Zum 20-jährigen Bestehen der Kooperation mit Chicago zieht das Abendblatt eine kritische Bilanz. Welche Städtepartnerschaften gut funktionieren und welche ein intensiveres Engagement vertragen könnten.
Hamburg. Neun Partnerstädte hat Hamburg in aller Welt. Und während Kritiker meinen, das Konzept der Städtepartnerschaften habe sich überlebt, hat Hamburgs „Außenminister“, Staatsrat Wolfgang Schmidt (SPD), in dieser Woche das Gegenteil betont. „Die Partnerstädte werden für Hamburg immer wichtiger“, sagte Schmidt mit Blick auf das 20-jährige Bestehen der Partnerschaft mit Chicago. „Mehr als die Hälfte der Menschen weltweit leben in Städten. Und die Städte haben fast überall auf der Welt mit ähnlichen Herausforderungen zu kämpfen, deswegen ist es sinnvoll, sich auszutauschen und auch von den Partnerstädten zu lernen.“
Das Hamburger Abendblatt nimmt dies zum Anlass, die neun Hamburger Städtepartnerschaften einem kritischen Blick zu unterziehen.
Geschichte der Partnerschaften
Man kann die Historie der Hamburger Städtepartnerschaften grob in drei Phasen einteilen. Die ersten beiden Partnerschaften mit St. Petersburg (damals noch Leningrad) 1957 und Marseille 1958 fielen in die Zeit des Kalten Krieges. Der Ausbau der Beziehungen zu einer sowjetischen und einer französischen Stadt hatte zunächst vor allem eine Bedeutung für die Aussöhnung mit den Nachbarn.
Erst in den späten 1980er-Jahren schloss Hamburg die nächsten Partnerschaften. Diese folgten grob zwei Richtungen: „Entlang der Elbe“ und „Hinaus in die Welt“. Die Kooperationen mit Dresden (1987) und Prag (1990) gehören zu den Elbpartnerschaften – auch wenn Prag nicht direkt an der Elbe liegt, besteht doch eine Verbindung über das Flusssystem.
Die anderen Partnerschaften lassen sich treffend unter dem Motto „Hinaus in die Welt“ zusammenfassen. Dazu gehören die 1986 geschlossene Kooperation mit der chinesischen Hafenstadt Shanghai und die Partnerschaften mit dem japanischen Osaka (1987), dem nicaraguanischen León (1989), mit Chicago (1994) und die jüngste Kooperation mit Daressalam in Tansania, die es seit 2010 gibt.
Prinzip der Partnerschaften
Hamburg wählt seine Partner in der Regel nach klaren Prinzipien aus. So sollen die Partnerstädte wie Hamburg zwar nicht Hauptstädte sein (Ausnahme: Prag), dafür aber dynamische Metropolen, deren Bedeutung an die der Hauptstädte heranreicht. „Wichtig für erfolgreiche Partnerschaften ist es, dass man sich auf Augenhöhe begegnet, dass die Partnerstadt eine ähnliche Größe und Bedeutung hat“, sagt Corinna Nienstedt, Leiterin Internationales bei der Handelskammer Hamburg. „Auch eine vergleichbare Wirtschaftsstruktur ist wichtig, also etwa eine ähnliche Bedeutung des Hafens.“ Zudem sollte es bereits intensive Verbindungen zwischen den Bürgern der Städte geben. „Uns ist es wichtig, dass wir nur offizielle Städtepartnerschaften eingehen, wenn es schon enge Beziehungen zwischen Vereinen oder Institutionen gibt“, so Staatsrat Wolfgang Schmidt. Insgesamt wendet Hamburg derzeit rund 640.000 Euro im Jahr für alle Partnerschaften auf.
St. Petersburg (1957)
Die Initiative für die erste Städtepartnerschaft ging vom Stadtsowjet des damaligen Leningrad aus. In Hamburg und vor allem im Auswärtigen Amt reagierte man zunächst skeptisch. Eine Senatsdelegation reiste dennoch nach Leningrad, und schließlich „besiegelten zum ersten Mal in der deutschen Geschichte eine deutsche und eine sowjetische Stadt einen Freundschaftsvertrag, dessen mündlicher Abschluss bis heute Garant dafür ist, dass sich die Beziehungen zwischen den beiden Städten im Laufe von fünf Jahrzehnten stetig verbessert haben“, wie es auf der Internetseite des Senats zu den Städtepartnerschaften heißt.
Als sich die Versorgungslage in der ehemaligen Sowjetunion Anfang der 1990er-Jahre dramatisch verschlechterte, stellte der Hamburger Senat insgesamt 4,5 Millionen D-Mark für ein Sofortprogramm in der Partnerstadt bereit. Viele Hamburger Organisationen, Bürger, Schulen, Kinderheime, Firmen oder Kirchengemeinden sammelten Geld oder übernahmen Patenschaften. So entstand eine Vielzahl von Initiativen, von denen viele bis heute bestehen.
Neben Shanghai ist St. Petersburg die wichtigste Partnerstadt – schließlich ist der Hamburger Hafen Russlands wichtigste Drehscheibe für den Handel mit der EU. Seitdem Jahr 2005 unterhalten Hamburg und Schleswig-Holstein mit dem Hanse-Office ein Büro in St. Petersburg, das norddeutsche Interessen im nordwestrussischen Raum vertreten soll.
Zuletzt wurden die Beziehungen allerdings getrübt. Der russische Umgang mit Homosexuellen und mit Nichtregierungsorganisationen hat viele Hamburger irritiert und verärgert. Die Unterzeichnung eines Memorandums über die künftige Entwicklung wurde 2012 abgesagt – weil die russische Seite offenbar einzelne Projekte von der gemeinsamen Planungsliste gestrichen hatte.
Marseille (1958)
Die 1958 mit einem fast schon pathetischen „Partnerschaftsschwur“ geschlossene Kooperation mit Marseille stand ganz im Zeichen der Aussöhnung. Obwohl beide Metropolen als Groß- und Hafenstädte ähnliche Herausforderungen zu bewältigen hatten, wurde es schnell wieder still um diese Zusammenarbeit. Derzeit bekomme die Partnerschaft aber neue Impulse, sagt Corinna Nienstedt von der Handelskammer – etwa durch das Engagement der Hamburg Ambassadorin und die Deutsch-Französische Gesellschaft Cluny.
Shanghai (1986)
Die 1986 von Bürgermeister Klaus von Dohnanyi und dem Oberbürgermeister Shanghais (und späteren Staatspräsidenten), Jiang Zemin, unterzeichnete Partnerschaft ist die wohl wichtigste Kooperation. Schließlich ist China der bedeutendste Partner des Hamburger Hafens. Allerdings wird die Freundschaft auch durch einen intensiven Austausch auf kultureller und schulischer Ebene gefördert. So gibt es einen regelmäßigen Schüleraustausch, aber auch einen Austausch bei jungen Managern oder Journalisten. Die China-Time, bei der sich in Hamburg im November bereits zum fünften Mal 200 Veranstaltungen um die Beziehungen zu China drehen, unterstreicht die Bedeutung der Beziehungen.
Ein ungelöstes Problem ist die fehlende direkte Flugverbindung zwischen beiden Städten – die sich beide Seiten sehr wünschen. „Unser Ziel ist, dass man von Hamburg direkt nach China fliegen kann“, sagt Staatsrat Schmidt. „Untersuchungen unseres Flughafens zeigen, dass so eine Strecke profitabel wäre.“
Wie auch in den Beziehungen zu St. Petersburg spielt die Frage der Menschenrechte auch bei der Kooperation mit Shanghai eine wichtige Rolle. „Neben den Gemeinsamkeiten gibt es erhebliche Unterschiede“, so Staatsrat Schmidt. „Die freundschaftlichen Beziehungen führen dazu, dass der Umgang mit Minderheiten oder Menschenrechten offen angesprochen werden kann.“
Dresden (1987)
Die 1987 vor allem mit dem Ziel einer Reinhaltung der Elbe geschlossene innerdeutsche Partnerschaft mit Dresden symbolisiert bis heute die Überwindung der deutschen Teilung. Als klassische Städtepartnerschaft habe sie sich aber überlebt, schreibt der Senat. Dementsprechend würden auch kaum noch finanzielle Mittel für die Partnerschaft aufgewendet.
Osaka (1989)
Der Anstoß für die 1989 geschlossene Partnerschaft mit der drittgrößten japanischen Stadt kam in erster Linie aus der Hamburger Wirtschaft. Bis heute gibt es einen, allerdings nicht überbordenden Austausch. Sinnbild ist auch das jährliche Kirschblütenfest an der Alster, das die japanische Gemeinde den Bürgern Hamburgs jedes Jahr schenkt. Das 25. Jubiläum der Partnerschaft wird in Hamburg im Herbst gefeiert und zuvor bereits mit dem Japan-Filmfest vom 28. Mai bis 1. Juni gewürdigt.
León (1989)
Die 1989 geschlossene Städtepartnerschaft mit der zweitgrößten Stadt Nicaraguas fußte zunächst vor allem auf den intensiven Beziehungen, die nach der Revolution 1979 von einer Hamburger Solidaritätsszene mit den revolutionären Sandinisten in dem mittelamerikanischen Land geknüpft wurden. Die Beziehungen lassen sich wohl am ehesten als Entwicklungspartnerschaft in eine Richtung bezeichnen, bei der es in erster Linie darum geht, die Lebensbedingungen der Menschen in León zu verbessern.
Ihre große Solidarität mit den Menschen in der lateinamerikanischen Stadt zeigen die Hamburger nicht nur durch vom Senat bezahlte Hilfsprojekte, schulische Hilfsaktionen, Gewerkschaftskontakte oder den Austausch im Bereich der freiwilligen Feuerwehr – sondern auch durch die Restcent-Aktion, bei der mehr als 26.000 Hamburger jeden Monat Centbeträge ihrer Gehälter für Projekte in Nicaragua spenden. Auch nach den Verwüstungen durch den Hurrikane „Mitch“ im Jahr 1998 halfen viele Hamburger mit Spenden beim Wiederaufbau.
Wie es mit dieser seit 25 Jahren bestehenden Partnerschaft weitergeht, dürfte sich vor allem an einer Frage entscheiden: Wächst eine neue Generation von Freunden Leóns in Hamburg nach – oder schläft die Freundschaft ein, wenn ihre einstmals so idealistischen Begründer aus der Hamburger „Soliszene“ in den Ruhestand gehen?
Prag (1990)
Die 1990 geschlossene Partnerschaft mit der tschechischen Hauptstadt spielt in der öffentlichen Wahrnehmung und für die Wirtschaft kaum eine Rolle – auch wenn es auf kultureller Ebene einige regelmäßige Kontakte gibt. „In den Beziehungen zu Prag pflegt die Wirtschaft auch ohne sonderlich aktive Begleitung der Politik enge Kontakte“, sagt Corinna Nienstedt von der Handelskammer.
Chicago (1994)
Schon 1957 regte Chicago eine Partnerschaft mit Hamburg an. Erst 1990 aber unterzeichneten die Bürgermeister Henning Voscherau und Richard M. Daley 1990 ein Kooperationsabkommen. Vor allem die Nähe zum Wasser prägt beide Städte. Aber auch als Wirtschafts-, Medien- und Kulturzentren nehmen sie eine ähnlich bedeutende Stellung ein. Zudem leben in Chicago viele deutschstämmige Menschen. Gleichwohl ist die Städtefreundschaft bisher nicht sehr intensiv mit Leben gefüllt worden. So listet der Senat auf seiner Internetseite denn unter der Rubrik „Akteure der Städtepartnerschaft“ auch fast ausschließlich staatliche Institutionen auf. Derzeit bemüht sich immerhin die Handelskammer um regeren Austausch – etwa durch die neue Veranstaltungsreihe „Chicago Hamburg Business Forum“.
Daressalam (2010)
Die 2010 geschlossene Kooperation mit der Hafenstadt in Tansania gilt ebenfalls als „Entwicklungspartnerschaft“. Anders als die Kooperation mit León fußte die von Schwarz-Grün geschlossene Kooperation aber nicht so sehr auf bestehenden engen Freundschaften von Bürgern oder Vereinen – sondern vor allem auf dem Engagement und Interesse einzelner Akteure. Da einige davon mittlerweile verstorben oder nicht mehr im Amt sind, ist die Partnerschaft bisher nicht wirklich mit Leben gefüllt worden.
Fazit
Die lebendigsten und auch wirtschaftlich wichtigsten Städtepartnerschaften pflegt Hamburg mit Shanghai und St. Petersburg. Die Partnerschaften mit Marseille, Chicago und Osaka dagegen könnten ein intensiveres Engagement von Bürgern und Politik vertragen, die mit Dresden und Prag sind unbedeutend. Die Entwicklungspartnerschaft mit León wird (noch) vom Herzblut der alten „Soliszene“ getragen, die mit Daressalam erscheint dagegen wie eine Totgeburt – da sie bisher weder ökonomisch noch zivilgesellschaftlich mit Leben gefüllt wurde.
Als eine Quelle für diesen Artikel diente die gut gepflegte städtische Internetseite www.hamburg.de/partnerstaedte, auf der sich zahlreiche weitergehende Informationen zu den neun Hamburger Städtepartnerschaften finden.