Ex-Justizsenator Till Steffen wirft Landesregierung unter anderem vor, die Behördenkommunikation trotz Hackerangriffs nicht zu verschlüsseln. Er befürchtet, dass die Hamburger Verwaltung zunehmend angreifbarer wird.
Hamburg. Die Grünen nehmen mit Blick auf die nächste Bürgerschaftswahl die Datenschutz-Politik des SPD-Senats aufs Korn. „Datenschutz und Bürgerrechte haben in dem Senat von Bürgermeister Olaf Scholz keine Stimme“, schreibt der frühere Justizsenator und Grünen-Bürgerschaftsabgeordnete Till Steffen in einem fünfseitigen Papier, mit dem er auch die parteiinterne Debatte über das Thema anstoßen will.
Steffen vermisst eine kritische Positionierung des Bürgermeisters in der Diskussion über die Ausspähung deutscher Politiker durch den US-Nachrichtendienst NSA. „Für die Hamburger ist Freiheit ein Markenzeichen ihrer Stadt. Bei Olaf Scholz jedoch ist davon nicht viel zu spüren: Er lässt ausrichten, dass es ihm egal sei, ob die NSA sein Telefon überwache“, schreibt der Grünen-Politiker lakonisch.
Steffen befürchtet außerdem, dass die Hamburger Verwaltung mit der Umstellung auf moderne Kommunikationsmittel und digitale Informationsverarbeitung zunehmend angreifbarer wird. Seit einigen Jahren werde die Einführung der elektronischen Akte vorbereitet. Im vergangenen Jahr hätten die Hamburger Behörden ihre Kommunikation auf Internettelefonie „Voice over IP“ umgestellt. „Doch der SPD-Senat hält es nicht für erforderlich, die sensible Kommunikation unter und mit den Behörden zu verschlüsseln“, kritisiert Steffen. Daran habe sich trotz eines massiven Angriffs auf die städtischen Rechner nichts geändert.
Kritik an Vereinbarung mit US-Unternehmen
Skeptisch beurteilt der Jurist auch die Grundsatzvereinbarung, die der Senat vor Kurzem mit dem US-amerikanischen IT-Unternehmen Cisco abgeschlossen hat. Dabei geht es um eine künftige Zusammenarbeit für eine „Smart City“. Steffen: „Im Rathaus träumt man von der schönen neuen Welt der vernetzten Stadt. Wer Zugriff auf die dabei verarbeiteten Daten hat und wie sie geschützt werden, darüber will man sich später Gedanken machen – vielleicht.“
Der Grünen-Politiker kritisiert die aus seiner Sicht bestehende Zurückhaltung des Senats beim Thema Datenschutz gegenüber in Hamburg ansässigen Internet-Medienunternehmen wie etwa Google. „Während es zu meiner Zeit als Justizsenator mehrere Vorstöße Hamburgs gab, um die Sammelwut von Google und Co. in die Schranken zu weisen, gilt unter Olaf Scholz die Maxime, Internetkonzerne und soziale Netzwerke bloß nicht zu verärgern“, schreibt Steffen. Begründung: Hamburg sei schließlich Medienstandort.
Scholz hatte die Medienpolitik gleich nach seiner Wahl zum Ersten Bürgermeister im März 2011 zur Chefsache erklärt. In einer Grundsatzrede beim „Hamburger Mediendialog 2014“ kündigte der SPD-Politiker am Dienstagabend einen Medienstaatsvertrag an, der die Interessen der Länder deutlich herausstreichen soll. Scholz geht es dabei allerdings in erster Linie um Fragen der Marktordnung und der Verhinderung einer marktbeherrschenden Stellung einzelner Unternehmen gerade im Internet.
Datenschutzbeauftragter alleingelassen
Ausdrücklich lobt Steffen die Arbeit des Hamburgischen Datenschutzbeauftragten Johannes Caspar, der die Datensammelwut etwa von Google immer wieder kritisiert hat. „Er füllt die Rolle des Datenschutzbeauftragten sehr gut aus“, sagt Steffen. „Umso erstaunlicher ist, dass der Senat ihn bei seinen Bemühungen alleinlässt.“ Es wäre die Aufgabe der Landesregierung, für sinnvolle rechtliche Rahmenbedingungen zu sorgen, die der Datenschutzbeauftragte dann ausfüllen könne.
Steffen kritisiert, dass der SPD-Senat auf Bundesebene für die Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung eintritt: „Bislang fehlt jeder Beleg dafür, dass die anlasslose massenhafte Überwachung unbescholtener Bürger für unsere Sicherheit erforderlich ist.“ Einen direkten Zusammenhang sieht der Grüne jedoch zwischen Datenschutz und dem Schutz der Bürger vor Straftaten. Viele Straftaten – gerade Vermögensdelikte – würden mittlerweile im Netz begangen. „Für den Schutz braucht es zweierlei: wirksamen Datenschutz, damit die Menschen selbst ihre sensiblen Daten schützen können, und eine wirksame Strafverfolgung im Netz, um da einzugreifen, wo die Nutzer das nicht selbst leisten können.“
Am heutigen Donnerstag diskutiert der Grüne unter anderen mit dem stellvertretenden Hamburger Verfassungsschutz-Chef Torsten Voß und dem Grünen-Europa-Abgeordneten Jan Philipp Albrecht über „Ein Jahr Snowden – hat sich das Netz verändert?“ Beginn: 19Uhr, WiWi-Bunker, Von-Melle-Park5 (Rotherbaum).