Steindamm und Hansaplatz drohen zu verkommen. Polizei überlastet. Initiative prüft Kosten für private Ordnungshüter. Polizei beobachtet, dass sich die Trinkerszene immer mehr ausweitet.
Hamburg. Prostituierte stehen in den schmuddeligen Eingängen der Stundenhotels, auf dem Bürgersteig sitzen Bettler und Betrunkene und schnorren Passanten um Geld an. Auf dem Gehsteig liegt Müll. Dieses Bild bietet sich täglich am Steindamm unweit des Hauptbahnhofs schon mittags um 12 Uhr. Ähnlich sieht es ein paar Meter weiter am Hansaplatz aus, der für viel Geld neu gestaltet wurde.
Jetzt schlagen Anwohner und Politiker in St. Georg Alarm. „Der Steindamm und der Hansaplatz drohen wieder zur Schmuddelecke zu verkommen“, sagt Quartiersmanager Wolfgang Schüler. Dabei hatte es in den vergangenen Jahren so ausgesehen, als seien die sozialen Brennpunkte in dem beliebten Stadtteil auf einem guten Weg. Doch inzwischen sei alles wieder wie früher, klagt Schüler, der auch im Auftrag der Interessengemeinschaft Steindamm arbeitet und die Interessen von rund 50 Gewerbetreibenden und Immobilieneigentümern vertritt. „Die Prostituierten bieten in aller Öffentlichkeit und völlig unbehelligt ihre Dienste an. Bei gutem Wetter sind schon in den Mittagsstunden bis zu 30 Damen auf der Straße unterwegs.“ Eigentlich dürfte es hier im Sperrbezirk gar keine Prostitution geben. Wer die Prostituierten anspricht, riskiert hohe Geldbußen. Augenscheinlich läuft das Geschäft dennoch gut. „Auch der Drogenhandel scheint wieder zugenommen zu haben“, so Quartiersmanager Schüler. Hinzu komme, dass der Hansaplatz zum Treffpunkt von Trinkern aus der ganzen Stadt geworden sei, die dort mit viel Alkohol den Tag verbringen.
Hausbesitzer und Ladeninhaber wollen dieser Entwicklung jetzt nicht mehr tatenlos zusehen. „Wir denken ernsthaft darüber nach, einen privaten Sicherheitsdienst für den Steindamm zu engagieren. Zurzeit werden die Kosten geprüft“, sagt Schüler. Die Angestellten von Security-Unternehmen hätten zwar nicht die gleichen Rechte wie die Polizei, aber würden alleine durch ihre Präsenz für eine Verbesserung der Situation sorgen. Die Polizei habe in St. Georg sehr vielfältige Aufgaben, aber zu wenig Personal, um sich um alles zu kümmern.
Der Leiter des Bezirksamts Mitte, Andy Grote (SPD), sieht die Pläne der Anwohner eher skeptisch: „Wenn es ein Konzept für einen privaten Sicherheitsdienst gibt, müsste man dieses erst mal eingehend prüfen. Ein privater Sicherheitsdienst hat im öffentlichen Raum allerdings praktisch keine Rechte.“
SPD-Fraktionschef Falko Droßmann sieht darin kein geeignetes Instrument, bestätigt aber akuten Handlungsbedarf: „Natürlich dürfen sich Hansaplatz und Steindamm nicht zu sozialen Brennpunkten entwickeln. Weder ausufernde Prostitution, noch Alkoholexzesse wollen wir dort haben.“ Besonders der schön hergerichtete Hansaplatz solle ein Ort sein, an dem sich Bürger sicher- und wohlfühlten. Droßmann: „Die Polizei muss für eine Verbesserung der offensichtlich angespannten Situation sorgen.“
Das sieht CDU-Fraktionschef Gunter Böttcher ähnlich: „Die sich häufenden Beschwerden der Anwohner und Gewerbetreibenden zeigen, dass akuter Handlungsbedarf besteht.“ Grünen-Fraktionschef Michael Osterburg sagt: „Der Hansaplatz muss noch mehr durch Außengastronomie belebt werden. So würde erreicht, dass dieser Ort am Brunnen attraktiver und die Durchmischung verbessert werden.“ Osterburg fordert, die Prostituierten mit Hilfsangeboten zu unterstützen und sie von der Straße wegzuholen.
Die Polizei kämpft gegen die Prostitution an, unter anderem mit der „Kontaktverbotsverordnung“: Gegen 244 Freier, die sich nicht an das Verbot gehalten haben, wurden im ersten Quartal dieses Jahres Verfahren eingeleitet. Bis zu 800 Euro Bußgeld wurden pro Fall verhängt. Im Abendblatt-Gespräch sagte Andreas Nieberding, der das Polizeikommissariat 11 am Steindamm mit 154 Mitarbeitern leitet: „Wir haben zwölf Mitarbeiter in der Abteilung für operative Aufgaben, die sich schwerpunktmäßig um die Einhaltung des Kontaktverbots kümmern.“ Deren Arbeit sei sehr erfolgreich und mische die Szene auf. Aber Nieberding räumte auch ein: „Das Kontaktanbahnungsverbot hat nicht zu einem Rückgang der Prostituierten geführt. Wir zählen hier immer noch bis zu 40 Damen am Tag.“
Die Sorgen der Anwohner und Gewerbetreibenden sind Nieberding bekannt: „Wir nehmen jede Beschwerde ernst und versuchen Abhilfe zu schaffen.“ Aber dem Polizeioberrat ist wichtig: „In St. Georg herrscht kein Ausnahmezustand. Wir haben die Lage im Griff, aber natürlich ist das hier im Bahnhofsumfeld auch eine Herausforderung und nur mit entsprechender Präsenz zu bewältigen.“
Die Polizei beobachtet, dass sich die Trinkerszene immer mehr ausweitet: „Bei gutem Wetter versammeln sich bis zu 70 Angehörige der Trinkerszene am Brunnen am Hansaplatz, aber auch an anderen Orten im Stadtteil“, so Nieberding. Das sei keine schöne Entwicklung, aber auch kaum lösbar. „Wir können keinem verbieten, sich auf einem öffentlichen Platz aufzuhalten.“