St. Georg ist ein Stadtteil im Wandel. Immer mehr teure Wohnungen entstehen, die Mieten steigen. Seit 2012 ist nun auch dei Prostitution verboten. Doch was bedeutet das für die Prostituierten selbst?

St. Georg „Der Rand der Gesellschaft bestimmt ihre Form“, sagt Pastorin Katja Oldenburg-Luckey und zeigt rund 15 Besuchern im Stadtteil, was sie damit meint. Unter dem Motto „Auf den Spuren der Prostitution“ hat die Diakonie Hamburg zu einer Führung durch St. Georg geladen, um die unterschiedlichen Seiten der Prostitution und der Hilfe für die Frauen auf der Straße zu zeigen. Einrichtungen wie das von der Diakonie getragene Café Sperrgebiet oder die Polizei sind in St. Georg täglich mit Prostitution beschäftigt.

Im Polizeikommissariat 11 gibt es vier sogenannte Milieuaufklärer. „Wir sind Ansprechpartner für die Frauen“, sagt Andreas Nieberding, Leiter des PK11. „Aber wir schreiben auch Anzeigen gegen sie“, denn im Sperrbezirk St.Georg ist Prostitution verboten. Seit 2012 gilt zusätzlich ein Kontaktverbot – für den Polizisten ein Fortschritt: „Seitdem können wir endlich auch die Freier bestrafen.“ Im Viertel sieht man die andere Seite dieses mutmaßlichen Erfolgs: Freier blieben weg, die Frauen seien gezwungen, Preise zu senken und sich in immer dunklere Ecken zurückzuziehen. „Das Kontaktverbot macht den Job der Mädchen schwieriger und gefährlicher“, sagt Beatrice Hennig, Leiterin des Cafés Sperrgebiet der Diakonie. „Sie werden aus der Öffentlichkeit verdrängt.“ So ist es auf dem Hansaplatz heute ruhiger als früher, es sind kaum Prostituierte zu sehen und von den einschlägigen Bars sind nur wenige geblieben. Auch das Café Sperrgebiet musste weichen und an die Lindenstraße umziehen. „St. Georg ist ein Stadtteil im Wandel. Immer mehr neue teure Wohnungen entstehen. Die Prostitution vor der Tür soll verschwinden“, sagt Pastorin Oldenburg-Luckey.

Zusätzlich haben die Frauen auf dem Straßenstrich täglich mit Krankheiten zu kämpfen. Zwar sei Aids gut behandelbar, sagt Angelika Lahmann von der Aids-Seelsorge, doch Beatrice Hennig schüttelt den Kopf: „Für unsere Mädchen gilt das nicht.“ Medikamente sind teuer. Und auch mit Tabletten sei eine erfolgreiche Behandlung nicht garantiert. „Wer anschaffen geht, hat keinen regelmäßigen Tagesablauf. Da klappen regelmäßige Einnahme und Kontrolluntersuchungen nur selten.“

Im Café Sperrgebiet hilft daher eine Ärztin bei gesundheitlichen Fragen. Die meisten Frauen benötigen vor allem Aufklärung, sagt die Leiterin: „Sie wissen nicht, wie sie schwanger werden oder ein Kondom benutzt wird. Da setzen wir an.“ Seit der Einführung des Kontaktverbots klagen zudem immer mehr Prostituierte über hohe Schulden durch Anzeigen – am Ende drohe das Gefängnis. Daher bekommen die Frauen auch juristische Hilfe.

Für die meisten Mädchen sei das Café ein Stück Alltag. „Sie können hier gemeinsam kochen, reden und lachen“, sagt Beatrice Hennig. Auch beim Ausstieg aus der Prostitution hilft das Café – bei fast jeder zweiten Frau mit Erfolg. „Wir unterstützen die Mädchen, wenn sie aufhören wollen, aber auch, wenn nicht.“ Am Ende des zweistündigen Rundgangs erinnern sich einige Gäste an das Zitat: „Der Rand der Gesellschaft bestimmt ihre Form.“ Ohne Einrichtungen wie das Café Sperrgebiet würde sie ihre Form wohl verlieren.