Oberbaudirektor Jörn Walter will die umstrittene „Betonkiste“ nach der Verlegung des Bahnhofs zum Diebsteich abreißen. An so prominenter Stelle müsse es ein Gebäude mit „Würde und Ausstrahlung“ geben.
Altona. Nach der jüngsten Entscheidung der Deutschen Bahn AG für eine Verlagerung des Altonaer Fernbahnhofs rückt das eigentliche Bahnhofsgebäude wieder ins Blickfeld der Öffentlichkeit: Ein eher klotzartiges Bauwerk, das dort Ende der 1970er-Jahre aus Betonfertigteilen gebaut wurde.
Aus heutiger Sicht unfassbar: Den alten, 1898 im Stil der wilhelminischen Backsteingotik errichten Bahnhof Altona ließen Bahn und Stadt trotz massiver Proteste seinerzeit abreißen. Angeblich habe das Gebäude mit seinen Türmen und Zinnen den Erschütterungen der damals neu gebauten S-Bahn im Untergrund nicht standgehalten. Und so entstand dort ein „Einkaufszentrum mit Bahnanschluss“, wie es damals spöttisch in der Bevölkerung hieß.
Heute spricht Hamburgs Oberbaudirektor Jörn Walter mit Blick auf den 70er-Jahre-Bau von einer „Betonkiste“, die er am liebsten wieder abreißen würde. „Das ist nicht gerade ein Beispiel schöner Hamburger Architektur“, sagte Walter im Gespräch mit dem Abendblatt. An so prominenter Stelle müsse es wieder ein Gebäude geben, das die „Würde und Ausstrahlung“ des alten Bahnhofs habe, sagt Walter. Nicht ein Wiederaufbau des historischen Bahnhofs, sondern etwas Neues müsse es an dieser prominenten Stelle geben. „Jede Generation muss ihre Denkmäler bauen können“, sagt Walter.
Tatsächlich dürften die Chancen gut stehen, dass das eher wenig spektakuläre Gebäude in nicht allzu ferner Zukunft abgerissen oder wenigstens umgebaut wird. Mit ihrem Beschluss zur Verlegung der Fernbahn machte die Bahn den Weg frei für den zweiten Abschnitt der Neuen Mitte Altona, wo auf altem Bahngelände in den kommenden Jahren insgesamt 3500 Wohnungen gebaut werden sollen.
Die Stadt wird das Areal für 38,8 Millionen Euro von der Bahn kaufen, der Bahnhof soll dann bis 2023 zur nahen S-Bahnstation Diebsteich verlegt werden. Dort soll dann ein Durchgangsbahnhof entstehen, das langwierige Ein- und Ausfädeln in den Kopfbahnhof Altona würde dann nicht mehr notwendig sein, argumentiert die Bahn.
Das heutige Bahnhofsgebäude wäre dann in der Verlängerung einer zentralen Achse vom Rathaus aber so etwas wie das zentrale Eingangsportal zur Neuen Mitte Altonas, die eine Art Vorzeigestadtteil für modernes städtisches Wohnen werden soll. Denn mit der Verlegung ist nur die Verlegung von Bahnsteigen und Gleisen verbunden, das eigentliche Bahnhofsgebäude aber nicht, jedenfalls nicht umfassend.
Von den rund 100.000 Besuchern, die dort täglich durchströmen, sind lediglich 25.000 Fernbahnkunden, der weitaus größere Teil der Reisenden fährt mit der S-Bahn, die dort natürlich weiter halten wird. Lediglich die Bahnanlagen im oberen Teil werden wohl abgebaut.
Das eigentliche Einkaufszentrum drumherum gehört seit der Privatisierung vor rund zehn Jahren auch gar nicht mehr der Bahn, sondern einem Londoner Immobilienunternehmen. Doch Walter zeigt sich überzeugt, dass der Immobilieneigentümer von einer Neugestaltung überzeugt werden könnte. „Ansonsten bauen wir etwas um deren Kiste drumherum“, sagt Walter.
Bahnhofsverlegungen sind im Übrigen nichts Neues in Altona. Der ursprüngliche Altonaer Bahnhof war einmal das heutige Rathaus. Als im 19. Jahrhundert dann die Verlegung und der Neubau des Bahnhofs anstanden, plädierte Preußen als Besitzer der Eisenbahn für einen anderen Standort und argumentierte wie die Bahn heute mit einer besseren Betriebsführung. Doch die Altonaer setzten sich durch, der Bahnhof blieb im Zentrum. Preußen wollte ihn indes knapp zwei Kilometer weiter nördlich anlegen. An den Diebsteich.