Die Vorstände um den damaligen Finanzvorstand Dirk Jens Nonnenmacher hätten ihre Pflichten nicht vorsätzlich verletzt. HSH Nordbank will trotz Freisprüchen Schadenersatz erstreiten.

Hamburg. Überraschung im HSH-Nordbank-Prozess: Das Hamburger Landgericht hat den kompletten früheren Vorstand der Landesbank samt Ex-Finanzchef Dirk Jens Nonnenmacher freigesprochen. Nach Ansicht der Strafkammer sind die sechs Manager weder der schweren Untreuenoch der Bilanzfälschung schuldig, wie der Vorsitzende Richter Marc Tully am Mittwoch sagte.

Fehlentscheidungen der Angeklagten hätten nicht die „Grauzone in Richtung Strafbarkeit“ überschritten. Die Staatsanwaltschaft will ihren Angaben zufolge nun prüfen, ob sie in Revision geht. Dann würde der Fall beim Bundesgerichtshof landen. Erstmals in Deutschland stand der gesamte einstige Vorstand einer Bank wegen Ereignissen während der Finanzkrise vor Gericht. Die Angeklagten hatten die Vorwürfe stets zurückgewiesen.

Riskantes Doppelgeschäft sollte Bilanz entlasten

In der Finanzkrise galt Nonnenmacher – Spitzname „Dr. No“ – als einer der umstrittensten Banker Deutschlands. Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft waren die Manager kurz vor Weihnachten 2007 bei einem komplexen Geschäft namens „Omega 55“ wissentlich zu hohe Risiken eingegangen. Sie hätten dabei ihre Pflichten grob verletzt. Die Anklagebehörde schätzte den dadurch entstandenen Schaden auf fast 53 Millionen Euro. Mit dem riskanten Doppelgeschäft mit der Pariser Großbank BNP Paribas wollte die HSH Nordbank ihre Bilanz entlasten. Ihr drohte damals eine Herabstufung durch die Rating-Agenturen. Eine solche Entlastung habe es aber nicht gegeben, betonte Tully: „Dadurch wird das ganze Geschäft objektiv sinnlos.“ Dass die ehemaligen Vorstandsmitglieder ihre Pflichten verletzt haben, sieht auch das Gericht so.

Staatsanwaltschaft: Angeklagte wollten sich nicht selbst bereichern

Die Manager seien bei ihrer Unterschrift unter die Vorlage unzureichend informiert gewesen – „und zwar sowohl formell wie auch sachlich-inhaltlich“. Tully sprach von der gemeinsamen Verantwortung aller sechs Angeklagten. Im ersten Teil seiner Urteilsbegründung konzentrierte sich der Vorsitzende Richter darauf, was den Angeklagten vorzuwerfen ist. Die HSH Nordbank habe langfristig zu den „Top Ten“ aufsteigen wollen. „Retrospektiv war dieser Plan Ausfluss nicht unüberheblicher Selbstüberschätzung“ – auch der Eigentümer, der Länder Hamburg und Schleswig-Holstein. Schon die Staatsanwaltschaft hatte den Angeklagten zu Gute gehalten, dass sie sich nicht selbst bereichern wollten.

Auch Tully betonte, zu keinem Zeitpunkt habe der Verdacht bestanden, dass sich die angeklagten „Bankster“ zum eigenen unmittelbaren Vorteil am Vermögen der Landesbank vergriffen hätten. Dass es schwierig sein würde, mögliche Verfehlungen der Banker strafrechtlich zu erfassen, hatte Tully schon beim Prozessauftakt vor knapp einem Jahr deutlich gemacht. „Die Strafkammer betritt Neuland“, hatte er damals erklärt. Die Staatsanwaltschaft hatte für die sechs Angeklagten Bewährungsstrafen und Geldbußen verlangt. Die Verteidiger hatten allesamt Freisprüche gefordert. Nach den Freisprüchen überlegt die Staatsanwaltschaft, ob sie in Revision geht. „Wir werden das jetzt prüfen“, sagte Behördensprecher Carsten Rinio.

HSH Nordbank will trotz Freisprüchen Schadenersatz erstreiten

Trotz der Freisprüche für ihren gesamten früheren Vorstand will die HSH Nordbank weiter Schadenersatz von drei Ex-Vorstandsmitgliedern erstreiten. „Die zivilrechtlichen Schadenersatzansprüche der Bank sind von dem (...) Urteil unberührt“, teilte die Bank am Mittwoch mit. Eine Anwaltskanzlei habe den Sachverhalt bereits 2009 geprüft und damals Pflichtverletzungen von drei Vorständen im Zusammenhang mit dem Finanzgeschäft „Omega 55“ festgestellt. Gegen sie habe die HSH Nordbank schon vor Beginn des Strafverfahrens zivilrechtliche Schiedsverfahren eingeleitet.

„Die Bank wird diese Verfahren mit allem Nachdruck fortführen und ihre Rechte durchsetzen“, hieß es. Die Verfahren richten sich gegen die früheren Vorstände Jochen Friedrich, Peter Rieck und Hartmut Strauß. Mit den anderen Vorständen – darunter Ex-Finanzvorstand Dirk Jens Nonnenmacher – habe die Bank vor Prozessbeginn einen sogenannten Verjährungsverzicht vereinbart.

„Sollten in einem etwaigen Revisionsverfahren diese Vorstände rechtskräftig verurteilt werden, würde die Bank entsprechende Schiedsverfahren gegen sie einleiten.“ Das Hamburger Landgericht hatte am Mittwoch sechs ehemalige Vorstände, darunter Nonnenmacher, vom Vorwurf der schweren Untreue freigesprochen. Die Staatsanwaltschaft prüft, ob sie in Revision geht.