „Besonders gefährdet sind die kleinen, oft sehr stark von der Luftfahrtbranche abhängigen Personaldienstleister“, sagt Annette Fahrendorf, Vorstandsmitglied des Zuliefererverbands Hanse-Aerospace. Nach Angaben aus Unternehmenskreisen will Airbus in diesem Jahr die Verträge von bis zu 1200 Zeitarbeitern kündigen oder nicht verlängern. Betroffen sind vor allem Stellen in Entwicklungsabteilungen, weil bei dem Flugzeugbauer in den nächsten Jahren kein komplett neues Jetprogramm ansteht.
Anstelle der Zeitarbeiter setzt Airbus zunehmend auf Werkverträge. Zum Teil werden sie von den gleichen Personaldienstleistern übernommen, die vorher die Leihkräfte stellten – und von denen verrichten nun einige auf diese Weise zu schlechteren Konditionen im Prinzip die gleiche Arbeit wie bisher (das Abendblatt berichtete).
„Die großen Ingenieurdienstleister bieten meist beides an, Zeitarbeit wie Werkvertragstätigkeiten“, sagt Rüdiger Ebeling, Sprecher des Verbands Hanseatic Engineering & Consulting Association (Hecas). „Für manchen kleineren Personaldienstleister, der nicht auch Werkvertragsarbeiten übernehmen kann, wird die neue Situation aber zur Existenzbedrohung.“ Das gilt insbesondere dann, wenn Beschäftigten, für die man keine neuen Arbeitsplätze in anderen Firmen findet, gekündigt werden muss und sie wegen langer Firmenzugehörigkeit höhere Abfindungen erhalten.
„Als Verband versuchen wir, unsere Mitgliedsunternehmen bei der Suche nach neuen Einsatzmöglichkeiten für ihre Beschäftigten zu unterstützen“, sagt Fahrendorf. Dazu kooperiere man auch mit der Agentur für Arbeit: „Sie ist grundsätzlich bereit, betroffenen Mitarbeitern bei der Neuqualifizierung zu helfen.“ Allerdings ist es offenbar nicht einfach, die von Airbus abgemeldeten Zeitarbeiter in anderen Firmen unterzubringen. „Airbus hat von uns eine immer stärkere Spezialisierung im Hinblick auf die Bedürfnisse des Großkunden erwartet“, erklärt Ebeling. „Das hat jetzt zur Folge, dass wir abgemeldete Mitarbeiter nur schwer woanders einsetzen können.“
In der Luftfahrtbranche ist man sich bewusst, dass qualifizierte Leihkräfte, die nun in einen anderen Wirtschaftszweig wechseln müssen, womöglich nicht zurückkehren, auch wenn ihre Kenntnisse in einigen Jahren wahrscheinlich wieder dringend benötigt werden. „Diese Beschäftigten haben ein immenses Know-how angesammelt, und das ist so wertvoll, dass wir es erhalten wollen“, sagt Ebeling. Eine Möglichkeit dafür könnten öffentliche Forschungsvorhaben sein, meint Fahrendorf.
Zwar habe der Staat eine Verantwortung, wenn es darum gehe, die richtigen Rahmenbedingungen für Forschung und Entwicklung in der Luft- und Raumfahrtindustrie zu schaffen, sagt Meinhard Geiken, Bezirksleiter der IG Metall Küste. Doch vor allem zeigen sich nach seiner Auffassung jetzt die Konsequenzen einer Zweckentfremdung der Zeitarbeit: „Leihkräfte waren ursprünglich für die Abdeckung von Auftragsspitzen vorgesehen. Ein Geschäftsmodell, das auf einen langfristigen Einsatz von Zeitarbeitern setzt, ist problematisch“, sagt Geiken. Von Airbus sei es „strategisch gesehen mehr als leichtfertig“ gewesen, Leihkräfte über den kompletten Entwicklungszeitraum von Flugzeugen, also für acht Jahre oder länger, einzuplanen.
Nach Angaben von Airbus gibt es für die hauptsächlich betroffenen Abteilungen in den nächsten Jahren aber wesentlich weniger Arbeit. „Nach den hohen Aufwänden mehrerer paralleler Flugzeugentwicklungen normalisiert sich der Bedarf an Entwicklungskapazitäten derzeit“, sagt Firmensprecher Florian Seidel. „Wir passen die Kapazitäten an den Bedarf an, weil in der nächsten Zeit keine gänzlich neuen Flugzeugprogramme anstehen.“ Das nächste derartige Projekt – ein Nachfolger der A320-Familie – dürfte erst weit im kommenden Jahrzehnt anlaufen.
Aus der Sicht des Betriebsrats und der IG Metall ist dies aber nicht der einzige Grund für die Abmeldung der Zeitarbeiter. Denn die Bundesregierung plant eine Gesetzesänderung, wonach Leihkräfte künftig nur noch höchstens zwei Jahre am gleichen Arbeitsplatz tätig sein dürfen. Würde diese Frist überschritten, könnten sie sich in das Unternehmen, bei dem sie eingesetzt sind, für eine Festanstellung einklagen. Airbus jedoch beschäftigt sehr viele Zeitarbeiter schon seit acht oder zehn Jahren.
Personaldienstleister, die in der Luft- und Raumfahrtbranche tätig sind, haben mit der geplanten Einschränkung ein Problem. „Die Einarbeitung einer neuen Leihkraft in der Luftfahrt dauert je nach Tätigkeit drei bis neun Monate“, sagt Gerhard Engelbrecht, im Vorstand des Verbandes Hanse-Aerospace zuständig für den Bereich Personal. „Wenn die Höchsteinsatzdauer bei zwei Jahren liegen soll, wird die produktive Phase sehr kurz.“ Fahrendorf argumentiert, die enge Begrenzung der Einsatzdauer könne nicht im Sinne der Arbeitnehmer sein: „Die Personaldienstleister haben im Luftfahrtsektor nicht wenig Geld in die Weiterbildung ihrer Beschäftigten investiert. Das würde sich künftig nicht mehr lohnen.“
Werkverträge sind in der Regel schlechter bezahlt als Zeitarbeitsjobs
Wenn bisherige Leihkräfte in einen Werkvertrag wechseln, werden sie zwar nicht arbeitslos, sie müssen sich aber mit Gehaltseinbußen abfinden. Ein Betroffener, ein staatlich geprüfter Techniker, hatte dem Abendblatt geschildert, er verdiene jetzt 30 Prozent weniger, das Einkommen sinke um 1500 bis 2000 Euro im Monat. Gleichzeitig steige die Arbeitszeit von 35 auf 40 Wochenstunden.
Generell gilt: Während Leiharbeiter bei Airbus wie Festangestellte bezahlt werden, gilt das für Werkvertragskräfte nicht. „Die Stundensätze im Werkvertrag sind niedriger als die in der Zeitarbeit“, sagt Fahrendorf. Der im Abendblatt dargestellte Fall entspreche jedoch nicht der Regel, sagt Ebeling: „Das Gehalt als Werkvertragskraft ist etwas niedriger als in der Zeitarbeit, aber meist nicht in dem dort genannten Ausmaß.“
Annette Fahrendorf kann sich vorstellen, wie es in diesem Fall dazu kam: „Vor einigen Jahren, als mehrere Entwicklungsvorhaben bei Airbus parallel anstanden, hat man Stellen, die für Ingenieure vorgesehen waren, auch mit Technikern besetzt, sie aber wie Ingenieure bezahlt. Das mag leistungsgerecht gewesen sein, ist aber bei einem neuen Einsatz auf einer anderen Position oder im Werkvertrag nicht immer aufrechtzuerhalten.“ Allerdings könnten sich für die Arbeitnehmer aus dem Wechsel in einen Werkvertrag am Ende auch Chancen ergeben, sagt Ebeling. Denn so könne man mehr Verantwortung übernehmen.